Elon Musk
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Gastbeitrag in Welt am Sonntag Das Musk-Konzept - Verunsichern zum eigenen Vorteil

Stand: 30.12.2024 17:16 Uhr

Mit einem Gastbeitrag in der Zeitung Welt am Sonntag mischt sich der Tech-Milliardär Elon Musk in die deutsche Politik ein. Warum macht der US-Unternehmer das?

Eine Analyse von Jan-Peter Bartels und Dominic Hebestreit, ARD-Hauptstadtstudio

Ein paar Jahre ist es her, da wurde für Elon Musk mitten aus Berlin eine Rakete Richtung Mars gestartet. Alles nur simuliert natürlich. Der Axel-Springer-Verlag hatte mit viel Aufwand einen Konferenzraum in ein Raumschiff verwandelt. Der Verlag ehrte damit Musk für sein Lebenswerk und dafür, dass er die Welt besser mache.

Musk sei ein Meister der Disruption, das wird an jenem Abend im Axel-Springer-Haus immer wieder betont. Also ein Meister darin, einen Markt durcheinander zu bringen und aufzubrechen - wie geschehen bei Tesla oder SpaceX.

Technik-Freak und Business-Genie - das ist Elon Musk. Inzwischen muss man ihn wohl auch einen Polit-Influencer nennen. Und zwar einen der einflussreichsten des Planeten. Dabei geht er mit der gleichen Strategie, dem gleichen Gespür für Markt und Moment zur Sache. Seine Nachrichten in Sachen AfD sind wohl platziert am Jahresende. Über die Feiertage bringen sie so den zu dem Zeitpunkt eher ruhigen deutschen Nachrichtenmarkt maximal durcheinander.

Musk beeinflusst die Debattenkultur

Ein Mann und seine Botschaften. Seit Musk im Jahr 2022 Twitter gekauft und in X umbenannt hat, mischt er sich zusehends ein in die Politik. Seine Stoßrichtung: weit rechts. Er unterstützte Donald Trump im Wahlkampf - nicht nur mit viel Geld, sondern auch, indem er für maximale mediale Aufmerksamkeit sorgte. So verloste er Schecks über eine Million US-Dollar an Wählerinnen und Wähler in besonders umkämpften Swing States und machte auf der Plattform X Stimmung und säte Zweifel am Wahlprozess. Seine Wortwahl überschreitet oft die Grenzen des Anstands und des guten Tons. So beeinflusst er auch die Debattenkultur.

"Er hat in die Wahl Trumps 200 Millionen US-Dollar investiert und 20 Milliarden gewonnen. Diese Rendite lässt sich sehen", sagt die SPD-Chefin Saskia Esken. Sie zieht eine direkte Linie zu Musks Äußerungen über die deutsche Politik: "Demokratien sind ihm im Weg, Arbeitnehmerrechte und solche Fragen sind ihm im Weg für seine Geschäfte und da versucht er, Einfluss zu nehmen."

Zustimmung aus dem rechten Lager

Verunsichern, rechts unterstützen - diesen Zweiklang fährt Musk auch in Deutschland. Nach dem Anschlag in Magdeburg bezeichnet er Bundeskanzler Olaf Scholz auf X als "incompetent fool" (übersetzt bedeutet das in etwa: unfähiger Idiot).

Kurz vor Weihnachten löst er mit seinem Post: "Nur die AfD kann Deutschland retten" heftige Reaktionen aus. Zustimmung kam aus dem rechten Lager, heftige Ablehnung von AfD-Kritikern.

Nun attestiert der Milliardär in seinem Gastbeitrag in der Welt am Sonntag der AfD politischen Realismus, eine vernünftige Energie- und Wirtschaftspolitik und den Willen zur Innovation. Dass die Partei rechtsextrem ist, bestreitet er. Für ihn und seine libertäre Ideologie zählt augenscheinlich vor allem das eigene Wirtschaftsinteresse.

Grimm: "Die AfD ist keine klar wirtschaftsliberale Partei"

Dabei adressiere Musk einen Punkt, der viele umtreibe - die wirtschaftliche Lage Deutschlands. "Die Diagnose stimmt: Wir sind aktuell abgeschlagen, wir sind nicht wettbewerbsfähig, es gibt kein Wachstum", analysiert Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm, eine der fünf "Wirtschaftsweisen", die die Bundesregierung beraten. Aber das Rezept, das Musk vorschlage, sei kein gutes.

"Die AfD ist ja keine klar wirtschaftsliberale Partei", sagt Grimm. "Vor allen Dingen die europakritischen Positionen könnten uns geopolitisch sehr schnell ins Abseits bringen, wenn die Partei die Möglichkeit hätte, dafür zu sorgen, dass Deutschland aus der Europäischen Union austritt oder sich in der Europäischen Union zurückzieht. Und die Vorschläge bezüglich der Begrenzung von Zuwanderung sind teilweise überhaupt nicht realisierbar."

Merz: "Übergriffig und anmaßend"

In den USA sind Wahlwerbe-Beiträge in Medien für eine Partei durchaus üblich. Auch Zeitungen positionieren sich vor Wahlen in Meinungsbeiträgen. In Deutschland gibt es diese Kultur der Wahlempfehlungen nicht. Entsprechend sauer stößt es vielen auf.

"Der Wahlaufruf von Elon Musk ist übergriffig und anmaßend", sagt CDU-Chef Friedrich Merz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Geschichte der westlichen Demokratien einen vergleichbaren Fall der Einmischung in den Wahlkampf eines befreundeten Landes gegeben hat."

In vielen Ländern nicht nur wirtschaftlich aktiv

Deutschland ist allerdings kein Einzelfall, Musk ist inzwischen in vielen Ländern nicht nur wirtschaftlich aktiv: In Großbritannien unterstützt er den Rechtspopulisten Nigel Farage von der Partei Reform UK - nach einem gemeinsamen Treffen Mitte Dezember auf Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida folgt demnächst womöglich eine millionenschwere Großspende.

Premierminister Keir Starmer beschimpft Musk dagegen auf seiner Plattform X als "unfähig" und warnt vor Reisen ins Vereinigte Königreich.

Internationale Beziehungen zu Gleichgesinnten

Der Tech-Milliardär sucht die Nähe zu politischen Türöffnern - und umgekehrt. So wünschte sich Italiens ultrakonservative Regierungschefin Giorgia Meloni für die Verleihung des Global Citizen Awards Musk als Laudator für den Preis für ihren Beitrag zu den transatlantischen Beziehungen, um so womöglich auch besseren Kontakt zum künftige US-Präsidenten Trump zu bekommen.

Und auch außerhalb Europas pflegt der 53-Jährige Beziehungen zu Gleichgesinnten. In Argentiniens Radikal-Reformer Javier Milei sieht er ein Vorbild für Bürokratieabbau. Milei schloss unter anderem neun Ministerien und entließ Tausende Beamte. Möglicherweise eine Blaupause für Musk, der im Auftrag des künftigen US-Präsidenten die US-Regierung verschlanken soll.

Fruchtbarer Boden für Musks Agenda

Von außen betrachtet könnte Deutschland ein gewinnträchtiges Terrain sein. Die Ampelregierung ist zerbrochen, die AfD im Aufwind, die Wirtschaft geschwächt.

Es ist ein fruchtbarer Boden für die Agenda des Tesla-Chefs - ein guter Moment für radikale Disruption und das weitere Schwächen der Kontrollmechanismen eines liberaldemokratischen Systems. Was von seiner Argumentation stimmt, spielt dabei keine Rolle - solange nur die Zweifel bleiben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 30. Dezember 2024 um 08:08 Uhr.