Landtagswahlen Wie es in Thüringen und Sachsen weitergeht
Nach den Landtagswahlen zeichnen sich in beiden Bundesländern schwierige Koalitionsgespräche ab. Wie geht es nun weiter? Wo liegen die Tücken der Regierungsbildung? Und wie viel Macht hat die AfD jetzt eigentlich?
Die Ausgangslage
Die AfD hat bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen Rekordergebnisse erzielt - und dennoch könnte sie sich in der Opposition wiederfinden. Alle potenziellen Koalitionspartner haben eine Zusammenarbeit mit der Partei bereits ausgeschlossen. Aber auch eine Koalition mit Einbeziehung der Linken oder des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) dürfte zumindest für Diskussionen sorgen. Bei den Christdemokraten gilt im Bund und den Ländern etwa ein Unvereinbarkeitsbeschluss, der auch eine Zusammenarbeit mit der Linken verbietet. Das heißt für beide Bundesländer: Die Regierungsbildung wird schwierig - vermutlich sehr schwierig.
Wie ist die Situation nach der Wahl in Thüringen?
Rot-Rot-Grün regierte bisher ohne Mehrheit - und wurde nun auch deutlich abgewählt. Ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD käme auf 44 Landtagsmandate, 45 wären für eine Mehrheit nötig. Die Thüringer CDU will nach einem Beschluss des Landesvorstandes am Montagabend erste Gespräche mit BSW und der SPD führen. Es sind allerdings noch keine Koalitions- oder Sondierungsgespräche. Und es könnte nicht einfach werden.
BSW-Parteichefin Wagenknecht hatte etwa für Bündnisse zur Bedingung gemacht, dass Landesregierungen eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen und dies auch im Koalitionsvertrag verankert wird. "Ganz viele Menschen haben Angst davor, dass sich Deutschland in den Krieg hineinziehen lässt", sagte Wagenknecht im ARD-Brennpunkt. Die Landesregierung sollte Position beziehen, forderte die Politikerin - und damit die Bundesregierung unter Druck setzen.
Eine Mehrheit hätte dagegen eine Koalition aus CDU, BSW und Linke. Doch hier kommt wieder der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU ins Spiel. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass die Linke des bisherigen Regierungschefs Bodo Ramelow künftig eine CDU-geführte Minderheitsregierung toleriert - ohne an der Regierung beteiligt zu sein. Oder dass es noch einen Parteiwechsel eines Abgeordneten gibt.
Die CDU-Landtagsabgeordnete Martina Schweinsburg forderte hingegen, die Landes-CDU sollte auch mit der AfD in Sondierungsgespräche gehen. Der Respekt vor dem Wähler gebiete es, mit ihnen auch zu reden, sagte die Präsidentin des Thüringer Landkreistages.
Was passiert jetzt in Thüringen?
Der neue Landtag muss laut Verfassung innerhalb von 30 Tagen zusammentreten. Die bisherige Landtagspräsidentin bestimmt gemeinsam mit den neuen Fraktionen den Termin. Allerdings: Eine Regierung muss bis zur ersten Landtagssitzung noch nicht stehen. Bis sich ein neuer Landtag gebildet hat, bleiben der alte Landtag und die bisherige Regierung mit Bodo Ramelow als Ministerpräsident im Amt.
Was nicht nur die CDU beunruhigen könnte: Sobald der Landtag arbeitsfähig ist, könnte die AfD bereits eine Ministerpräsidentenwahl starten. Bei der Ministerpräsidentenwahl muss ein Bewerber im ersten oder im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen. Im dritten Wahlgang aber reicht es schon für den, der die meisten Stimmen auf sich vereinen kann. Und da werden Erinnerungen an die überraschende Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich im Jahr 2020 wach.
Zu erwarten ist, dass AfD-Landeschef Björn Höcke antreten wird. Auch CDU-Landeschef Mario Voigt wird sich wohl wählen lassen. Offen ist dann, in welchem Umfang ihn auch die anderen Parteien unterstützen werden - um den AfD-Rechtsaußen Höcke als Ministerpräsidenten zu verhindern.
Was geschieht in der ersten Landtagssitzung?
Die erste Sitzung eröffnet der sogenannte Alterspräsident. Das ist der dienstälteste Abgeordnete im Parlament. Anschließend wird der Landtagspräsident gewählt. Das Vorschlagsrecht hat die AfD als stärkste Fraktion. Dass ein AfD-Vertreter die erforderliche Mehrheit bekommt, gilt aber als eher unwahrscheinlich. Laut Landtagsverwaltung ist eine Wahlwiederholung möglich. "Verzichtet die vorschlagende Fraktion auf eine Wahlwiederholung oder erhält die Kandidatin bzw. der Kandidat erneut nicht die einfache Mehrheit, können auch andere Fraktionen einen oder mehrere Personalvorschläge unterbreiten", heißt es aus der Verwaltung. Da Landesverfassung und Landtags-Geschäftsordnung das genaue Verfahren beim Scheitern eines Kandidaten nicht im Detail regeln, gibt es Befürchtungen, die AfD könnte gegen das Vorgehen klagen und damit den Landtagsbetrieb für Wochen lahmlegen.
Und dann ist da noch die sogenannte Sperrminorität. Die AfD kann mit mehr als einem Drittel der Sitze im Landtag wichtige Entscheidungen und Wahlen blockieren, die mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden müssen. Ein Beispiel ist die Wahl von Landesverfassungsrichtern.
Und wie geht es in Sachsen weiter?
Sachsen hat seit der Wiedervereinigung eine CDU-geführte Regierung. Nach dem vorläufigen Ergebnis verpasst die Koalition aus CDU, Grünen und SPD allerdings eine erneute Mehrheit. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erwägt nun eine Koalition mit der SPD und BSW.
Nach der Landtagswahl muss das neu gewählte Parlament laut Landesverfassung auch hier spätestens nach 30 Tagen zur ersten Sitzung zusammenkommen - also bis spätestens am 1. Oktober. Erst mit dieser Sitzung endet die Amtszeit des vorherigen Landtags. In der ersten Sitzung wird der Landtagspräsident gewählt. Auch hier leitet der Alterspräsident - der älteste Abgeordnete - die Konstituierung bis zur Wahl des Parlamentspräsidenten. Der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder in geheimer Abstimmung gewählt. Wird der Regierungschef nicht innerhalb von vier Monaten nach der Konstituierung des neuen Landtags gewählt, muss dieser aufgelöst werden. Für die Regierungsbildung bliebe also rechnerisch Zeit bis Ende Januar.
Und hat die AfD auch dort die Möglichkeit der Sperrminorität?
Nein, anders als zunächst berichtet nicht. Bei der Berechnung der Sitzverteilung im neuen sächsischen Landtag gab es eine Panne. Aufgrund eines Softwarefehlers wurde nach der Wahl eine falsche Anzahl der Mandate veröffentlicht, wie die Landeswahlleitung mitteilte. Nach der Korrektur bekommen die Grünen und die SPD je einen Sitz mehr, die CDU und die AfD je einen Sitz weniger als zunächst angegeben. Durch die Neuberechnung verliert die zweitplatzierte AfD die sogenannte Sperrminorität im Land.
Quellen: dpa und AFP