Pläne von Minister Pistorius Bundeswehr als "Rückgrat der Abschreckung"
Verteidigungsminister Pistorius will die Bundeswehr konsequent auf den Schutz Deutschlands und seiner Verbündeten ausrichten. Er erließ neue verteidigungspolitische Richtlinien für eine "kriegstüchtige" Bundeswehr.
Für die Bundeswehr rückt nach den Jahrzehnten der Auslandseinsätze wieder ein Kampf für das eigene Land und die Verbündeten ins Zentrum der Vorbereitungen. Das geht aus den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien hervor, die Verteidigungsminister Boris Pistorius in Berlin auf der Bundeswehrtagung vorstellte. Zuletzt hatte eine Bundesregierung 2011 unter dem damaligen Ressortchef Thomas de Maizière solche erlassen.
In dem 34-seitigen Dokument mit dem Titel "Verteidigungspolitischen Richtlinien für die Zeitenwende" wird "Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime" bezeichnet. Pistorius und der Generalinspekteur Carsten Breuer schreiben in dem Papier: "Wir müssen Rückgrat der Abschreckung und kollektiven Verteidigung in Europa sein. Unsere Bevölkerung, aber auch unsere Partner in Europa, Nordamerika und der Welt erwarten von uns, dass wir uns dieser Verantwortung stellen."
"Sicherheitspolitisch erwachsen" werden
Mit dem "brutalen Angriff" von Russlands Präsident Wladimir Putin auf die Ukraine sei der Krieg "nach Europa zurückgekehrt", betonte Pistorius. Durch die dadurch ausgelöste Zeitenwende müsse Deutschland nun "sicherheitspolitisch erwachsen" werden. Die Bedrohungslage wird in dem Dokument wie folgt eingeschätzt: "Die Russische Föderation bleibt ohne einen fundamentalen inneren Wandel dauerhaft die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum."
Ziel müsse es fortan sein, die jahrzehntelang vernachlässigte Bundeswehr wieder auf ihren Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten, schreiben Pistorius und Breuer im Vorwort der neuen Richtlinien. Dies müsse fortan "strukturbestimmend" für die Armee sein. Alle weiteren Aufgaben seien dieser Kernaufgabe "nachgeordnet", heißt es in den Richtlinien. Jetzt würden "die Grundlagen für eine zukunftsfähige, einsatz- und kriegstüchtige Bundeswehr" geschaffen.
Die Bundeswehr müsse sich auf einen Kampf "gegen einen mindestens ebenbürtigen Gegner ausrichten" und dann auch im hochintensiven Gefecht "durchhaltefähig" sein. "Wir wollen diese Auseinandersetzung nicht nur gewinnen, sondern wir müssen. Dies gibt den Takt vor."
Thema ist auch die Bedrohung durch China
Gleichwohl soll die Bundeswehr weiter zu internationalen Kriseneinsätzen in der Lage sein. Pistorius und Breuer verweisen dabei neben bisherigen Einsätzen auf dem Westbalkan und in der afrikanischen Sahelregion auch auf den Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel. In den Richtlinien heißt es dazu, dem Existenzrecht Israels komme beim internationalen Engagement für regionale Stabilität und Frieden "besondere Bedeutung" zu.
Auch wenn sich der "Fokus auf die Sicherheit vor der Russischen Föderation" richte, stehe Deutschland vor einer Vielzahl sicherheitspolitischer Herausforderungen, betonen die Planer im Verteidigungsministerium. Genannt wird dabei neben der Lage in Afrika, Nahost, dem Indopazifik und der Arktis auch ausdrücklich China. Dieses versuche, "die regelbasierte internationale Ordnung nach seinen Vorstellungen umzugestalten" und beanspruche "zunehmend offensiv eine regionale Vormachtstellung".
Rasche Vollausstattung ist das Ziel
Zur Gestaltung der Zeitenwende sei bei den Verteidigungsausgaben "ein stetig steigender Plafond von mindestens zwei Prozent" der Wirtschaftsleistung nötig, heißt es in den Richtlinien weiter. Die nachhaltige und umfassende Finanzierung der Bundeswehr sei dabei "unabdingbare Voraussetzung" für die deutsche Glaubwürdigkeit bei der Umsetzung der Zeitenwende.
Voraussetzung für funktionierende Streitkräfte bleibe die langfristige Finanzierung über den mit 100 Milliarden Euro ausgestatteten Topf ("Sondervermögen") hinaus. "Unser vordringlichstes Ziel ist die rasche Vollausstattung, um die Bundeswehr zu einer der leistungsfähigsten Streitkräfte in Europa zu machen", geben die Richtlinien als Maxime bei der Ausrüstung der Truppe aus.
"Kriegstüchtig in allen Bereichen"
Die Richtlinien fordern Entscheider in Verwaltung, Militär und Behörden auf, Spielräume für die Bundeswehr auch zu nutzen. Bei der Vergabe von Aufträgen seien bestehende Ausnahmeklauseln "konsequent anzuwenden und vergaberechtliche Möglichkeiten zur Beschleunigung des Verfahrens auszuschöpfen". Die Ausstattung der Streitkräfte werde konsequent auf marktverfügbare Beschaffungen ausgerichtet. Eigene Entwicklungsvorhaben würden insbesondere im Bereich der nationalen Schlüsseltechnologien weiterverfolgt.
Deutschland müsse wehrhaft und resilient sein, also als Gesellschaft und Staat stabil bei Angriffen und Störaktionen, steht in dem Papier. Die Wehrhaftigkeit sei eine gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit der Bundeswehr als ein Kerninstrument. "Hierzu muss sie in allen Bereichen kriegstüchtig sein. Das bedeutet, dass ihr Personal und ihre Ausstattung auf die Wahrnehmung ihrer fordernden Aufträge ausgerichtet sind."
Truppenstärke bleibt unklar
Angaben zur künftigen Personalstärke der Bundeswehr finden sich in den Richtlinien nicht. Pistorius lässt derzeit noch prüfen, ob das vor seiner Amtszeit festgelegte Ziel von 203.000 Soldaten weiter Bestand haben wird. Derzeit sind es knapp 181.000. Betont wird in den Richtlinien aber die Notwendigkeit einer "gut ausgebildeten Reserve", die im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung für Verstärkung sorgen soll.