Ukrainischer Vorstoß in Kursk Welche Rolle dürfen deutsche Waffen spielen?
Die ukrainische Armee ist in die russische Region Kursk vorgerückt. Dabei sollen offenbar auch deutsche Waffen zum Einsatz kommen. Das wirft politische Fragen auf.
Der Vorstoß ukrainischer Soldaten in der russischen Region Kursk hat erneut eine Diskussion darüber entfacht, was die Ukraine bei der Verteidigung gegen den Angriff Russlands völkerrechtlich darf und welche Rolle deutsche Waffen dabei spielen.
Die Ukraine ist nach russischen Angaben seit Dienstag auf russisches Gebiet vorgestoßen. Medienberichten zufolge sollen dabei auch von Deutschland gelieferte Waffen verwendet worden sein. So berichtete etwa die Bild-Zeitung von mehreren Schützenpanzern des Typs "Marder".
"Fest an der Seite der Ukraine"
Der Bundesregierung liegen laut einer Sprecherin keine Informationen vor, welche Waffen die Ukraine im Moment konkret auf russischem Gebiet einsetzt.
Eine Sprecherin von Bundeskanzler Olaf Scholz stellt auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios aber klar: "Deutschland steht fest an der Seite der Ukraine und ist der größte Unterstützer der Ukraine in Europa, finanziell, wirtschaftlich und auch militärisch. Wir werden die Unterstützung so lange fortsetzen, wie dies notwendig ist."
Bundesregierung erlaubte Einsatz bei Charkiw
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner äußerte sich zurückhaltend zum möglichen Einsatz deutscher Waffen. "Was die Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg betrifft, galt im Grenzbereich eine Ausnahmesituation, als die Stadt Charkiw in größter Bedrängnis gegen Angriffe jenseits der nahen Grenze verteidigt werden musste", sagte Stegner dem Handelsblatt. "Das implizierte keinen generellen Strategiewechsel, was den Umgang mit aus Deutschland gelieferten Waffen betrifft."
Die Bundesregierung hatte der Ukraine nach langer Debatte Ende Mai erlaubt, von ihr gelieferte Waffen gegen Ziele in Russland einzusetzen. Dies bezog sich allerdings nur auf das russische Grenzgebiet zur Region Charkiw.
Deutschland hat der Ukraine seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg im Februar 2022 insgesamt 18 Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2" geliefert. Hinzu kommen neben Luftverteidigungssystemen, Drohnen und vielen weiteren Rüstungsgütern auch 120 Schützenpanzer vom Typ "Marder" und - zusammen mit Dänemark - 58 "Leopard 1".
Kiesewetter: Angriffe durch Völkerrecht gedeckt
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber, sieht in dem Vorgang grundsätzlich kein Problem: "Mit der Übergabe an die Ukraine sind es ukrainische Waffen", sagte der FDP-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das gelte "für jegliches Material", auch den Kampfpanzer "Leopard 2".
"Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist das Territorium beider Staaten Kriegsgebiet", erläuterte er seine Position. "Der Einsatz der Waffen unterliegt den Bestimmungen des Völkerrechts."
Auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter stuft die ukrainischen Gegenangriffe als "völkerrechtlich legitim" ein. Möglicherweise versuchten die Ukrainer, russische Pläne zu durchkreuzen, sagte Kiesewetter dem rbb. Das Vorgehen sei durch Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen gedeckt. Demnach dürfe sich der Angegriffene wehren, auch auf dem Territorium des Aggressors.
Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht forderte hingegen ein Eingreifen von Bundeskanzler Scholz. "Der Bundeskanzler muss mit dem ukrainischen Präsidenten telefonieren und verlangen, dass keine deutschen Waffen bei den Vorstößen auf russisches Territorium zum Einsatz kommen", sagte sie den Funke-Zeitungen.
Moskau zufolge sind "bis zu tausend" ukrainische Soldaten sowie dutzende Panzer und gepanzerte Fahrzeuge an dem Angriff in der Grenzregion Kursk beteiligt. Das in den USA ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) schrieb in einer Erklärung von einem Vorstoß von "nachweislich bis zu zehn Kilometern" auf russisches Gebiet.
Kretschmer für Kürzung der Waffenhilfe
Mit Blick auf den Bundeshaushalt fordert Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Kürzung der Waffenhilfe an die Ukraine. "Wir können nicht länger Mittel für Waffen an die Ukraine in die Hand nehmen, damit diese Waffen aufgebraucht werden und nichts bringen. Es muss alles im Verhältnis stehen", sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Unterstützung ja, aber wir merken doch, dass wir an unsere Grenzen stoßen."
Kretschmer reagierte damit auf die Frage, ob er für ein Ende der deutschen Waffenhilfe an die Ukraine sei, um Geld zu sparen. "Ich habe mich von Anfang an deutlich gegen Waffenlieferungen ausgesprochen und für diplomatische Initiativen geworben", sagte er.
"Seit zwei Jahren habe ich da eine sehr klare Meinung und ich muss leider sagen, diese hat sich in vielen Punkten bestätigt." Kretschmer bekräftigte, dass der Krieg in der Ukraine aus seiner Sicht nicht auf dem Schlachtfeld beendet werde, sondern am Verhandlungstisch.
Mit Informationen von Oliver Neuroth, ARD-Hauptstadtstudio