Nach den Landtagswahlen Wie sich CDU und BSW jetzt einander annähern
In Thüringen und Sachsen sehen sich CDU und die Wagenknecht-Partei in der Verantwortung, gemeinsame Koalitionen auszuloten. Der Schritt heraus aus dem Wahlkampf fällt nicht allen leicht. Und AfD und Linke wollen auch noch mitreden.
Es ist der Montagmittag nach den Landtagswahlen und in Berlin spricht das Bündnis Sahra Wagenknecht über die wohl ersten Sondierungsgespräche seiner Geschichte. Neben Sahra Wagenknecht sitzen die Spitzenkandidatinnen Sabine Zimmermann und Katja Wolf aus Sachsen und Thüringen. Ihre Partei gehört zu den Gewinnern der Landtagswahlen. Jetzt steht die Frage einer Koalition mit CDU und SPD im Raum. Beim BSW scheinen sie es aber mit zwei verschiedenen Ansätzen probieren zu wollen.
Sabine Zimmermann sagt: "Wenn sich CDU und SPD nicht verändern, werden wir nicht Teil einer Koalition sein." Am BSW komme in Sachsen niemand vorbei.
Katja Wolf hingegen sagt, ihr Thüringer Landesverband werde "mit aller Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein" das Ergebnis annehmen. Man sei angetreten für eine andere politische Kultur und werde nun mit allen Parteien außer der AfD sprechen.
Wagenknecht will weiter persönliche Gespräche
Da der Wunsch nach einem Kotau, hier die ausgestreckte Hand. Dabei bereiten sich beide Landesverbände seit Wochen hinter den Kulissen auf Gespräche mit der CDU vor. Und Sahra Wagenknecht? Sie lobt die CDU. Diese habe Probleme im Wahlkampf angesprochen. Man müsse jetzt Schnittmengen ausloten.
Die Spitzenkandidaten der CDU, Michael Kretschmer und Mario Voigt, hatten es vor der Wahl allerdings zur Bedingung gemacht, dass Wagenknecht nicht an solchen Gesprächen teilnimmt. Sie selbst wiederum hatte sich das offen gehalten.
Jetzt sagt Wagenknecht, sie habe gar nicht "den Anspruch und die Möglichkeit" an Koalitionsverhandlungen teilzunehmen. Aber: Wer mit dem BSW koalieren möchte, müsse trotzdem mit ihr reden. "Ich erwarte schon, dass Herr Voigt und Herr Kretschmer mit mir ein Gespräch führen."
Kretschmers Binnen-Diplomatie
Wenig später tritt CDU-Parteichef Friedrich Merz mit Voigt und Kretschmer vor die Presse. Das Trio hat drei Botschaften: Die CDU ist der Wahlsieger, die Ampel-Regierung am Ende und der Unvereinbarkeitsbeschluss zu Linken und AfD gilt weiterhin. Wagenknecht schließt dieser Beschluss nicht ein.
Merz hält sich in der Koalitionsfrage zurück. Wo die Schnittmengen zwischen CDU und BSW liegen, müssten die Kollegen in Thüringen und Sachsen beantworten, sagt er.
Michael Kretschmer richtet einen Ratschlag an das BSW. Man gebe in einer Koalition nicht seine Überzeugungen auf, sagt Kretschmer. Im Gegenteil: "Es ist klug, unterschiedliche Positionen nicht als rote Linien zu formulieren, sondern sie sichtbar zu lassen." Dann bleibe jeder Koalitionspartner erkennbar.
Wagenknecht hatte im Wahlkampf ihre außenpolitischen Positionen etwa zu Friedensverhandlungen mit Russland zur Bedingung für eine Koalition gemacht. Kretschmer setzt lieber erst einmal auf Binnen-Diplomatie.
Voigt, Ramelow und die Minderheitsregierung
Komplizierter ist die Lage für Mario Voigt. Voigt war angetreten, um Thüringen nach fünf Jahren ohne Mehrheitsregierung wieder eine "stabile Regierung" unter ihm als CDU-Ministerpräsidenten zu geben. Nun muss er eine Paarung mit einer völlig neuen Partei ausloten und weiß doch, dass er selbst bei einer Einigung noch weitere Stimmen benötigt.
"Es ist für alle eine neue Situation", stellt Voigt fest. Er spricht diesmal weder über Wagenknecht noch über Katja Wolf.
