Nach richterlichem Stopp Wie es im Heizungsstreit nun weitergeht
Das Heizungsgesetz soll erst nach der Sommerpause beschlossen werden. Die Ampel verzichtet auf eine Sondersitzung des Bundestags. Was bleibt: eine angeschlagene Koalition und eine Union, die frohlockt. Wie es nun weitergeht.
Die Ausgangslage
Nach wochenlangem Gezerre wollte die Ampelkoalition das Heizungsgesetz am Freitag, dem allerletzten regulären Sitzungstag vor der Sommerpause, im Bundestag mit ihrer Mehrheit beschließen. Den Abgeordneten lag seit Ende vergangener Woche die finale Fassung des komplexen Gesetzentwurfs vor. Das sei viel zu wenig Zeit, empörten sich Parlamentarier, vor allem aus der Opposition.
Kurz zuvor bereits hatte ein Abgeordneter das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. Thomas Heilmann von der CDU, Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, wollte per einstweiliger Anordnung die Abstimmung des Heizungsgesetzes noch vor der Sommerpause stoppen. Mit Erfolg. Am späten Mittwochabend entschieden die Richter in Karlsruhe: Der Bundestag darf nicht mehr in dieser Woche über das Gesetz beraten und abstimmen. Inzwischen ist auch klar: Das Gesetz wird erst nach der Sommerpause verabschiedet. Also im September.
Wie begründet das Gericht seine Entscheidung?
CDU-Politiker Heilmann sah seine Rechte als Abgeordneter durch das Gesetzgebungsverfahren erheblich verletzt, konkret durch die maximal verkürzte Beratungszeit.
Dazu erklärte das Verfassungsgericht nun, Heilmanns Hauptsacheantrag im Organstreitverfahren erscheine mit Blick auf sein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Artikel 38 des Grundgesetzes weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. "Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht zu beraten."
Die Folgenabwägung führe zum Ergebnis, "dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen". Das Interesse am Vermeiden einer nicht rückgängig zu machenden Verletzung der Beteiligungsrechte wiege schwerer als der Eingriff in die Verfahrensautonomie des Bundestags, der die Gesetzgebung lediglich verzögere.
Die Entscheidung fiel im Zweiten Senat mit fünf gegen zwei Stimmen.
Ist das Gesetz damit vom Tisch?
Nein. Das Gericht hat nicht über die Inhalte des Gebäudeenergiegesetzes entschieden, sondern lediglich über das parlamentarische Beratungsverfahren. Auch CDU-Politiker Heilmann hatte betont, sein Gang nach Karlsruhe richte sich "ausdrücklich nicht gegen das inhaltliche Ziel des Gesetzes, sondern gegen das sehr mangelhafte parlamentarische Verfahren". Aus der CDU werden nun zwar Stimmen laut, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten - dass es dazu kommt, erscheint aber unwahrscheinlich. Schließlich hat sich die Ampel äußerst mühsam zu der jetzigen Fassung gequält.
Wie geht es nun weiter?
Zunächst war über eine Sondersitzung des Bundestags in der Sommerpause nachgedacht worden. Inzwischen aber haben sich die Ampelfraktionen dagegen entschieden. Damit ist klar: Die Abgeordneten können in die Ferien fahren, das Heizungsgesetz wird erst im September im Bundestag abschließend beraten - und zwar in der nächsten regulären Sitzungswoche Anfang September.
Was heißt das für die Ampelkoalition?
Für die Ampel ist die Entscheidung aus Karlsruhe eine politische Niederlage und eine weitere Umdrehung im endlosen Drama um das Heizungsgesetz. Das Vorhaben stand von Anfang an unter keinem guten Stern, schon der erste Entwurf aus dem Haus von Klimaschutzminister Robert Habeck und Bauministerin Klara Geywitz sorgte für breite Diskussionen bis hin zu lautstarker Empörung. Habecks "Heiz-Hammer" machte medial die Runde. Es folgte wochenlanger Streit innerhalb der Koalition - teils ausgetragen auf offener Bühne.
Vor allem die FDP brachte Bedenken an. Zwar beschloss das Kabinett den Entwurf, aber noch vor der ersten Lesung im Bundestag vereinbarte die Ampel weitere Änderungen, die sie in teils vage formulierten "Leitplanken" festhielt, bis Ende Juni dann eine finale Fassung vorlag. Doch auch die Einigung konnte kaum darüber hinwegtäuschen, dass die Dreier-Koalition in einem desolaten Zustand ist.
Vor allem FDP und Grüne liegen über Kreuz, übrigens nicht nur beim Heizungsgesetz - und lassen die Öffentlichkeit auch intensiv daran teilhaben. Siehe Kindergrundsicherung oder Elterngeld. Die Kanzlerpartei wirkt zuweilen seltsam teilnahmslos, auch Olaf Scholz wird inzwischen vorgeworfen, die Streitereien zu lange laufen zu lassen. Ganz so, als ob ihn das alles nichts anginge.
Kurz: Die selbsternannte "Fortschrittskoalition" schleppte sich zuletzt offenbar in Richtung Sommerpause. Wohl auch in der Hoffnung, danach ausgeruht und erholt wieder zu einem guten Miteinander zu finden. Zumal das Ansehen der Regierung extrem gelitten hat, die Umfragen verzeichnen Rekord-Tiefststände, der Vertrauensverlust in die Politik ist massiv. Das Gezerre ums Heizungsgesetz hat zu dieser Entwicklung erheblich beigetragen. Nun dürften erneute Vorwürfe und Schuldzuweisungen folgen. FDP-Vize Wolfgang Kubicki legte schon mal vor: Die Entscheidung aus Karlsruhe sei "die verdiente Quittung für die Grünen, die in dieses Verfahren einen unerklärlichen Druck hinein gegeben haben", sagte er.
Wie reagiert die Opposition?
Die Union fühlt sich nach der Entscheidung aus Karlsruhe bestätigt. Ist sie doch ein politischer Erfolg, schon allein, weil sie die Ampel-Regierung schlecht aussehen lässt. Dem Gang nach Karlsruhe hatte man sich als Unionsfraktion allerdings nicht angeschlossen. Das war allein die Sache des Abgeordneten Heilmann.
Von einer "schweren Niederlage für die Bundesregierung von Kanzler Scholz" sprach CDU-Chef Friedrich Merz, von einer "schallenden Ohrfeige" der CSU-Generalsekretär Martin Huber sowie Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Die Ampel solle das "Murks-Gesetz endlich einstampfen", riet CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Was steht eigentlich im Heizungsgesetz?
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben werden muss. Damit soll die Wärmewende vorangebracht werden - als Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele. Von den rund 41 Millionen Haushalten heizt zurzeit nahezu jeder Zweite mit Erdgas, ein weiteres Viertel mit Heizöl. Es sollen aber keine funktionierenden Öl- und Gasheizungen ausgetauscht werden müssen. Außerdem sollen defekte Heizungen repariert werden dürfen.
Wenn das Gesetz nach der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet ist, soll es zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Es ist also genug Zeit, wenn es im September auf den Weg gebracht wird.