Pistorius zu Kanzlerkandidatur "Die Frage stellt sich für mich nicht"
In Umfragen ist Verteidigungsminister Pistorius beliebt, in der SPD sähen ihn einige gern als Kanzlerkandidaten. Im Bericht aus Berlin stellt er sich klar hinter Kanzler Scholz. Die K-Frage stelle sich nicht.
Bleibt die SPD beim Kanzler als Spitzenkandidat für die Neuwahlen? Diese Frage wabert seit dem Ampel-Aus durchs Regierungsviertel. Verteidigungsminister Boris Pistorius statt Kanzler Olaf Scholz - das gefiele einigen Genossen.
Pistorius selbst hat bisher Ambitionen auf den Posten des SPD-Kanzlerkandidaten zurückgewiesen. Bei dieser Haltung blieb er auch im Bericht aus Berlin. Will er Kanzlerkandidat werden? "Die Frage stellt sich für mich nicht", sagte Pistorius. "Wir haben einen Kanzlerkandidaten, ich gehe fest davon aus, dass Olaf Scholz nominiert wird." Spätestens beim Parteitag am 11. Januar werde die Partei darüber entscheiden.
Scholz sei ein "herausragender Kanzler". Er selbst wolle seine Arbeit als Minister fortsetzen.
Er werde ab und an auf eine mögliche Kandidatur angesprochen. "Das ist ein normaler Zustand in so einer Phase", sagte der 64-Jährige. Doch damit dürfe sich die SPD nicht zu lange aufhalten, jetzt sei Geschlossenheit gefragt:
Es geht darum, ein gutes Ergebnis zu erzielen bei den Neuwahlen. Das werden wir nicht erreichen, wenn wir uns mit Debatten um den Kanzlerkandidaten zerlegen.
Scholz gibt sich selbstbewusst
Noch steht die SPD-Spitze hinter dem Kanzler. Vielleicht auch, weil sich viele an sein Comeback aus dem Umfragetief vor der vergangenen Wahl erinnern. Schafft es Scholz noch einmal, den Trend zu drehen?
Er selbst scheint weiter daran zu glauben: "Die SPD und ich wir sind bereit, in diese Auseinandersetzung zu ziehen - übrigens mit dem Ziel zu gewinnen." Mit dieser Aussage stieg Scholz in den Flieger zum G20-Gipfel.
Aktuell sind seine Umfragewerte aber schwach: Lediglich 45 Prozent der SPD-Anhänger halten ihn laut DeutschlandTrend für einen guten SPD-Kanzlerkandidaten, 47 Prozent der eigenen Anhänger sind der Meinung, er sei kein guter Kanzlerkandidat für die SPD.
Anders sieht es bei Pistorius aus: Schon zwei Monate nach seiner Berufung als Verteidigungsminister war er der beliebteste Ampel-Politiker, in Umfragen sehen ihn viele Menschen als Kanzlerkandidaten.
Münteferings Fingerzeig
Aufhorchen ließen da Äußerungen des früheren SPD-Chefs Franz Müntefering. Der inzwischen 84-Jährige forderte im Tagesspiegel eine Entscheidung auf einem Parteitag - notfalls in einer Kampfabstimmung: "Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen in der eigenen Partei grundsätzlich möglich und kein Zeichen von Ratlosigkeit. Sie sind praktizierte Demokratie", ließ sich Müntefering zitieren.
Pistorius sagte im Bericht aus Berlin, Müntefering habe recht: "Die Partei wird entscheiden und dann ist gut", betonte er. "Was wir jetzt brauchen, ist Geschlossenheit, Klarheit in unseren Zielen, eine klare Sprache und dann rein in den Wahlkampf."
Einige SPD-Politiker hatten ihre Zweifel an Scholz' Kandidatur schon öffentlich geäußert. Darunter der rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten und sein Fraktionskollege Johannes Arlt aus Mecklenburg-Vorpommern. Auch aus Ostdeutschland, Hessen und Hamburg gab es kritische Stimmen.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich räumte jüngst ein "Grummeln" zur K-Frage in der Partei ein.
Ist Scholz bei den Menschen "unten durch"?
Der Spiegel berichtete von einer Sitzung des Seeheimer Kreises, einer konservativen Gruppe in der SPD-Fraktion. Dort ist man offenbar der Meinung, Olaf Scholz sei bei den Menschen im Land "unten durch". Der Wechsel zu Pistorius müsse kommen, sonst werde die Partei bei der Bundestagswahl im Februar ein "Desaster" erleben.
Ähnlich besorgt klingt der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bochum, Serdar Yüksel. Im Stern sagte er, es gehe darum, dass die Partei überlebe. Er glaubt: "Wenn Sie in der SPD die Mitglieder befragen würden, wären 80 Prozent für Pistorius."
Und was denkt die Union über einen möglichen Kandidaten Pistorius? "Es würde nicht so viel Veränderung bringen", glaubt CSU-Chef Markus Söder. Im Bericht aus Berlin schätzt er den Pistorius-Effekt auf "vielleicht ein bis zwei Prozent".
Klingbeil warnt vor falschen Hoffnungen
Bisher ist geplant, den SPD-Kanzlerkandidaten beim Parteitag am 11. Januar zu nominieren. Und bisher ist bei der Parteispitze kein Abrücken von Scholz zu erkennen. Im Handelsblatt erklärte Parteichef Lars Klingbeil zur K-Frage: "Ich bin froh, dass Boris Pistorius der beliebteste Politiker ist. Er macht einen sehr guten Job als Verteidigungsminister". Gleichzeitig warnte er: Es sei "ein Irrglaube zu meinen, man tauscht nur den einen gegen den anderen aus und schon ist alles rosig, blüht und gedeiht".