Nick Candy (l.), Elon Musk (m.) und Nigel Farage (r.)

Parteispenden des X-Chefs Wie Musk in Großbritannien die Politik beeinflusst

Stand: 23.12.2024 05:27 Uhr

X-Chef Musk hat zuletzt mit einer Rücktrittsforderung an Kanzler Scholz für Schlagzeilen gesorgt. In Großbritannien geht sein Einfluss noch weiter. Dort hat er in Nigel Farage einen lauten Mitstreiter gefunden.

Die erleichterte Aufbruchstimmung, die so viele Briten nach dem fulminanten Wahlsieg Keir Starmers im letzten Sommer ergriffen hatte, hielt keine sechs Wochen. Nach einem grässlichen Attentat auf eine Tanzschule in Southport, bei dem drei Mädchen erstochen wurden, brachen Anfang August überall in England Unruhen aus, gesteuert und verstärkt von rechtsextremen Influencern in den sozialen Medien, die umgehend Gerüchte in die Welt setzten, es habe sich um einen muslimischen Attentäter gehandelt. Nichts davon stimmte. Der Täter war ein 17-jähriger in Großbritannien geborener Christ, dessen Eltern aus Ruanda stammten.  

Aber die rechten Verschwörungstheorien, vor allem auf X, rissen nicht ab - ähnlich wie jetzt in Deutschland. Elon Musk, der nur wenige Monate zuvor das Profil des berüchtigten Rechtsextremen Tommy Robinson entsperrt hatte, heizte die Stimmung auch persönlich weiter an, indem er Starmer als unfähigen Premier angriff und beleidigte.

Strategie auch in Deutschland bemerkbar

Das Muster war in diesem Sommer in Großbritannien ähnlich wie nun in Deutschland nach dem Anschlag in Magdeburg. Musks Kenntnis der jeweiligen politischen Realitäten dürfte in beiden Fällen gering sein, das aber ist insofern nebensächlich, als es zum Plan gehört. Sein eigentliches Ziel, die Zerstörung liberaldemokratischer Systeme und ihrer für Musk lästigen Kontrollmechanismen, ist sogar leichter zu erreichen, wenn die faktische Realität, das Fundament einer jeden Demokratie, so umfassend wie möglich verschwimmt.    

Und während sich in Deutschland Politiker wie Alice Weidel oder Christian Lindner auf X bei Elon Musk noch höflich vorstellten oder mit ihm diskutieren wollten, ist der reichste Mann der Welt mit seinem Projekt in Großbritannien längst einen Schritt weiter.  

Farage als Einfallstor für Musks Einfluss

Dort ist Nigel Farage, der Chef der am äußersten rechten Rand angesiedelten Reformpartei, das Einfallstor für Elon Musk. Der Mann, der nicht nur den Brexit wesentlich mit herbeigeführt hat, sondern der sich seitdem nach Kräften bemüht, die Insel weiter in den rechtsautoritären Raum zu verschieben.

Seit Jahren lässt Farage keine Gelegenheit aus, sich in Mar-a-Lago als Trumps bester Freund zu inszenieren, jetzt überraschte er die Starmer-Regierung mit der Ankündigung, seine Reform-Partei könne von Musk im nächsten Wahlkampf mit Spenden von bis zu 100 Millionen Dollar unterstützt werden. Das passende Foto von einem breit grinsenden Farage an der Seite Elon Musks machte in den letzten Woche die Runde durch so gut wie alle britischen Zeitungen.

Unklare Wahlgesetze als Nährboden

Nun sind die nächsten Wahlen in Großbritannien noch mehr als vier Jahre entfernt. Dennoch warnen Politiker aller demokratischen britischen Parteien Starmer eindringlich davor, solche Ankündigungen als leere Drohungen zu unterschätzen. Denn Großbritanniens Wahlgesetze sind, wie so vieles auf der Insel, eher lax und unklar definiert.

Parteispenden jenseits von 500 Pfund müssen zwar von Spendern oder Firmen kommen, die in Großbritannien registriert sind. Das aber wäre für Musk beipielsweise über seine britische X-Tochterfirma leicht zu umgehen. Eine Obergrenze für Wahlkampfspenden gibt es weiterhin nicht.  

Starmer gibt sich gelassen

Starmers erste Reaktion war die Ankündigung, man werde sich das Ganze in aller Ruhe ansehen und im nächsten Jahr möglicherweise die Wahlgesetzgebung ändern. Offenbar wollte man in der Downing Street nicht den Eindruck erwecken, Farages Ankündigung habe die Regierung übermäßig in Unruhe versetzt.

Die falsche Strategie, sagen dazu auch viele Labour-Abgeordnete, die eine konkretere Verschärfung der Parteispendenregeln fordern. Eine Idee: Eine spendenwillige Firma müsse ab sofort zusätzlich nachweisen, dass die jeweilige Spendensumme auch in Großbritannien selbst erwirtschaftet wurde. Ein Ansatz, der die Einmischung fremder Kräfte in die britische Politik zumindest erschweren dürfte.  

Strengere Regulierung von sozialen Medien?

Zunehmend dringlich diskutieren viele Briten deshalb jetzt auch die Frage der Regulierung von sozialen Medien generell, allen voran X.  Musks Algorithmen haben schließlich im Sommer hinlänglich bewiesen, dass sie auch ganz konkret in der Realität für Unruhe und einen zunehmenden Vertrauensverlust in etablierte Parteien sorgen können.

Braucht es dafür wirklich mehr als einen klaren politischen Willen? Albanien zum Beispiel hat jetzt erklärt, TikTok werde für ein Jahr gesperrt, da es sich mangels klarer Richtlinien schädlich auf die Psyche von Kindern auswirke. Wie und ob das funktioniert, steht auf einem anderen Blatt, aber es ist zumindest ein Anfang.  

Strategie in den USA gescheitert

Die britische Regierung hingegen scheint weiter darauf vertrauen zu wollen, dass eine Verbesserung der individuellen Lebensbedingungen im Land der radikalen Disruption den Boden entziehen werde. Man werde liefern, und das sei überzeugender als jede Art des Verbots von Parteispenden, erklärte ein Mitarbeiter Starmers dem Guardian.

Wie erfolgreich dieser Glauben an den "Deliverism" aber noch sein kann, das haben gerade Joe Biden und die amerikanischen Demokraten erleben dürfen. Seine realen wirtschaftspolitischen Erfolge gingen unter im Lärm der durch Trump und seinen digitalen Mitstreitern verursachten allgemeinen Verunsicherung. Der Biden-Ansatz greift nicht mehr, er wirkt naiv. Demokratische Regierungen müssen stattdessen jetzt sehr schnell lernen, wie sie sich dort verteidigen können, wo im 21. Jahrhundert die weit gefährlicheren Angriffe auf sie stattfinden: im digitalen Raum.