Michael Kretschmer (im Hintergrund Sabine Zimmermann)
analyse

Landtagswahl in Sachsen Kretschmer gewinnt - und muss sich ändern

Stand: 02.09.2024 00:50 Uhr

In Sachsen kann nur Michael Kretschmer die AfD schlagen. Doch für eine wirkliche Veränderung im Land muss auch der Regierungschef sich ändern. Die AfD wird vor allem außerhalb des Landtags wirken.

Eine Analyse von Thomas Vorreyer

Wenn Michael Kretschmer zur Wahl steht, dann kann die CDU die AfD in Sachsen noch schlagen, wenn auch nur knapp. Seinen Görlitzer Wahlkreis hat Kretschmer zudem mit mehr als 47 Prozent gewonnen.

Sachsens Ministerpräsident steht weiter unangefochten an der Spitze seiner CDU und damit gilt sein Wort. Mit der AfD wird es keine Zusammenarbeit geben, "solange ich hier etwas zu sagen habe". Diesen Satz hat schon vor einem Jahr seinen Parteifreunden mitgegeben.

Es gibt nur eine Option

Einfach wird es für Kretschmer dennoch nicht. Vor fünf Jahren musste die CDU gegen AfD und Linke mit der SPD und den ungeliebten Grünen zusammengehen. In einem Landtag, in dem nun das Bündnis Sahra Wagenknecht sitzt - und dank der Grundmandatsklausel auch die unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallene Linke - hat diese Koalition aber keine Mehrheit mehr.

Die Grünen müssten wohl dem BSW weichen. Für die CDU wäre es besser gewesen, die Wahl zwischen beiden zu haben. Jetzt ist sie auf die neue Kraft angewiesen. Immerhin: Hinter den Kulissen ist beim BSW alles auf die CDU ausgerichtet.

Ein Politiker einer anderen Partei, der näher am Markenkern der Wagenknecht-Partei ist als Michael Kretschmer, wird sich im Land kaum finden lassen. Dass weiß auch Sahra Wagenknecht in Berlin.

Kretschmer reklamierte zuletzt gar für sich, viele kritische Positionen gegenüber der Russland- und Ukraine-Politik der Bundesregierung vor Sahra Wagenknecht in den Diskurs gebracht zu haben. Unbestritten ist: Diese Positionen sind in der sächsischen Bevölkerung populär.

Wie anders Politik in Sachsen tickt im Vergleich zu manch anderem Landesteil, zeigte sich auch im Wahlkampf. Da zeigten sich sowohl Michael Kretschmer als auch AfD-Oppositionsführer Jörg Urban offen für den Bau neuer Atomkraftwerke. Wohlgemerkt nicht irgendwo in Deutschland, sondern vor Ort in Sachsen. Kretschmer ging es allerdings um kleinere, neuere Atomkraftwerke. Für Aufregung sorgte die Debatte nicht mehr.

Durchatmen bei SPD, Grünen und Linken

Links der CDU gibt es nur wenig Licht. Die SPD kann zwar in etwa ihr Ergebnis von vor fünf Jahren halten. Das wirkt allerdings nur deshalb als Erfolg, weil ihr in Umfragen zwischenzeitlich der Rausschmiss drohte. Auch wenn die SPD in Dresden nur nach außen hin als berechenbarer Koalitionspartner gilt: Gegenüber den Grünen hatte sie wie auch in Thüringen den Vorteil, sich viel einfacher in Koalitionen einbinden zu lassen.

Eine große Mehrheit der Sachsen lehnt eine weitere Regierungsbeteiligung der Grünen direkt ab. Michael Kretschmer selbst hat monatelang erklärt, am liebsten ohne die Partei weiterregieren zu wollen - und den Koalitionspartner schon davor wiederholt öffentlich angegriffen. Die Grünen revanchierten sich bei jeder Gelegenheit, aber blieben.

Was Kretschmers Angriffe überdeckten: dass die Grünen in Sachsen ihren vielleicht pragmatischsten Ost-Landesverband haben. Beim Kohleausstieg in der Lausitz agieren die Brandenburger Grünen etwa viel dogmatischer.

Und doch retten nur die Großstädte Leipzig und Dresden die Partei nochmal in den Dresdner Landtag. Zwischen den Metropolen und dem Rest des Freistaates wirkt Sachsen zweigeteilt.

Im Landtag wird dank zweier Direktmandate eine Rumpftruppe der Linken sitzen. Auch hier rettet Leipzig einen ganzen Landesverband. Die Partei bekommt wie in Thüringen eine vielleicht letzte Chance, sich aufzurichten. Die einfachen Antworten, die die Linke einst gab, geben heute jedenfalls das BSW und die AfD.

Machtbasis der AfD ist nicht im Landtag

Die AfD ist in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft - und sie ist trotzdem Volkspartei. Der Zuspruch im Wahlkampf war teils riesig. Doch die Partei tritt auf der Stelle. Landeschef Jörg Urban kann noch so oft geheime Kontakte zu einem Teil der CDU behaupten. Solange es Michael Kretschmer gibt, bleibt der Weg zu einer Regierungsbeteiligung versperrt.

Die AfD dürfte sich deshalb nach der Enttäuschung des Wahlabends ihrer neuen Machtbasis zuwenden: den Kommunen. In mehreren Stadträten und Kreistagen sind mit dem Kommunalwahlen im Sommer die letzten Berührungsängste gegenüber der AfD verschwunden. In Großschirma wurde auch am Sonntagabend ein AfD-Politiker zum Bürgermeister gewählt. In Pirna regiert bereits ein von der Partei unterstützter Kandidat.

Der Klimawandel lässt sich in weiteren Zahlen ablesen: Rechtsmotivierte, rassistische und antisemitische Gewalt hat zuletzt in Sachsen zugenommen. Die hohen AfD-Werte dürften potenzielle Täter weiter bestärken.

Wie raus aus der schlechten Stimmung?

Auch der Wahlkampf war hart. Er war aggressiv und teils gewalttätig. Die Beratungsstelle "Support" hat Dutzende Übergriffe auf Politiker und Wahlhelfer dokumentiert. Die allgemeine Stimmung in Sachsen schwankt vielerorts zwischen Wut und Verunsicherung.

"Es gibt ein großes Misstrauen im Land. Es braucht einen anderen Politik-Stil." Das sagte Michael Kretschmer am Wahlabend - und meinte damit die Ampel in Berlin. Ein Ansatz dagegen könnte es sein, wenn die Methode Kretschmer nun auch um eine dauerhaft funktionierende Koalition ergänzt wird.