Vor dem Flüchtlingsgipfel Über alles reden - außer über Geld
Bereits vor dem Flüchtlingsgipfel wird heiß über die künftige Asylpolitik diskutiert. Der Bund stellte noch einmal klar: Um mehr Geld für Länder und Kommunen werde es kommenden Mittwoch nicht gehen. Die Hoffnung liegt auf Lösungen auf EU-Ebene.
Vor dem Flüchtlingsgipfel mit den Ländern hat die Bundesregierung ihre Haltung beim Thema Finanzen betont. Es gehe um "Herausforderungen, die nicht zuvorderst mit Geld zu lösen sind", sagte Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin. Aus Sicht der Bundesregierung stehe "das Geld nicht im Mittelpunkt". Länder und Kommunen fordern seit Wochen immer wieder mehr finanzielle Unterstützung.
Und auch vor dem Treffen am kommenden Mittwoch im Kanzleramt pochen mehrere Ministerpräsidenten der Union auf höhere Hilfen durch den Bund. Die Hilferufe der Kommunen würden von der Bundesregierung abgetan, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst dem "Spiegel". "Für Unterbringung, Versorgung und vor allem Integration müssen deutlich mehr Mittel fließen – und zwar dauerhaft", erklärte der CDU-Politiker.
"Die Ampel hat Kommunen und Länder bei der Migration bereits viel zu lange im Stich gelassen", erklärte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im "Spiegel". Es fehle an ausreichender finanzieller Hilfe, an Unterkünften durch den Bund und an einer geordneten Steuerung der Zuwanderung, kritisierte der CSU-Politiker.
Finanzierung nach Bedarf gefordert
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein sprach sich im "Handelsblatt" dafür aus, die Finanzierung der Flüchtlingskosten durch den Bund künftig an der Zahl der Neuankömmlinge auszurichten. "Der Bund muss zu einer sogenannten Spitzabrechnung zurückkehren, das heißt: Statt mit einer Pauschalsumme für die Länder wird wieder pro Kopf abgerechnet", forderte der CDU-Politiker. Je mehr Flüchtlinge kämen, desto mehr Geld gebe es.
Eine monatliche Pauschale in Höhe von 670 Euro pro Kopf hatte es bis Ende 2021 für die Dauer des Asylverfahrens gegeben. Der Bund verweist allerdings auf andere Maßnahmen, die eine finanzielle Entlastung von Ländern und Kommunen nach sich ziehen. Beispielsweise müssen die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kein Asylverfahren durchlaufen und haben gleich Anspruch auf Bürgergeld oder andere Sozialleistungen, für die der Bund aufkommen muss. Die Kosten für noch nicht anerkannte Asylbewerber tragen Länder und Kommunen.
Ampel in Finanzierungsfragen uneinig
Die Grünen springen den Ländern und Kommunen bei und gehen damit auf Konfrontationskurs innerhalb der Ampel-Regierung. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte den Sendern RTL und ntv, es müsse für ausreichenden Wohnraum, verstärkte Integration und mehr Geld für besonders belastete Kommunen gesorgt werden. "Wir sind eine Verantwortungsgemeinschaft: Bund, Länder und Kommunen."
Anders sieht es die SPD: Fraktionsvize Dirk Wiese betonte in der Rheinischen Post: "Es wird sehr wichtig sein, hier genau hinzuschauen, wie viel Geld bereits abgerufen und wieviel Geld von den Ländern an die Kommunen weitergegeben wurde." So habe etwa Nordrhein-Westfalen "große Summen" nicht an die Kommunen weitergeleitet. In solchen Fällen "helfen auch weitere Finanzspritzen des Bundes nicht".
Bund habe Unterstützung bereits verstärkt
Vizeregierungssprecher Büchner betonte, der Bund unterstütze Länder und Kommunen bei der Flüchtlingsversorgung "im Rahmen seiner gesamtstaatlichen Verantwortung umfassend finanziell und logistisch" und tue dies bereits seit mehreren Jahren verstärkt.
Wichtig sei es aus Sicht der Bundesregierung, "die Migrationsverwaltung zu digitalisieren und einen behördenübergreifenden Datenaustausch zu schaffen", sowie die irreguläre Migration konsequent zu bekämpfen und reguläre Migrationswege zu eröffnen. Dafür wolle man Migrationsabkommen mit Herkunftsländern schließen. Gleichzeitig sei es erforderlich, "Personen ohne Bleiberecht sowie Straftäter und Gefährder konsequent auszuweisen".
Faeser will Begrenzung von Migration
Innenministerin Nancy Faeser räumte im "Handelsblatt" ein, dass die aktuelle Flüchtlingssituation den Gemeinden "sehr viel" abverlange. Eine Entlastung der Kommunen soll nach ihrer Vorstellung vor allem dadurch gelingen, dass die Migration "viel stärker" gesteuert und geordnet werde.
Diese Steuerung soll nach Ansicht der Bundesregierung auf EU-Ebene stattfinden - zum Beispiel durch einen besseren Schutz der Außengrenzen. Faeser forderte einen verstärkten Fokus auf die Begrenzung der Flüchtlingszahlen in der EU. "Wir werden für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen sorgen", sagte die Ministerin.
Verhandelt werde in Brüssel derzeit "über Verfahren an den EU-Außengrenzen, um dort binnen kurzer Fristen über den Schutz von Menschen mit geringer Aussicht auf Asyl in der EU zu entscheiden". Damit könnten abgelehnte Asylbewerber "schnell bereits von den EU-Außengrenzen aus zurückgeführt werden", sagte Faeser.
"Alles, was dazugehört, auch Zäune"
Finanzminister Christian Lindner sprach sich dafür aus, die EU-Außengrenzen notfalls auch mit Zäunen zu schützen. "Ich glaube, dass, um Kontrolle herzustellen, auch der physische Schutz der Außengrenze in Betracht gezogen werden muss", sagte er am Donnerstag in einer Talkrunde von RTL und ntv, betonte aber: "Ich bin dafür, wenn zugleich die Möglichkeit humanitärer und qualifizierter Einwanderung rechtlich erleichtert wird."
Für einen Zaun an EU-Außengrenzen sprach sich auch der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai aus. Europa müsse investrieren in "alles, was dazugehört, auch Zäune", sagte Djir-Sarai der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er forderte "mehr Pragmatismus und weniger Moralisieren". Die Realität dürfe nicht ignoriert werden. "Es sind im ersten Quartal dieses Jahres deutlich mehr Asylbewerber nach Deutschland gekommen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Und die Zahlen steigen noch.“
Seit Jahresbeginn haben in Deutschland etwa 100.000 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) am Freitag mitteilte, zählte die Behörde im April 19.629 Erstanträge. In den Monaten Januar bis März waren laut Bamf 80.978 formale Schutzersuchen gestellt worden. Im Gesamtjahr 2022 hatte das Bundesamt 217.774 Asylerstanträge entgegengenommen.