Nach Ende der Regierungskoalition Wie geht es weiter mit den Ampel-Projekten?
Ein paar Projekte hätte die gescheiterte Ampelkoalition gern noch auf den Weg gebracht. Wie ist es zum Beispiel mit den angekündigten Steuererleichterungen, der Rente und dem höheren Kindergeld - kommt das jetzt noch?
Wird das Bundesverfassungsgericht noch reformiert?
Trotz Ampel-Aus dürfte die Reform des Bundesverfassungsgerichts noch eine Mehrheit im Bundestag finden. Denn schon vor Monaten hatten sich SPD, Grüne und FDP sowie die Union auf einen besseren Schutz des Gerichts verständigt.
Im Kern geht es darum, Regeln, die das Bundesverfassungsgericht betreffen, im Grundgesetz zu verankern. Dabei gehe es um ein interfraktionelles Vorhaben, das die Union nach wie vor für sinnvoll und notwendig halte, sagte Unionsfraktionschef Throsten Frei.
Der öffentliche Druck ist hoch. Zuletzt hatten acht Juristenverbände die Parteien aufgefordert, sich zu einigen - auch, weil rechtspopulistische Regierungen in Polen und Ungarn die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt hatten.
Wie steht es um Asylfragen?
Ein weiteres innenpolitisches Thema, bei dem man sich einigen könnte, ist das neue gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS). Für die Umsetzung der neuen EU-Regeln hätte man zwei Jahre Zeit. Es gibt dazu einen Kabinettsbeschluss der Ampel. Hat die Union ein Interesse an einer Einigung? Sie hat selbst regelmäßig auf schärfere Asylregeln gedrungen, die allerdings auch über das GEAS hinausgingen.
Wie geht es weiter mit Steuern und Kindergeld?
Es gibt zwar ein paar Unterschiede im Detail, aber im Prinzip sind sich SPD, Grüne, FDP und Union einig: Zwei wichtige Freibeträge bei der Steuer sollen erhöht werden, der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag - das ergibt sich allein schon wegen der Entwicklung bei der Inflation. Außerdem soll das Kindergeld um fünf Euro auf 255 Euro im Monat steigen. Eventuell wird das Ganze in einem Paket auch erst im neuen Jahr beschlossen und kommt dann rückwirkend.
Dissens gibt es beim sogenannten Steuerentwicklungsgesetz, das eine steuerliche Entlastung von der kalten Progression bringen soll. Die Union will hier nach Angaben von Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vor der Neuwahl nicht mitmachen.
Unterstützung könnte die Regierung in dieser Frage aber von der FDP bekommen. Fraktionschef Christian Dürr signalisierte zumindest Kooperationsbereitschaft: "Das betrifft in erster Linie die Initiativen, die Christian Lindner innerhalb der Bundesregierung vorangetrieben hat, etwa den Ausgleich der Kalten Progression", sagte Dürr in Berlin. Dafür liege ein fertiger Gesetzentwurf auf dem Tisch.
Was wird aus der Rentenreform?
Über Monate hatten die Ampel-Partner über das Rentenpaket gestritten und es Ende Mai im Bundeskabinett auf den Weg gebracht. SPD und Grünen ist es wichtig, das Rentenniveau bis 2039 stabil bei 48 Prozent zu halten - gemeint ist das Verhältnis der Rente zu den Löhnen in Deutschland.
Die SPD will das Vorhaben auch nach dem Ampel-Aus noch durch den Bundestag bringen und hofft auf die dafür nötige Mehrheit. Die Union will dem Paket aber laut dem Vizechef der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, nicht zustimmen. Auch auf den Ex-Ampel-Partner FDP können SPD und Grüne dabei wohl nicht zählen.
Was passiert mit dem Bundeshaushalt?
Einen Haushalt für das kommende Jahr wird es in der aktuellen Konstellation nicht geben. Das bedeutet aber nicht, dass es zu einem Shutdown kommt, wie man das aus den USA kennt. Kein Beamter muss Angst haben, dass das Gehalt nicht rechtzeitig kommt, kein Rentner muss sich Sorgen um die Rente machen.
