Drogenkonsum in Deutschland Die möglichen Kosten der Cannabis-Legalisierung
Nach der Teillegalisierung von Cannabis rechnen Experten mit mehr Konsumenten. Dies könnte neue volkswirtschaftliche Kosten verursachen - unter anderem durch nötige Ausgaben für Suchtprävention.
Seit dem 1. April dieses Jahres ist es in Deutschland für Volljährige legal, Cannabis für den privaten Konsum zu besitzen. Mögliche Kosten der Legalisierung für Gesellschaft und Wirtschaft sind in der Debatte um das Gesetz zur Freigabe und seine Folgen bislang nicht konkret benannt worden. Nach Recherchen des ARD-Wirtschaftsmagazins Plusminus könnten solche Kosten aber entstehen.
Dies bestätigen Experten wie Tobias Effertz von der Universität Hamburg. Der Wirtschaftswissenschaftler forscht unter anderem zu den Folgen des Drogenkonsums. Aufgrund des einfacheren Zugangs zu Cannabis und der Entwicklung eines "grauen Marktes" für die Droge erwartet Effertz steigende Konsumentenzahlen. Damit verbunden seien deutlich höhere Kosten im Gesundheitssektor durch die Behandlung von Erkrankungen, die mit Cannabis verbunden sind.
Hunderttausende mit schädlichem Konsum
"Im Weiteren ist mit höheren Kosten durch Produktivitätsverluste zu rechnen. Die belaufen sich jetzt schon auf circa 1,5 Milliarden Euro pro Jahr", sagt Effertz. Damit ist etwa eine Arbeitslosigkeit gemeint, die aus einer Drogensucht resultiert. Seine Berechnung beruhe auf Suchtstatistiken, wonach es in Deutschland aktuell etwa 600.000 Menschen mit "schädlichem Cannabiskonsum" gebe.
Das sind volkswirtschaftliche Kosten, die im neuen Cannabis-Gesetz offenbar nicht berücksichtigt wurden. Auf Anfrage von Plusminus schreibt das Bundesgesundheitsministerium, "für die Finanzierung der medizinischen Behandlungen von Suchterkrankungen bzw. ambulanter und stationärer Therapien" seien die "Sozialversicherungsträger, in der Regel die Krankenkassen und die Rentenversicherungsträger" zuständig.
Prävention kostet Geld
Um einen steigenden Konsum abzuwenden, fordert der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg, Marcel Romanos, mehr Einsatz in der Prävention. Selbst Studien des Bundesgesundheitsministeriums hätten gezeigt, dass der Konsum von Cannabis bei Kindern und Jugendlichen steigen werde. Das bedeute "mehr Kinder mit Angsterkrankungen, mehr Kinder mit Depressionen, mehr Kinder mit Psychosen" so der Mediziner. Und das verursacht Kosten.
Als Gegenmaßnahme rät Romanos zu verstärkter Aufklärung: "Es ist überhaupt nicht trivial, Prävention verfügbar zu machen und in der Fläche zu implementieren. Und ja, das kostet Geld." Hierfür hat die Bundesregierung in Zusammenhang mit dem Cannabisgesetz im ersten Jahr sechs Millionen Euro vorgesehen.
Was kommt auf Länder und Kommunen zu?
Grundsätzlich verweist das Bundesgesundheitsministerium gegenüber Plusminus jedoch auch hier auf andere Kostenträger, denn: "Maßnahmen zur Suchtprävention und Suchtberatung werden überwiegend im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge durch Länder und Kommunen finanziert." Ob und in welcher Höhe einem Land oder einer Kommune durch das Cannabisgesetz zusätzliche Kosten für Suchtprävention und -beratung entstehen, sei seitens des Bundes nicht pauschal zu beantworten, so das Ministerium in einer Stellungnahme.
Doch die Bundesregierung sieht auch große Einsparpotentiale durch das neue Gesetz. So hat sie eine Kosteneinsparung in Höhe von 225 Millionen Euro in der Justiz errechnet. Hintergrund sei eine "stark verringerte Anzahl der gerichtlichen Strafverfahren wegen cannabisbezogener Delikte". Eine Einschätzung, die der ehemalige Oberstaatsanwalt Walter Schmengler nicht teilt. Viele Jahre lang ermittelte er zu Drogendelikten in Koblenz. Heute berät er den Bund Deutscher Kriminalbeamter und wirkt mit an den Positionspapieren des Verbandes zur Cannabislegalisierung.
Notfalls soll nachgebessert werden
Aufgrund der 37 Bußgeld-Tatbestände im neuen Gesetz erwartet Schmengler eine erhebliche Mehrarbeit für die Polizei. Zudem rechne er mit einem Aufblühen der organisierten Kriminalität. Dies hätte umfangreichere Verfahren mit Auslandsbezügen und Rechtshilfeersuchen zur Folge. "Die Anzahl der Beamten, die man zur Bearbeitung derartiger Verfahren benötigt, wird die Einsparungen im Bereich der Konsumdelikte mit Sicherheit übersteigen", so die Prognose von Schmengler.
Welche Folgen tatsächlich eintreten werden, ist gegenwärtig ungewiss. Vor dem Bundesrat versprach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, nach 18 Monaten würden die Auswirkungen des Cannabis-Gesetzes erstmals evaluiert werden - und notfalls würde nachgebessert.