K-Frage in der SPD Immer wieder fällt der Name Pistorius
Trotz aller Bemühungen der SPD-Spitze verstummt die Debatte über den Kanzlerkandidaten nicht. Im Gegenteil. Mit Franz Müntefering meldete sich jetzt auch ein Urgestein der Partei zu Wort. Doch Scholz macht klar: Er will es machen.
Die Kanzler- und Spitzenkandidaten für die vorgezogene Bundestagswahl stehen bei fast allen Parteien fest. Bei der derzeitigen Kanzlerpartei SPD hingegen nimmt die Debatte, ob Olaf Scholz zur Wiederwahl antreten oder die Partei auch andere Kandidaten in Betracht ziehen soll, weiter Fahrt auf. Immer wieder fällt der Name Boris Pistorius. Der Verteidigungsminister ist in Umfragen deutlich beliebter als Kanzler Scholz.
"Olaf Scholz ist der Kanzler"
Die SPD-Parteispitze hat Scholz bislang nicht mit einem Vorstandsbeschluss nominiert. Sie versucht aber seit Tagen gegen die anschwellende Debatte anzureden. "Olaf Scholz ist der Kanzler. Und alle, die in der SPD Verantwortung tragen, haben in den letzten Tagen auch deutlich gemacht, dass wir hinter ihm stehen", sagte Parteichef Lars Klingbeil auch dieses Wochenende wieder. Für die SPD sei es nun wichtig, "dass wir uns inhaltlich auseinandersetzen mit dem Bundestagswahlkampf, aber nicht über Personal diskutieren".
Klingbeil forderte mit Blick auf die Kandidatendebatte einen anderen Fokus: "Es gibt eine Polarisierung zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz. Das sind fundamentale Gegensätze." Es gehe um die Frage, ob man Politik für Besserverdienende mache, oder für Pflegekräfte, Erzieher und Bauarbeiter. "In diese Auseinandersetzung werden wir jetzt reingehen", betonte der SPD-Chef.
Ex-Parteichef Müntefering fordert offene Debatte
Doch sehr sich die Parteispitze auch bemüht, die Debatte im Keim zu ersticken - sie ploppt immer wieder neu auf. Neben etlichen Kommunalpolitikern sprachen sich inzwischen einem Spiegel-Bericht zufolge auch mehrere Bundestagsabgeordnete für Pistorius aus.
Nun meldet sich mit Franz Müntefering auch ein sogenanntes SPD-Urgestein zu Wort. Der Ex-Parteichef forderte eine Entscheidung über die Kanzlerfrage auf einem Parteitag - notfalls in einer Kampfabstimmung. "Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen in der eigenen Partei grundsätzlich möglich und kein Zeichen von Ratlosigkeit. Sie sind praktizierte Demokratie", sagte Müntefering dem Tagesspiegel.
"Kanzlerkandidatur ist kein Spiel, das zwei oder mehr Kandidaten abends beim Bier oder beim Frühstück vereinbaren oder das ein Vorrecht auf Wiederwahl umfasst", sagte er. Die Stimme von Müntefering, der aus dem einflussreichen SPD-Bezirk Westliches Westfalen kommt, hat in der Partei immer noch Gewicht.
Erster Bundestagsabgeordneter stellt sich öffentlich hinter Pistorius
Als erster Bundestagsabgeordneter forderte Joe Weingarten aus Rheinland-Pfalz heute öffentlich eine Kandidatur von Pistorius. "Es ist meine klare Meinung, dass wir mit Boris Pistorius in den Wahlkampf ziehen sollten", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Er hat die Tatkraft, die Nähe zu den Menschen und die Fähigkeit, auch in klarem Deutsch zu sagen, was zu tun ist." Weingarten rief die Parteiführung dazu auf, zeitnah mit Scholz eine Lösung zu finden.
Über die Forderung Weingartens nach einem Wechsel zu Pistorius hatte gestern bereits Der Spiegel berichtet und auf ein Treffen des eher konservativ orientierten Seeheimer Kreises am vergangenen Dienstag verwiesen. Laut Informationen des Magazins plädieren neben Weingarten noch mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete für Pistorius.
Pistorius weist Spekulationen zurück
Der 64-jährige Pistorius ist nach Umfragen seit Monaten der beliebteste Politiker in Deutschland. Scholz liegt dagegen weit abgeschlagen auf den hinteren Rängen. Die SPD kam in Umfragen zuletzt nur auf Werte um die 16 Prozent, die Union liegt mit Umfragewerten um die 33 Prozent deutlich vorn.
Pistorius wies eigene Ambitionen auf das Kanzleramt jedoch mehrfach zurück. "Wir haben einen Bundeskanzler, und der ist der designierte Kanzlerkandidat", sagte er bei einer Diskussionsveranstaltung vergangene Woche. "Ich sehe niemanden in der Partei, der daran etwas verändern möchte." Pistorius ist heute Abend im ARD-Bericht aus Berlin zu Gast.
"Es ist ja einiges los hier"
Scholz ist nun erstmal für fast drei Tage weg. Vor seinem Abflug zum G20-Gipfel in Rio stellte er aber noch mal klar: "Die SPD und ich, wir sind bereit, in diese Auseinandersetzung zu ziehen, übrigens mit dem Ziel zu gewinnen", sagte er auf die Frage, ob er unter allen Umständen bei seinem Anspruch auf die Kanzlerkandidatur bleiben werde.
Heute reist der Bundeskanzler zum G20-Gipfel in Rio, eigentlich wollte er danach am Dienstagabend auch noch weiter nach Mexiko. Dieser Teil der Reise wurde aber aufgrund der aktuellen Situation kurzfristig abgesagt, um "frühzeitig wieder hier in Berlin zu sein", wie es in seinem Umfeld hieß. "Es ist ja einiges los hier."
Scholz landet am Mittwochmorgen wieder in Berlin. Dann dürfte es nur noch eine Frage von Tagen sein, bis auch bei der SPD die Entscheidung in der K-Frage fällt. Bis zu dem für den 11. Januar geplanten Parteitag wird die Parteiführung wohl kaum noch warten können. Am 30. November ist in Berlin eine "Wahlsiegkonferenz" geplant, auf der der Kanzlerkandidat seinen ersten großen Auftritt haben soll.