Schon bevor das BSW im Januar die politische Bühne betrat, ahnten Thüringer Parteistrategen, dass der neue Landtag kaum klarere Mehrheiten als der alte liefern würde. Ein Planspiel damals: Solange man vor Ramelow und der Linken lande, könne man den Anspruch erheben, sich von dieser tolerieren zu lassen. Quid pro quo mit vertauschten Rollen also.
Zwar steht bald eine Bundestagswahl an, allerdings hatte die CDU-Fraktion im Landtag auch einen Stabilitätspakt mit der Linken beziehungsweise Rot-Rot-Grün geschlossen und auch nach dessen Ende sogar Haushalte mit der Koalition geeint, ohne dass es die Bundespartei nachhaltig belastet hätte.
Doch diese Rettungsinsel hat das BSW wohl versenkt. Die Partei kann sich grundsätzlich vorstellen, auch AfD-Anträgen zuzustimmen. Zusammen haben beide eine Mehrheit. Wie oft würde sich Voigt überstimmen lassen wollen?
Und dann ist da noch Bodo Ramelow. Der Linke und Noch-Ministerpräsident will Voigt unterstützen - und "alles tun, was dafür notwendig ist", um eine demokratische Mehrheitsregierung zustandezubekommen. So sagt es Ramelow am Wahlabend und muss tagsdarauf erklären, dass damit nicht der Gang in die Fraktionslosigkeit oder gar ein Wechsel zum BSW oder der SPD gemeint sei. Stattdessen drängt Ramelow auf eine Beteiligung seiner Linken an der Regierung.
Zurück in Berlin gibt sich Mario Voigt betont gelassen. Er spricht vom Zuhören und vom Miteinander, von "schwierigen Rahmenbedingungen". So eine Situation löse man "nicht über Nacht", sagt er.
Diskussion auch um AfD
Für Unruhe sorgt die AfD. In Sachsen unterbreitet AfD-Generalsekretär Jan Zwerg CDU und SPD ein Angebot. Eigentlich wäre die AfD der ideale Partner für die CDU. Doch notfalls ginge auch eine Tolerierung einer schwarz-roten Minderheitskoalition. "Dann werden wir das als Opposition mit begleiten", zitiert ihn die Leipziger Volkszeitung.
In der CDU lässt sich die Diskussion über Gespräche mit der AfD zumindest nicht ganz deckeln. In Sachsen ist es noch ein einfaches Parteimitglied, das öffentlichkeitswirksam eine Mitgliederbefragung in dieser Sache beantragt. In Thüringen fordert schon die langjährige Greizer Landrätin und neue CDU-Landtagsabgeordnete Martina Schweinsburg die Sondierungen mit allen Parteien - also auch mit der Linken, aber auch der AfD.
Auch die Bundes-CDU gerät in Bewegung. Nicht alle wollen den Landeschefs in Sachsen und Thüringen freie Hand lassen. Erste Mandatsträger sprechen sich offen gegen eine Zusammenarbeit mit dem BSW aus. Der Essener Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer schreibt auf X: "Die Wagenknechte sind nicht die harmloseren Linken."
Koalitionsfrage taugt zum Thema bei K-Frage
Nicht auszuschließen ist deshalb, dass die Frage nach BSW und Linken zur Profilierung im Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union genutzt wird. Noch beim Bundesparteitag der CDU Anfang Mai hatte etwa CSU-Ministerpräsident Markus Söder die Partei vor einer Zusammenarbeit mit der Linken gewarnt. Doch davon rückte er im ARD-Sommerinterview kurz vor den Landtagswahlen wieder ab: "Ich würde Mario Voigt und Michael Kretschmer alle Freiheiten geben zu entscheiden, eben nur nicht mit der AfD", sagte Söder da.
Vorerst ist es an Friedrich Merz, die CDU-Leitplanken für die Koalitionsbildungen aufzustellen. Die Dinge seien im Fluss, so Merz am Ende der Pressekonferenz in Berlin. "Was da in den nächsten Wochen geschieht, werden wir im Lichte der Lage beurteilen."
Um Fragen, was der Unvereinbarkeitsbeschluss konkret für eine Tolerierung durch die Linke bedeutet, haben sich er, Voigt und Kretschmer zu diesem Zeitpunkt herumgedrückt. Mit dem Beschluss umzugehen, "wird dann auch Sache der Landesverbände in Sachsen und Thüringen sein", sagt Merz nur.
Am Montagabend beschließt der CDU-Landesvorstand Thüringen dann die Aufnahme von Gesprächen mit SPD und BSW. In Sachsen will die Partei vorerst mit BSW, SPD und Grünen reden. Linke und AfD sind nicht dabei.