Baerbock besucht Ukraine Weitere Unterstützung - und ein sprachliches Geschenk
Anlässlich des Jahrestags des russischen Angriffs auf die Ukraine ist Außenministerin Baerbock nach Odessa gereist. Dort versprach sie weitere Unterstützung - und eine kleine Änderung im deutschen Sprachgebrauch.
Zwei Jahre sind seit der russischen Invasion in der Ukraine vergangen. Anlässlich dieses Jahrestags hat Außenministerin Annalena Baerbock das Land besucht und der Regierung weitere Hilfe zugesichert: Waffen, aber auch Unterstützung auf dem Weg in die Europäische Union.
Solange der russische Präsident Wladimir Putin nicht bereit sei, den Krieg zu stoppen, "unterstützen wir Euch jeden weiteren Tag" auch mit Waffenlieferungen, "die nicht nur zurückerobern, sondern die jeden Tag Menschenleben retten", sagte die Grünen-Politikerin bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba in der südukrainischen Hafenstadt Odessa. Die vergangenen zwei Jahre hätten gezeigt: "Keine Rakete, keine 731 Tage Bombenterror können den Freiheitswillen der Ukraine brechen."
Baerbock hatte auch ein sprachliches Gastgeschenk im Gepäck: Die Bundesregierung ändert in ihrem amtlichen Sprachgebrauch die Schreibweise der ukrainischen Hauptstadt. Künftig wird nicht mehr von Kiew die Rede sein - sondern von Kyjiw. "Wir haben das vollzogen, was längst überfällig war: die Schreibweise Eurer Hauptstadt in der ukrainischen Sprache", sagte Baerbock bei einer Pressekonferenz mit Kuleba.
Ein Dank, aber auch Vorwürfe
Die Ukraine hatte lange um eine Änderung der deutschen Schreibweise gebeten, um dem ukrainischen Namen der Hauptstadt näher zu kommen. Die Schreibweise "Kiew" lehnt sich nach ukrainischer Lesart zu sehr an die russische Sprache an. Der ukrainische Außenminister dankte für die sprachliche Neuregelung. "Wir haben viele Jahre dafür gekämpft, dass die Ukraine nicht durch die russische Sprache betrachtet wird", sagte Kuleba. "Ich danke allen, die für geschichtliche Gerechtigkeit kämpfen - auch in kleinen Details."
In Bezug auf die Unterstützung der Ukraine im Krieg machte Kuleba Deutschland und dem Westen jedoch auch Vorwürfe, vor allem wegen des zögerlichen Verhaltens. Wenn Deutschland und der Westen "uns in die EU und die NATO aufgenommen hätten, dann hätte es diesen Krieg nie gegeben." Ebenso seien Chancen am Anfang des Krieges vertan worden, Russland einzudämmen. "Wenn zu Kriegsbeginn alle Entscheidungen zu Waffenlieferungen schnell getroffen und umgesetzt worden wären, dann wären wir heute in Luhansk und würden auf der Pressekonferenz über ein Europa von Lissabon bis Luhansk reden."
Kuleba drängt erneut auf NATO-Beitritt
Seiner Ansicht nach sei Frieden nur über höhere Rüstungslieferungen erreichbar, sagte Kuleba. "Nur indem man Russland auf dem Schlachtfeld schlägt, können wir es zu einem dauerhaften und gerechten Frieden zwingen." Er drängte erneut auf einen baldigen NATO-Beitritt seines Landes. Die Ukraine sei keine Last, sondern eine Stärkung des Militärbündnisses. Kiew sei in der Lage, den euroatlantischen Raum vor Russland zu schützen. "Niemand in der NATO wird heute besser mit der Aufgabe fertig als die Streitkräfte der Ukraine", unterstrich er. Kuleba hob bei Waffenlieferungen drei benötigte Positionen hervor: "Granaten, Flugabwehr und weitreichende Raketen."
Zuvor hatte sich Präsident Wolodymyr Selenskyj anlässlich des Jahrestages siegesgewiss gezeigt. "Wir werden siegen", sagte er bei einer Gedenkveranstaltung auf dem Militärflugplatz in Hostomel nahe Kiew. "Wir kämpfen seit 730 Tagen unseres Lebens dafür", sagte Selenskyj. "Wir werden am besten Tag unseres Lebens gewinnen."
An der offiziellen Zeremonie nahmen auch mehrere westliche Spitzenpolitiker teil, die anlässlich des Jahrestags in die Ukraine reisten. Selenskyj empfing EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, den kanadischen Premierminister Justin Trudeau, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und den belgischen Ministerpräsidenten Alexander de Croo auf dem Militärflugplatz Hostomel.
"Das tapfere Volk der Ukraine erstaunt die Welt"
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: "Genau vor zwei Jahren schien es, als ob alles verloren ist und innerhalb weniger Tage fällt." Doch dank des Mutes der Ukrainer sei das nicht geschehen. "Das tapfere Volk der Ukraine erstaunt die Welt immer wieder", unterstrich von der Leyen. Sie versicherte, dass die EU der Ukraine weiter beistehen werde.
Russische Invasion begann am 24. Februar 2022
Die russische Armee war auf Befehl von Kreml-Chef Wladimir Putin am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert. Hostomel war in den ersten Kriegstagen von russischen Einheiten erobert worden, die später aber wieder von der ukrainischen Armee vertrieben wurden. Nach mehr als einem Jahr festgefahrener Kämpfe geht Moskau mittlerweile vor allem in der Ostukraine wieder in die Offensive.
Die ukrainischen Soldaten leiden unterdessen zunehmend unter Munitionsmangel. Selenskyj fordert immer wieder beschleunigte Munitions- und Waffenlieferungen. Die wegen des Krieges vom Westen verhängten Sanktionen gegen Moskau erzielten bisher nicht die erhoffte Wirkung.
Stoltenberg: "Wir dürfen den Mut nicht verlieren"
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherte der Ukraine erneut eine Zukunft als Mitglied des Verteidigungsbündnisses. Vor zwei Jahren "begann der größte Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg". Die Lage auf dem Schlachtfeld sei "nach wie vor äußerst ernst" Doch die Ukraine habe immer wieder bemerkenswertes Geschick und kämpferische Entschlossenheit bewiesen. Putin habe mit seinem Krieg das Gegenteil von dem erreicht, was er wollte, erklärte Stoltenberg. "Die Ukraine ist jetzt näher an der NATO als je zuvor." Die Ukraine werde dem Bündnis beitreten, betonte er. Die Frage sei nicht ob, sondern wann dies geschehe.