Alles, was gesetzlich geregelt ist, wird im Rahmen der so genannten vorläufigen Haushaltsführung bezahlt. Nur Neues wird schwierig - das kann insbesondere Hilfen für Unternehmen betreffen, also Maßnahmen, die im Rahmen der sogenannten Wachstumsinitiative geplant waren.
Was bedeutet das Ampel-Aus für das Deutschlandticket?
Darauf gibt es zwei Antworten: Kurzfristig hat der Bruch der Ampelkoalition für das Deutschlandticket keine Folgen, das betont auch die Verkehrsministerkonferenz. Die hatte nämlich ohnehin schon beschlossen, dass das Ticket ab Januar teurer wird und dann nicht mehr 49 Euro pro Monat kostet, sondern 58 Euro.
Langfristig aber könnte der Preis doch noch mal steigen, wenn das Geld insgesamt nicht ausreicht. Genau davor warnen gerade sowohl die Verkehrsministerinnen und -minister der Länder als auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Der Deal war nämlich, dass die Länder das übrig gebliebene Geld für das Ticket aus dem vergangenen Jahr bekommen, um das Ticket 2024 und 2025 stabil zu finanzieren.
Dafür ist noch ein Beschluss des Bundestags nötig, beim sogenannten Regionalisierungsgesetz. Dieser steht jetzt auf der Kippe. Also auch in Sachen Deutschlandticket besteht noch Handlungsbedarf.
Geht die Sanierung der Bahn weiter?
Mit Milliardeninvestitionen wollte die bisherige Bundesregierung das marode Schienennetz in Deutschland ertüchtigen und aus der Bahn einen verlässlichen Verkehrsträger machen.
Bis 2030 sollen besonders belastete Strecken grundlegend saniert werden - Mitte Juli hatte die Sanierung der ersten Strecke begonnen, die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Sie wird dafür bis Mitte Dezember komplett gesperrt. Für 2025 ist die Fernverkehrsstrecke zwischen Berlin und Hamburg vorgesehen.
Doch weil die Finanzierung der Baumaßnahmen bis zum Zerbrechen der Regierung nicht vollständig gesichert war, stehe das Projekt nun auf der Kippe, befürchtet etwa die Eisenbahner-Gewerkschaft EVG. Verkehrsminister Volker Wissing versicherte indes, der Projekt bis zu den Neuwahlen vorantreiben zu wollen.
Wie läuft es mit dem Digitalpakt Schule?
Das Ampel-Aus bedeutet das vorläufige Ende des Digitalpakts Schule, davon geht zumindest der Deutsche Lehrerverband aus. Warum? Weil es ein gemeinsames Projekt von Bund und Ländern ist, bei dem die Finanzfrage aber nicht geklärt ist. Deshalb gehen viele Betroffene davon aus, dass sich um den nächsten Digitalpakt Schule die nächste Regierung kümmern muss. Bis diese steht, kann es lange dauern.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, macht sich daher Sorgen, dass die Bildung in der Zwischenzeit unter die Räder gerät. Er erwartet daher von allen Parteien im bevorstehenden Wahlkampf ein klares Bekenntnis zum Digitalpakt Schule mit ausreichend Geld.
Denn damit steht und fällt der Digitalpakt: Bund und Länder geben Geld für digitale Geräte wie Laptops oder iPads aus. Aus den Bundesländern heißt es jetzt, die Hoffnung sterbe zwar zuletzt, doch die Chancen seien nicht groß, dass der neue Bildungsminister Cem Özdemir beim Thema Digitalpakt noch etwas bewegen könnte. Auch, wenn der Grünen-Politiker das Thema wohl mit Interesse verfolgen dürfte: Özdemir will 2026 Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden - und Bildung ist vorwiegend Ländersache.
Mit Informationen von Uli Hauck, Hans-Joachim Vieweger, Jim-Bob Nickschas und Sarah Beham