AfD-"Wahlbeobachter" in Russland Statisten in Putins Inszenierung?
Zur Wiederwahl des russischen Präsidenten Putin waren keine Wahlbeobachter der OSZE eingeladen. Dafür von Russland ausgewählte Personen. Aus Deutschland reisten AfD-Politiker an - und zeigten sich begeistert.
Seine Kritik soll er äußern, an den Präsidentenwahlen in Russland, die in den Augen westlicher Experten nur inszenierte Wahlen waren. Andreas Jurca, AfD-Landtagsabgeordneter in Bayern, überlegt nicht lange. Er habe in der Tat Kritikpunkte - allerdings eher technischer Natur: "Gerade was Transparenz betrifft, meiner Meinung nach eher zu viel", sagt Jurca mit strengem Blick, "also das wäre jetzt in Deutschland unüblich." Der AfD-Politiker sitzt neben seiner Parteifreundin Elena Roon in einem Fernsehstudio von RT DE, einem kremlnahen Propagandasender, dessen Ausstrahlung in Deutschland von der Medienaufsicht vor Jahren verboten wurde.
Gerne geben die beiden hier ein Interview, um über die Erfahrungen zu sprechen, die sie als sogenannte Wahlbeobachter auf Einladung Russlands gesammelt haben. Dass gleich drei bayerische AfD-Landtagsabgeordnete solch eine Einladung annehmen wollten, darüber hatte tagesschau.de im Vorfeld exklusiv berichtet.
Nun zeigen Videos, verbreitet im Onlinedienst X, dass sie die Reise angetreten haben, auch gegen Widerstände aus dem Bundesvorstand der AfD. Gleich zu Beginn des Interviews betont Jurca wohl auch daher, dass sie auf eigene Verantwortung nach Russland gekommen seien. Roon dagegen erklärt, sie hätten die Einladung "sogar in der jetzigen Situation" angenommen, weil es schließlich AfD-Linie sei, friedliche Beziehungen nach Russland zu pflegen.
"Gefällige Parlamentarier aus dem rechten Milieu"
Auf Nachfrage schwärmt auch Roon vom Ablauf der Wahltage: "Die Organisation war sehr gut", stellt sie fest. "Es gab sogar Auftritte, es gab sogar Essen und Trinken, alles gut versorgt, damit die Wählerschaften sich tatsächlich gut und motiviert fühlen."
Experten bewerten das allerdings deutlich anders. Konzerte, Lotterien oder ähnliche Aktionen rund um die Wahllokale dienten nur einem Ziel, erklärt Gerhard Mangott, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck: "Es geht darum, die Wahlbeteiligung höher zu machen, aber nicht aus einer demokratischen Ambition heraus, sondern um überhaupt Menschen zu mobilisieren, zu Wahlen zu gehen, von denen viele nicht glauben, dass sie frei und fair sind."
Roon ist es auch, die in einem weiteren Video die Vorzüge eines russischen Wahllokals vorführt. Man könnte die knapp vier Minuten, in denen sie selbst wie eine Reporterin durch das Wahllokal in Wladiwostok geht, dabei die "vollkommen durchsichtigen" Wahlurnen oder die barrierefreien Wahlkabinen lobt, auch mit einem Imagefilm aus dem Kreml verwechseln.
Später im Fernsehstudio fallen der AfD-Politikerin dann auch nur wenige Unterschiede zu Wahlen in Deutschland ein: die transparenten Wahlurnen, dass Wählerinnen und Wähler so erfreut gewesen seien und die Videoaufnahmen, die in jedem Wahllokal gemacht würden: "Die Leute haben kein Problem damit, wir haben schon mit mehreren gesprochen."
Politikwissenschaftler Mangott dagegen hätte noch Fragen. Zum Beispiel, warum die Wahlurnen in den Nächten der drei Wahltage unbewacht geblieben seien. Außerdem fügt er hinzu: "In diesen Wahllokalen gibt es kaum Beisitzer, die aus der Opposition kommen, und deswegen ist Tür und Tor geöffnet, um die Auszählungsprotokolle so zu manipulieren, wie es eben sein soll", sagt Mangott.
Für ihn ist klar, dass die AfD-Landtagsabgeordneten durch ihre Reise und die anschließenden Erklärungen alles erfüllt hätten, was die russische Führung braucht. Schließlich hätten mit ihnen westliche Beobachter den demokratischen Charakter der Wahl bestätigt, obwohl gleichzeitig die OSZE-Beobachter nicht eingeladen worden sind, "sondern nur gefällige Parlamentarier aus dem rechten Milieu", so Mangott.
Keine klare AfD-Linie nach der Wiederwahl
Sogar der AfD-Bundesvorstand war über diese Reise ganz und gar nicht erfreut, hatte den Abgeordneten per Mail "dringend" empfohlen, die Russland-Reise nicht anzutreten. Das Parteiführungsgremium nimmt für sich in Anspruch, dass Entscheidungen über außenpolitische Angelegenheiten der AfD allein beim Bundesvorstand liegen.
Der Verdacht, dass Abgeordnete der AfD durch Russland instrumentalisiert werden könnten, kommt für die Partei zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Gerade erst hat die Süddeutsche Zeitung (SZ) über ein internes Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz berichtet, nach dem die Partei womöglich als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft werden könnte. Darin führt der Nachrichtendienst laut SZ als neuen Punkt auch das "Verhältnis zu Russland" an.
Die Unsicherheit im Umgang damit ist vielleicht auch ein Grund, warum die AfD noch keine klare Linie im Nachgang von Wladimir Putins angeblichem Wahlsieg verfolgt. So spricht Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, in einem Pressegespräch davon, Russland sei "keine Demokratie nach westlichen Maßstäben" - was dann doch etwas anders klingt als die geschilderten Erlebnisse der bayerischen Landtagsabgeordneten. Weder er noch andere "bei uns" hätten Putin gratuliert.
Co-Parteichef Tino Chrupalla will vor der Fraktionssitzung im Bundestag auf Nachfrage auch keine Glückwünsche aussprechen. Auf der Internetplattform X fordert er zugleich aber Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf, seine Entscheidung zu überdenken, ebenfalls nicht gratulieren zu wollen.
Ein Parteifreund Chrupallas kommt dem zuvor. Und zwar nicht irgendwer: der einflussreiche Hans-Thomas Tillschneider, der zum kleinen Führungskreis des offiziell aufgelösten rechtsextremen Flügels der AfD gehörte. Derzeit ist Tillschneider stellvertretender Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt. "Herzlichen Glückwunsch an ihn und an das russische Volk", schreibt er auf seinen Social-Media-Kanälen - einmal auf Deutsch und einmal auf Russisch.