Neuer THC-Grenzwert Welche Regeln bei Cannabis am Steuer geplant sind
Die Bundesregierung will einen neuen Grenzwert für THC im Verkehr. Außerdem plant sie Regeln für Mischkonsum mit Alkohol und für Fahranfänger. Heute findet die erste Lesung im Bundestag statt.
Was gilt bisher?
Einen Grenzwert beim Autofahren wie 0,5 Promille für Alkohol gibt es bei Cannabis bisher nicht - die Bundesregierung will nun aber einen festlegen. Bis das von Bundestag und Bundesrat beschlossen ist, gilt die bisherige Rechtsprechung.
Dort hat sich der niedrige Wert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blut als Grenze etabliert. Der wird erreicht, wenn der Wirkstoff überhaupt nachgewiesen wird. Das heißt: Wer THC im Blut hat, auch wenn der Konsum Tage zurückliegt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Ihm drohen Geldbußen, Punkte und Fahrverbot.
Was ist zum Grenzwert im Straßenverkehr geplant?
Laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, soll künftig ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum gelten. Blutserum ist die gelbliche Blutflüssigkeit ohne Blutzellen wie Blutkörperchen.
Damit folgt die Koalition der Empfehlung einer unabhängigen Expertenkommission, die Verkehrsminister Volker Wissing beauftragt hatte. Sie hat auf wissenschaftlicher Grundlage den Grenzwert von 3,5 Nanogramm vorgeschlagen.
3,5 Nanogramm - ist das viel?
Die Expertenkommission hat den Grenzwert danach ausgewählt, ab welchem THC-Grenzwert nach Stand der Wissenschaft eine "straßenverkehrssicherheitsrelevante Wirkung" beim Autofahren "nicht fernliegend" ist. Der Wert sei vom Risiko her vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.
Wie sind die Reaktionen auf den Grenzwert?
Politik und Verbände sind gespalten, ob sie diesen Grenzwert für hoch oder niedrig halten. Das Bundesverkehrsministerium nannte den Vorschlag der Expertenkommission, an dem sich die Regierung nun orientiert hat, "konservativ", die Grünen "sehr streng". Die Union ist dagegen kritisch, den Grenzwert entsprechend der Expertenempfehlung anzuheben. Der TÜV-Verband hält die Erhöhung für zu früh anhand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die es bisher gibt.
Wie groß sollte der Abstand zwischen Konsum und Autofahren sein?
Laut Studienlage sollte vier bis acht Stunden vor dem Führen eines Fahrzeugs kein Cannabis konsumiert werden, erklärt Maurice Cabanis, Mitglied der unabhängigen Expertengruppe und ärztlicher Direktor der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten am Klinikum Stuttgart. "Entsprechend ließe sich ableiten, dass zuletzt vier bis acht Stunden vor Fahrtantritt ein Joint mit durchschnittlichem THC-Gehalt konsumiert werden könnte."
Bei wie viel Konsum man den Grenzwert überschreitet, sei allerdings bei jeder Person unterschiedlich. "Wenn verschiedene Menschen die gleiche Menge an Alkohol trinken, erreichen sie, bei gleichem Körpergewicht, ähnlich hohe Alkoholkonzentration im Blut", sagt Stefanie Iwersen-Bergman, Leitung der Toxikologie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und ebenfalls Mitglied der Expertengruppe. Bei Cannabis könne die erreichte maximale THC-Konzentration im Blut sehr unterschiedlich sein. Das hängt den Experten zufolge davon ab, wie häufig jemand Cannabis konsumiert, und vom Stoffwechsel.
Direkt nach dem Konsum eines Joints seien im Blutserum etwa zehn bis 150 Nanogramm THC pro Milliliter, sagt Iwersen-Bergmann. "Studien zeigen, dass der THC-Wert bei Gelegenheitskonsumenten innerhalb von etwa acht Stunden auf unter ein Nanogramm pro Milliliter Serum abfällt." Dadurch wäre es wieder möglich, verantwortungsbewusst am Straßenverkehr teilzunehmen.
Wer sehr häufig bis dauerhaft konsumiert, könne auch längere Zeit nach dem Konsum noch THC-Konzentrationen von mehreren Nanogramm aufweisen. Der Grund dafür ist, dass sich THC bei sehr häufigem Konsum im Körpergewebe anreichert und von dort wieder langsam in das Blut zurückverteilt wird.
Was ist mit Mischkonsum von Cannabis und Alkohol?
Wer THC im Blut hat, muss nüchtern bleiben: Mischkonsum von Cannabis und Alkohol ist im Straßenverkehr nicht erlaubt. Wer vorsätzlich oder fahrlässig ein alkoholisches Getränk zu sich nimmt, obwohl er THC im Blut hat, begeht eine Ordnungswidrigkeit.
"Mischkonsum vor einer Autofahrt ist gänzlich zu vermeiden, weil sich die Wirkungen von Alkohol und Cannabis gegenseitig verstärken", sagt Expertin Iwersen-Bergmann.
Welche Strafen drohen?
Laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung darf eine Geldbuße von bis zu 3.000 Euro verhängt werden, wenn man mit mehr als 3,5 Nanogramm THC im Blut erwischt wird. Wer zeitgleich auch noch Alkohol getrunken hat, muss mit einer Buße von bis zu 5.000 Euro rechnen.
Konkret schlägt die Bundesregierung vor, die Regelsätze in der Bußgeldkatalog-Verordnung entsprechend der Regeln für Alkohol zu ändern: Wer erstmals mit 3,5 oder mehr Nanogramm pro Milliliter Blutserum erwischt wird, muss 500 Euro zahlen und bekommt einen Monat Fahrverbot. Beim zweiten Mal soll man 1.000 Euro zahlen müssen und darf drei Monate nicht hinters Steuer. Wer bereits mehrfach erwischt wurde, müsste ein Bußgeld von 1.500 Euro zahlen und bekäme erneut drei Monate Fahrverbot.
Wer den THC-Grenzwert überschreitet und zusätzlich Alkohol getrunken hat, würde schon beim ersten Verstoß 1.000 Euro zahlen und einen Monat Fahrverbot bekommen. Beim zweiten Mal drohen 1.500 Euro und drei Monate, danach 2.000 Euro und wieder drei Monate.
Was soll für Fahranfänger gelten?
Für Fahranfänger will die Bundesregierung laut Gesetzentwurf strengere Regeln. Wer in der Probezeit oder unter 21 Jahre alt ist, dürfte demnach im Straßenverkehr kein THC im Blut haben - genauso wie bei Alkohol. Eine Ausnahme soll gelten, wenn der Cannabiskonsum medizinisch ist und als "für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenes Arzneimittel" eingenommen wird. Wer dagegen verstößt, zahlt wie bei Alkohol 250 Euro.
Weil der Cannabis-Wirkstoff im Blut deutlich länger nachgewiesen werden kann als Alkohol, käme das laut Kritikern einem kompletten Cannabis-Konsum-Verbot für alle Fahranfänger und Menschen unter 21 Jahren gleich, die regelmäßig Autofahren wollen. Die Grünen nannten die Pläne, als das FDP-geführte Verkehrsministerium sie vorschlug, ein "Verbot durch die Hintertür" und waren gegen eine Ausnahme für Fahranfänger.
Expertin Iwersen-Bergmann sagt jedoch, dass sich Fahranfänger bei nur gelegentlichem Rauchen eines Joints, beispielsweise am Wochenende abends, keine Sorgen machen müssten, wenn sie am Montagmorgen Auto fahren wollen.
Für Begleitpersonen bei begleitetem Fahren von 17-Jährigen gelten dieselben Regeln wie für normale Fahrer: Sie dürfen nicht 3,5 Nanogramm oder mehr THC im Blut haben.
Was ist seit 1. April erlaubt?
Wer 18 und älter ist, darf seit der Teillegalisierung zu Hause bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigengebrauch aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm mit sich führen. Weitergabe und Verkauf bleiben verboten.
Zu Hause darf man drei Pflanzen anbauen - nicht aber in Kleingärten. Samen, Pflanzen und geerntetes Cannabis müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden, beispielsweise in abschließbaren Schränken und Räumen.
Wo ist Kiffen nicht erlaubt?
Wo es nicht explizit verboten ist, darf gekifft werden. Verboten ist es auf Spielplätzen, in Schulen, Sportstätten, also auch Fußballstadien, Kinder- und Jugendeinrichtungen und jeweils in Sichtweite davon - in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Fußgängerzonen sind zwischen 7 und 20 Uhr ebenfalls kifffreie Zonen. Auch für Bahnhöfe ist ein Verbot geplant. Zusätzlich haben Bundesländer teilweise eigene Verbotszonen beschlossen.
Außerdem ist der Konsum in unmittelbarer Gegenwart von Personen unter 18 verboten - zum Beispiel an einer Bushaltestelle mit Schulkindern oder im Garten vor den eigenen minderjährigen Kindern, genauso wie vor einem Kino, wo auch Jugendliche warten.
Wann kommen die Cannabis-Clubs?
Die geplanten Clubs dürfen erst zum 1. Juli mit dem Anbau von Cannabis beginnen. Für sie gelten strenge Regeln: Die Clubs müssen mindestens 200 Meter von Schulen, Kitas, Spielplätzen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen entfernt sein, dürfen nicht in Wohngebäuden untergebracht sein und nicht durch auffällige Schilder oder anders für sich werben.
Der Konsum in den Cannabis-Clubs ist ebenfalls tabu. Die Betreiber müssen Anbauflächen und Lager sichern. Die Vereine dürfen maximal 500 Mitglieder haben und Cannabis in begrenzten Mengen nur an diese Mitglieder abgeben, nicht verkaufen. Das Cannabis muss in einer neutralen Verpackung mit Beipackzettel sein, der Informationen zu Gewicht, Sorte, THC-Gehalt und Hinweise zu Risiken des Konsums enthält.