Nach Einigung auf Termin Was bis zu den Neuwahlen passiert
Es gibt eine politische Einigung für einen Neuwahltermin. Auch für die Vertrauensfrage zeichnet sich ein Datum ab. Wie läuft das Verfahren ab, wann ist der Bundestag aufgelöst und wer regiert eigentlich? Ein Überblick.
Wie läuft das Verfahren der Vertrauensfrage bis zur Neuwahl ab?
Schritt 1: Der Bundeskanzler stellt im Bundestag den Antrag nach Artikel 68 Grundgesetz, ihm das Vertrauen auszusprechen. Er kann dies mit einer inhaltlichen Sachfrage verbinden, oder die Vertrauensfrage isoliert stellen.
Schritt 2: Frühestens 48 Stunden nach dem Antrag stimmt der Bundestag über die Vertrauensfrage ab. Die Abstimmung soll laut SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am 16. Dezember stattfinden. Am 11. Dezember werde Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage schriftlich stellen.
Schritt 3: Der Bundeskanzler kann nach einer verlorenen Vertrauensfrage dem Bundespräsidenten vorschlagen, den Bundestag aufzulösen.
Schritt 4: Der Bundespräsident kann daraufhin den Bundestag auflösen. Er muss es nicht. Über diese Frage muss er innerhalb von 21 Tagen nach der Abstimmung im Bundestag entscheiden. Lehnt er eine Auflösung ab, würde es bei einer Minderheitsregierung bleiben. Löst der Bundespräsident den Bundestag auf, kommt es zu einer Neuwahl.
Schritt 5: Die Wahl zu einem neuen Bundestag muss innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung des Bundestages stattfinden. Der Einigung von Union und SPD zufolge soll das Datum dafür nun der 23. Februar sein. Am Ende entscheidet das aber Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Wie geht es nach der Auflösung des Bundestages weiter?
Die Bundesregierung bleibt geschäftsführend im Amt, bis ein neuer Kanzler gewählt und seine Ministerinnen und Minister ernannt sind. Auch der "aufgelöste" Bundestag bleibt bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages bestehen.
Es gibt also auch zwischen einer Vertrauensfrage und einer Neuwahl keine parlamentslose Zeit in Deutschland. Wichtige Beschlüsse können bis zur Bildung einer neuen Regierung weiterhin getroffen werden, wenn sich die erforderlichen Mehrheiten dafür finden.
Ist damit genug Zeit bis zur Neuwahl?
Bis zum 23. Februar müssen umfassende Vorbereitungen getroffen werden. Es müssen Wahlausschüsse auf Kreis- und Landesebene berufen, Wahlhelferinnen und Wahlhelfer geworben und geschult, Wahlräume gefunden und ausgestattet werden. An mehr als 60 Millionen Wählerinnen und Wähler werden Wahlbenachrichtigungen verschickt. Hinzu kommen der Versand der Briefwahlunterlagen und die Einrichtung von Briefwahlbezirken - 25.000 waren es 2021.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand sieht den Termin trotzdem als unkritisch an. Die in den Medien genannten möglichen Termine im Februar halte sie "sehr wohl für rechtssicher durchführbar", sagte Brand in einer Sondersitzung des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags noch vor Bekanntwerden der Entscheidung.
Ideal ist der Termin nicht: In Sachsen sind Schulferien. Im Saarland ist es das Wochenende unmittelbar vor den Ferien, wo viele schon verreist sein dürften. Im ersten Quartal sind aber der 19. Januar und der 30. März die einzigen Termine ganz ohne Ferien. Das waren die ursprünglichen Vorschläge von Union und SPD, die jetzt als zu früh, beziehungsweise zu spät erachtet worden sind. Für Reisende bleibt die Briefwahl als Option.
Warum gibt es nicht automatisch eine Neuwahl?
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten das Ziel, für stabile Regierungsverhältnisse zu sorgen. Anders als der Reichspräsident der Weimarer Republik hat der Bundespräsident zum Beispiel nicht das Recht, von sich aus den Bundestag aufzulösen und eine Neuwahl anzuordnen. Der Bundestag kann sich auch nicht selbst auflösen.
Die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers kann einerseits ein Mittel sein, um sich des Vertrauens der Regierungsfraktionen im Bundestag zu versichern. Sie kann aber auch wie jetzt im konkreten Fall dazu führen, den Weg zu einer Neuwahl einzuleiten.
Wie oft gab es schon eine Vertrauensfrage in der Bundesrepublik?
Dass ein Bundeskanzler im Bundestag die Vertrauensfrage nach Artikel 68 Grundgesetz stellt, ist in der Geschichte der Bundesrepublik erst fünfmal vorgekommen. Zweimal (November 2001 und Juli 2005) griff SPD-Kanzler Gerhard Schröder zu diesem Mittel. Davor stellten Willy Brandt (SPD) im September 1972, Helmut Schmidt (SPD) im Februar 1982 und Helmut Kohl (CDU) im Dezember 1982 die Vertrauensfrage.
Warum ist eine Neuwahl nötig?
Nach dem Rauswurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner und dem Rückzug der FDP aus der Ampelkoalition führt Kanzler Scholz nur noch eine rot-grüne Minderheitsregierung an. Seine Handlungsfähigkeit ist auf diese Weise stark beeinträchtigt, er müsste sich für jeden Gesetzesbeschluss mühsam mit Stimmen aus der Opposition eine Mehrheit organisieren.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wies unmittelbar nach dem Ampel-Bruch auf seine Zuständigkeit für die Auflösung des Bundestages hin. "Zu dieser Entscheidung stehe ich bereit", sagte er. Das Grundgesetz knüpfe diese Entscheidung an Voraussetzungen. "Aber unser Land braucht stabile Mehrheiten und eine handlungsfähige Regierung. Das wird mein Prüfungsmaßstab sein."
Was bedeutet "Minderheitsregierung"?
Der Normalfall sieht so aus: Der Kanzler oder die Kanzlerin ist von der Mehrheit aller Abgeordneten im Bundestag gewählt, die zuvor eine Koalition geschlossen haben. Er oder sie kann sich daher auch danach in der Regel auf eine Mehrheit im Bundestag verlassen; zum Beispiel, wenn es um konkrete Gesetzesvorhaben geht, über die abgestimmt werden soll.
Bei einer Minderheitsregierung, die Scholz nun vorerst führen wird, ist das anders. Für jedes einzelne Gesetzesvorhaben muss die Regierung um die Unterstützung einzelner Parteien beziehungsweise Fraktionen werben, damit die nötigen Mehrheiten zustande kommen.
Kanzler Scholz hat angekündigt, dass er noch einige Gesetzesprojekte im Bundestag zur Abstimmung stellen will, die ihm wichtig sind. Spannend ist nun, ob die Union darauf (teilweise) eingehen und mitmachen wird oder nicht.
Mit Informationen von Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion