Landtagswahlen 2024 Um den Krieg kommen sie nicht herum
In Brandenburg, Sachsen und Thüringen überbieten sich die Wahlkämpfer mit Rufen nach mehr Diplomatie. Das führt zu Spannungen - und manch einer will den Ukraine-Krieg nun doch lieber ganz aus dem Wahlkampf halten.
Es sind nur wenige Sätze. Aber für Dietmar Woidke scheinen sie wichtig. "Es muss möglich sein, darüber zu reden, wie dieser Krieg endet", sagt der SPD-Politiker. Und zwar möglichst bald.
Woidkes Partei hat zu einem Volksfest in einem Agrarbetrieb in Oehna im Südwesten Brandenburgs geladen. Einige Hundert Menschen sind an diesem Freitagabend vergangene Woche gekommen, um den Ministerpräsidenten und Spitzenkandidaten zu hören.
Woidke hat über die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs gesprochen. Über eine neue Unimedizin in Cottbus. Über die Gefahr, die von der AfD ausgehe. Auch die Sätze zur Ukraine gehören zu seinem Standardrepertoire. "Wir brauchen eine diplomatische Lösung", sagt er noch, dann verabschiedet er sich in Einzelgespräche mit dem Wahlvolk.
Verhandlungsrufe allerorten
Wer in diesen Tagen durch Brandenburg, Sachsen und Thüringen fährt, dem begegnet das Thema Krieg und Frieden allerorten. "Stoppt das Töten!" plakatiert die Linkspartei in Brandenburg mit einer Friedenstaube, "Frieden ist alles" die AfD in Thüringen mit einer deutschen und einer russischen Fahne. Und die Wagenknecht-Partei BSW will in Sachsen dem "Frieden wieder eine Heimat geben".
Das Thema könne man nicht ignorieren, heißt es etwa aus der Brandenburger SPD. Obwohl in Umfragen regelmäßig Migration und Bildungspolitik als wichtigste Probleme genannt werden, schlägt den Wahlkämpfern in Gesprächen immer wieder Kritik und Sorgen über den Krieg entgegen. Auf mehr Diplomatie zu drängen, gehört deshalb quasi zum guten Ton.
Gegner und Befürworter der Waffenlieferungen an die Ukraine gibt es zwar überall in Deutschland, doch in Ostdeutschland sind Erstere klar in der Mehrheit. Auch der Ruf nach schnellen Verhandlungen ist hier lauter. Manche verklären Putin und Russland, andere haben Angst vor einer Ausweitung des Krieges und halten Putin für unberechenbar.
Woidke ist nicht der einzige Ministerpräsident, der das Thema nicht der Opposition überlassen will. Bodo Ramelow, linker Regierungschef von Thüringen, forderte zuletzt, "weniger über Waffenlieferungen und mehr über Wege zum Frieden" zu reden. Mit einem Russland, in dem Putin nicht mehr regiert, sollten die europäischen Staaten zudem einen "Nichtangriffspakt" schließen, so Ramelow.
Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, der die vergangenen zwei Jahre immer wieder die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert hatte, sprach sich wiederum für ein Ende aller Lieferungen aus. Kretschmer beansprucht mittlerweile offensiv für sich, als erster deutscher Politiker Kritik an der deutschen Ukraine-Politik geäußert zu haben - eine Rolle, um die er sich mit Sahra Wagenknecht und AfD-Politikern streitet.
Voigt: "Menschen nicht weiter für dumm verkaufen"
Doch manchem schwant längst, dass auf dem Feld nicht viel zu holen ist. Der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt will das Thema Ukraine aus dem Wahlkampf heraushalten. In einem längeren Post auf X schrieb Voigt am Sonntag zwar, die Bemühungen für Diplomatie sollten "deutlich hörbarer" sein. Darüber werde jedoch nicht bei der Landtagswahl entschieden.
Voigt fordert deshalb alle Parteien auf, "die Menschen nicht weiter für dumm verkaufen zu wollen". Für "die Weltpolitik" sei der Thüringer Landtag nicht zuständig.
Voigt adressiert das vor allem an AfD und BSW in Thüringen. Gerade erst hatte Sahra Wagenknecht eine neue Bedingung für mögliche Koalitionen mit ihrer Partei aufgestellt: Eine etwaige Landesregierung sollte sich gegen die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland einsetzen. Anders als frühere Äußerungen soll Wagenknecht diese mit ihrem Spitzenpersonal vor Ort abgesprochen haben.
Ablehnung kam prompt vom Thüringer SPD-Spitzenkandidaten Georg Maier. Über die Stationierung solcher Waffen werde auf Landesebene gar nicht entschieden, so Maier.
CDU und BSW streiten um Raketen-Stationierung
Auch mit der CDU gibt es Dissens. Hatte CDU-Chef Friedrich Merz seinen Wahlkämpfern im Osten Ende Juni noch mehr Beinfreiheit in der Ukraine-Frage verschafft, tut sich in der Raketen-Diskussion eine Grenze zum BSW auf.
Das zeigte sich am vergangenen Donnerstag in Dresden bei der ersten Debatte aller sächsischen Spitzenkandidaten in diesem Wahlkampf. Ausgerechnet Michael Kretschmer wurde hier vom BSW angegriffen.
Kretschmer ist persönlich für die Stationierung der US-Raketen. Er argumentiert: Russland soll abgeschreckt werden. Kretschmer schlägt allerdings vor, eine Volksbefragung durchführen zu lassen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wird.
In Dresden nannte BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann Kretschmers Haltung dennoch eine weitere "Eskalationsstufe". Ein Frieden sei "nur mit Russland" möglich.
Bislang gilt ein mögliches Bündnis von CDU und BSW als wahrscheinlichste Koalition nach der Landtagswahl. Zimmermann hatte noch vor wenigen Wochen gesagt, Kretschmer stehe mit seiner kritischen Haltung bei Waffenlieferungen und für Friedensverhandlungen ziemlich allein in der CDU da. Gemeinsam könnten CDU und BSW Bundesratsinitiativen starten, um "sächsische Interessen" in Berlin zu vertreten.