Zivile Unterstützung für die Ukraine Mehr als nur Waffen
Deutschland hilft der Ukraine militärisch wie kaum ein anderes Land. Was bei der Diskussion um "Taurus" und Co. aber oft untergeht: Deutschland leistet auch zivile Hilfe.
In Lwiw wirkt die deutsche Hilfe unmittelbar - und zwar bei der Versorgung von Verwundeten. "Jede Woche kommen die Züge aus dem Osten mit verletzten Menschen", erzählt Anton Kolomieitsev, Chef-Stadtplaner der westukrainischen Stadt.
Als die Kapazität des Krankenhauses nicht mehr ausreichte, habe man mit deutschem Geld ein weiteres Gebäude finanzieren können. Unter anderem kamen zwölf Millionen Euro vom Bundesentwicklungsministerium. Nun können dort Menschen mit Prothesen versorgt und bei der Traumabewältigung unterstützt werden.
Laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft hat kein Land der Ukraine mehr humanitäre Hilfe zugesagt als Deutschland. Fast drei Milliarden Euro sind es den Berechnungen des Instituts zufolge.
Die stehen zwar im Schatten der 17,7 Milliarden Euro für Militärhilfen. Aber Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze hält gerade die zivile Hilfe für besonders wichtig, wie die SPD-Politikerin dem ARD-Hauptstadtstudio sagte. Denn um einen Krieg zu gewinnen, brauche es nicht nur Waffen, "sondern auch eine Bevölkerung, die überhaupt mitmachen kann, die genug Kraft dafür hat".
Dafür unterstützt Deutschland die Ukraine etwa beim Wiederaufbau des Gesundheitssystems und von Schulen. Außerdem stellt die Bundesregierung Kredite für Unternehmen zur Verfügung, die in der Ukraine investieren wollen, und unterstützt beim Wiederaufbau von Stromleitungen und der Wasserversorgung.
Ziviler Wiederaufbau als "Herzstück"
Wie das konkret aussieht, hatte sich Außenministerin Annalena Baerbock persönlich angeschaut. Ende Februar war die Grünen-Politikerin in die südukrainische Stadt Mykolajiw gereist, wo russische Bomben das Wasserwerk zerstört hatten. Unter anderem mit Mitteln der Bundesregierung hatte ein deutsches Startup eine Entsalzungsanlage gebaut und die Bevölkerung so wieder mit Trinkwasser versorgt.
Den zivilen Wiederaufbau bezeichnete Baerbock bei der Reise als "Herzstück" der internationalen Hilfe. Laut Baerbock ist der Wiederaufbau auch dann nicht vergebens, wenn der Krieg neue Zerstörungen mit sich bringt. Nicht nur Luftabwehrsysteme, sondern auch der Aufbau von Schulen, Krankenhäusern und Wasserversorgung "rettet jeden Tag Menschenleben".
Kosten auf fast 500 Milliarden Euro geschätzt
Teilweise hat dieser Wiederaufbau bereits begonnen. Größtenteils ist er aber eine Aufgabe für die Zukunft. Man müsse allerdings schon jetzt anfangen zu planen und dürfe "nicht erst nachdenken, wenn die Situation des Krieges beendet ist", sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz dem ARD-Hauptstadtstudio. Denn Städte zu planen und tatsächlich aufzubauen, könne fünf bis 20 Jahre dauern, so die SPD-Politikerin. Und die Schäden in der Ukraine sind enorm.
Die Kyiv School of Economics hat mehr als 250.000 zerstörte Gebäude dokumentiert. Laut Berechnungen der Weltbank, der Vereinten Nationen und der ukrainischen Regierung wird der Wiederaufbau mindestens 453 Milliarden Euro kosten. Inbegriffen sind die Schäden seit Kriegsbeginn im Februar 2022 bis Ende des vergangenen Jahres.
Um die Ukraine bei dieser Herausforderung zu unterstützen, veranstaltet die Bundesregierung im Juni gemeinsam mit der Ukraine eine Wiederaufbau-Konferenz in Berlin. Bereits jetzt vernetze man zahlreiche deutsche Stadtplaner mit ukrainischen Kommunen, sagt Bauministerin Geywitz. Dem liegen Erfahrungen aus anderen Wiederaufbauprozessen zugrunde: "Es gibt nicht den einen Masterplan, den man dann in allen Städten umsetzen kann." Stattdessen brauche es individuelle Pläne für jede einzelne Stadt.
Wirtschaftliche Vorteile für Deutschland
Am Ende profitiert laut Entwicklungsministerin Schulze nicht nur die Ukraine von der deutschen Unterstützung. Deutschland ziehe auch selbst wirtschaftliche Vorteile daraus. Denn die Ukraine sei ein künftiges Mitglied der Europäischen Union.
"Die Ukraine ist ein sehr interessanter Markt", sagt Schulze. "Wenn wir jetzt diejenigen sind, die Partnerschaften aufbauen, nutzt uns das auch in der Zukunft." Schließlich werde in Deutschland jeder zweite Euro im Export verdient.
Insgesamt hat Deutschland der Ukraine nach Angaben der Bundesregierung bereits mehr als 32 Milliarden Euro bereitgestellt. Da ist neben der zivilen und militärischen Unterstützung auch die finanzielle Hilfe eingerechnet. Diese umfasst auch Zahlungen an die mehr als eine Million ukrainischen Geflüchteten in Deutschland.