Wirtschaftliche Entwicklung Was die Frühjahrsprojektion für den Haushalt bedeutet
Wirtschaftsminister Habeck stellt heute die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung vor. Prognosen zeigen, dass Deutschland Schlusslicht unter den großen Industriestaaten bleibt. Was bedeutet das für den Haushalt?
Die Zahlen verheißen nichts Gutes. Alle Konjunkturprognosen aus den vergangenen Wochen hatten eins gemeinsam: Die Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft bleiben erst mal schlecht. Und nach Einschätzung von Oliver Holtemöller, dem Vize-Chef des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, werden die neuesten Zahlen, die Wirtschaftsminister Robert Habeck heute vorstellen wird, nicht besser aussehen:
Die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung wird aller Voraussicht nach schwächer ausfallen als die Projektion vom Herbst. Das heißt, ein niedrigeres Wirtschaftswachstum wird erwartet werden. Diese jetzige Frühjahrsprojektion wird dann maßgeblich sein für die Steuerschätzung im Mai.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute hatten erst vor einem Monat ihre Zahlen nach unten korrigiert. Sie rechnen für dieses Jahr nur mit einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent und für 2025 mit einem Plus von 1,4 Prozent. Die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung dürfte davon kaum abweichen. Das bedeutet: Die deutsche Wirtschaft kommt nur langsam in Fahrt nach der Rezession des vergangenen Jahres, die unter anderem bedingt war durch hohe Energiepreise, die Inflation und hohe Zinsen sowie eine international geringere Wettbewerbsfähigkeit, die weiter anhält.
Grundlage für Steuerschätzung im Mai
So weit, so schlecht. Das besondere an der heutigen Frühjahrsprojektion ist, dass sie die Grundlage bilden wird für die Steuerschätzung im Mai. In diese Steuerschätzung wird wiederum entscheidend für die Haushaltsaustellung der Bundesregierung. Es geht um die Frage, wieviel Geld der Bund voraussichtlich im kommenden Jahr durch Steuereinahmen zur Verfügung haben wird.
Laut Wirtschaftsforscher Holtemöller gilt im Prinzip, dass die Steuereinnahmen niedriger ausfallen, "wenn die Konjunktur schlechter läuft. Das gilt auch für Sozialversicherungsbeiträge, die für den gesamtstaatlichen Haushalt ebenfalls relevant sind."
Mehr Schuldenaufnahme möglich
Allerdings spielen auch andere Faktoren hinein, die den Einbruch der Steuereinnahmen abdämpfen, so Holtemöller: "Der Arbeitsmarkt ist weiter sehr robust in Deutschland und auch die Lohnerhöhungen sind relevant. Wenn wir gute Tarifabschlüsse haben, profitiert auch der Staat über die Lohnsteuereinnahmen."
Zudem habe die nach wie vor erhöhte Inflation den Effekt, dass einige staatliche Einnahmen nominal höher ausfallen. Holtemöller rechnet daher nicht damit, dass die Frühjahrsprojektion weitreichende Folgen für die Steuerschätzung und den Bundeshaushalt haben wird.
Hinzu kommt ein weiterer Effekt: Auch unter Einhaltung der Schuldenbremse kann der Bund 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Krediten aufnehmen. Lauf ifo-Institut in München entspricht das derzeit etwa 14 bis 15 Milliarden Euro. Und die sogenannte Konjunkturkomponente der Schuldenbremse sieht vor, dass der Spielraum etwas größer wird, wenn die Wirtschaft schlecht läuft. Das könnte 2025 noch mal rund sechs Milliarden Euro zusätzlich an Krediten ermöglichen, so die ifo-Einschätzung. Also alles in allem rund 20 Milliarden Euro. Der Finanzplan des Bundes sieht derzeit noch eine Nettokreditaufnahme von 16 Milliarden Euro im nächsten Jahr vor.
Union: Kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem
Aus Sicht von Christian Haase, dem haushaltspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, hat der Bund kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Daran werde auch die Frühjahrsprojektion und die anschließende Steuerschätzung nichts ändern. Deshalb geht es aus Haases Sicht jetzt darum, sich die Ausgaben im Bundeshaushalt anzusehen und zu fragen: "Können und wollen wir uns das in Zukunft noch leisten?".
Auch die beiden Chefhaushälter von FDP und Grünen, Otto Fricke und Sven-Christian Kindler, rechnen nicht mit großen Verschiebungen durch die Frühjahrsprojektion und die Steuerschätzung. Aber die Aufstellung des Bundeshaushaltes werde schwierig. Denn derzeit klafft eine Lücke in Höhe von rund 25 Milliarden Euro zwischen Einnahmen und den zu erwarteten Ausgabenwünschen. Allerdings haben die Ministerien noch bis zum 2. Mai Zeit, konkrete Zahlen vorzulegen.
FDP-Haushälter Fricke rechnet damit, dass etwa Verteidigungsminister Boris Pistorius einen höheren Bedarf anmelden wird. "Auch der FDP-Verkehrsminister wird wohl sagen: 'Ich muss mehr investieren und brauche daher mehr Geld'. Und auch die Außenministerin von den Grünen wird aufgrund der vielen internationalen Krisen sagen: 'Ich brauche mehr Geld für die humanitäre Hilfe'", vermutet Fricke. Er betont aber, dass Mehrausgaben an der einen Stelle durch Kürzungen an einer anderen Stelle ausgeglichen werden müssen.
Grüne: Warnung vor "brutalem Sparkurs"
Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Kindler, warnt dagegen vor einem "brutalen Sparkurs in einer gesellschaftlich und wirtschaftlich schwierigen Lage". Es gehe darum, insbesondere die öffentlichen Investitionen zu stärken und die soziale Gerechtigkeit im Auge zu behalten. Trotz der großen Differenzen innerhalb der Ampelkoalition insbesondere in der Finanzpolitik zeigt sich Kindler zuversichtlich: "Die Regierung und die Ampel-Koalition werden einen guten und soliden Haushalt ausstellen. Man kann die Haushaltsprobleme lösen, wenn man will."
Laut Zeitplan soll das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf für 2025 am 3. Juli beschließen. Zuvor muss der Arbeitskreis Steuerschätzung am 16. Mai seine Einschätzung zu den Einnahmeerwartungen abgeben - orientiert an den Konjunkturaussichten aus der Frühjahrsprojektion. Das eine ist das technische Vorgehen, das andere die Frage, ob die Koalition Kraft findet, sich noch mal auf einen Etat zu verständigen.