Karlsruhe bremst Heizungsgesetz Was die Entscheidung des Gerichts bedeutet
Das Bundesverfassungsgericht hat die Abstimmung im Bundestag zum Heizungsgesetz vorläufig gestoppt. Was die Entscheidung bedeutet - und was nicht.
Das war ein echter juristischer Paukenschlag am Mittwochabend gegen 21.30 Uhr. Auf Antrag des Abgeordneten Thomas Heilmann (CDU) ordnet das Bundesverfassungsgericht an: In dieser Woche darf die zweite und dritte Lesung des Heizungsgesetzes nicht stattfinden. Das Gesetz kann also nicht wie geplant am Freitag verabschiedet werden.
Es geht ums Verfahren, nicht um die Inhalte
Vorweg: Das Gericht hat sich in diesem Eilbeschluss nicht dazu geäußert, ob die Inhalte des Gesetzes rund um das Thema Heizungen in Ordnung sind. Um die inhaltlichen Fragen geht es in diesem Verfahren nicht, sondern allein um den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens.
Aber auch da hat es der Beschluss in sich. Zentraler Kritikpunkt des Abgeordneten Heilmann war: Hier würden seine Rechte als Bundestagsabgeordneter, die im Grundgesetz verankert sind, verletzt. Er und auch die anderen Abgeordneten hätten sich nicht eingehend mit dem Gesetzesvorhaben bzw. mit der konkret geplanten Umsetzung beschäftigen können.
Verletzung der Rechte von Abgeordneten möglich
Ob diese Abgeordnetenrechte tatsächlich verletzt sind, hat das Bundesverfassungsgericht in der Eilentscheidung noch nicht abschließend prüfen können. Die Richterinnen und Richter sagen aber: Eine Verletzung dieser Rechte ist hier zumindest möglich. Im Juristendeutsch heißt das, der Antrag ist "nicht offensichtlich unbegründet".
Der Ausgangspunkt der Entscheidung ist also: Das Gericht sagt, dass beide Varianten - Rechte verletzt oder nicht verletzt - hier möglich sind. Endgültig entschieden wird das erst im späteren Hauptsacheverfahren.
Worum es bei der Abwägung ging
Ob das Gericht auf dieser Basis dann ein vorübergehendes Stoppschild setzt, entscheidet sich im Eilverfahren immer nach einer Abwägung.
Auf der einen Seite der Waage: der Eingriff des Gerichts in das Gesetzgebungsverfahren des Parlaments, also in die Arbeit eines anderen Verfassungsorgans. So etwas soll die absolute Ausnahme sein, betont das Gericht. Wenn sich später im Hauptsacheverfahren herausstellt: Die Rechte des Abgeordneten wurden doch nicht verletzt, hätte sich Karlsruhe unnötig eingemischt.
Auf der anderen Seite der Waage: die Rechte des Abgeordneten. Wenn das Bundesverfassungsgericht das Gesetzgebungsverfahren nicht gestoppt hätte und es wie ursprünglich durchgezogen worden wäre, wären die Rechte des Abgeordneten unwiderruflich verloren. Wenn man später feststellt, dass sie verletzt waren.
Vorläufiger Stopp - späterer Gesetzesbeschluss möglich
Das Gericht hat sich in der Abwägung für den Stopp entschieden und hat das vor allem so begründet: Der Schaden für das Parlament sei überschaubar. Denn: Das GEG soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Es bliebe also noch genügend Zeit, es rechtzeitig durch den Bundestag zu bringen, etwa durch eine Sondersitzung in der Sommerpause.
Der Abgeordnete Thomas Heilmann hatte beantragt, dass die Abgeordneten mindestens 14 Tage Zeit bekommen, sich mit dem Gesetzentwurf zu befassen. Dem ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt. Eine Sondersitzung hätte also theoretisch schon für die nächste Woche angesetzt werden können. Inzwischen haben sich die Ampelfraktionen jedoch dagegen entschieden. Das Gesetz soll erst nach der Sommerpause im Bundestag abschließend beraten werden.
Eine außergewöhnliche Entscheidung
Außergewöhnlich ist dieser Beschluss in mehrfacher Hinsicht. Gerade in Eilverfahren betont das Bundesverfassungsgericht immer wieder, dass die Hürden für ein Eingreifen gegenüber dem Parlament enorm hoch seien. Eilanträge gegen Gesetze haben daher selten Erfolg. Hier macht das Gericht eine Ausnahme vor, bezogen auf das Gesetzgebungsverfahren. Außerdem ist der übliche Ablauf im Verhältnis von Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber, unabhängig vom Thema: Zunächst beschließt der Gesetzgeber ein Gesetz, danach prüft das Bundesverfassungsgericht, ob Verfahren und Inhalte mit der Verfassung im Einklang sind. Auch das ist hier anders.
Dass der vorläufige Stopp innerhalb des Gerichts durchaus kontrovers diskutiert wurde, sieht man daran, dass die Entscheidung im Zweiten Senat mit fünf zu zwei Stimmen ergangen ist.
Wie es weitergeht
Sowohl die politische als auch die juristische Auseinandersetzung wird weitergehen. Mit der Mehrheit der Ampelkoalition kann das Gesetz - mit einer Verlängerung des Verfahrens - weiterhin in Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.
In Karlsruhe steht dann irgendwann noch die abschließende Entscheidung an. Erst da wird dann endgültig entschieden, ob die Rechte der Bundestagsabgeordneten hier durch das hohe Tempo im Gesetzgebungsverfahren verletzt worden wären. Die Entscheidung könnte dann vor allem für künftige Gesetzgebungsverfahren Mindestanforderungen für die Beteiligung der Abgeordneten festlegen.
Wenn das Gebäudeenergiegesetz einmal beschlossen ist, sind weitere Klagen dagegen möglich. Dann würde sich das Bundesverfassungsgericht auch mit den inhaltlichen Fragen zum Gesetz beschäftigen.