AfD-Klagen Recht auf Vorsitz in Bundestagsausschüssen?
Nach dem früher üblichen Zugriffsrecht hätte die AfD-Fraktion im Bundestag drei Vorsitze in Ausschüssen erhalten. Bei den Wahlen fielen die AfD-Kandidaten aber durch. Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht darüber.
Das ist in der Geschichte des Bundestages noch nie vorgekommen: Im November 2019 wurde der Vorsitzende des Rechtsausschusses, der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner, von den Mitgliedern seines Ausschusses abgewählt. Anlass waren mehrere Äußerungen des Politikers, die für die Mehrheit im Ausschuss nicht mit der Würde des Amtes vereinbar waren.
Zum Beispiel hatte Brandner das Bundesverdienstkreuz für den AfD-kritischen Sänger Udo Lindenberg als "Judaslohn" bezeichnet - ein Begriff, der als judenfeindliche Beschimpfung eine lange Tradition hat.
"Haben die Notbremse ziehen müssen"
In der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe im März berichteten andere Bundestagsabgeordnete, erste Zweifel an der Eignung von Brandner seien schon 2018 bei Treffen mit Juristenverbänden gekommen. Da habe Brandner vor allem über die Position der AfD zur Ehe für alle gesprochen, also im Wesentlichen Pläne seiner Partei dargelegt und keineswegs, wie es seine Aufgabe gewesen wäre, die Gesamtheit aller Ausschussmitglieder vertreten.
SPD-Politiker Johannes Fechner fasste damals Brandners Auftritte so zusammen: "Er hat zum einen statt dem Gebot der Mäßigung entsprechend und auf Kompromisse hin zu wirken, seine Aufgaben als Ausschussvorsitzender missbraucht - für Parteipolitik und für rechte Hetze. Das hat dazu geführt, dass wichtige Verbände in der Rechtspolitik sich abgewandt haben, und deswegen haben wir die Notbremse ziehen müssen, und haben die Abwahl durchgeführt."
Stefan Brandner sah das anders. Er argumentierte in Karlsruhe, dass seine Abwahl 2019 unzulässig gewesen sei, genauso wie Tatsache, dass mittlerweile über alle Ausschussvorsitzenden vom jeweiligen Bundestagsausschuss in geheimer Wahl abgestimmt wird. "Das gab es 60 Jahre lang nicht, wurde plötzlich eingeführt, und mangels zulässiger Wahl gab es deshalb schon aus unserer Sicht auch keine zulässige Abwahl. Und es kommt ja hinzu, dass die Abwahl in der Geschäftsordnung nicht geregelt ist."
AfD pocht auf Rechte auf gleichberechtigte Teilhabe
Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geht es nicht nur um die Abwahl Brandners, sondern auch darum, dass in drei anderen Ausschüssen AfD-Kandidaten keine Mehrheit für den Vorsitz bekamen.
Traditionell hätte die Fraktion nach dem früher üblichen Zugriffsrecht entsprechend ihrer Stärke drei Vorsitze erhalten. Aber da bei allen Ausschüssen inzwischen über die Vorsitzenden abgestimmt wird, bekam kein AfD-Kandidat den Posten. Die Fraktion macht geltend, ihre Rechte auf gleichberechtigte Teilhabe im Parlament seien verletzt worden. Es ergebe sich aus demokratischen Prinzipien, dass sie einen Ausschussvorsitz bekommen müssten.
Fechner hielt dem im März entgegen: "Jede Fraktion hat die Möglichkeit, Vorschläge zu machen entsprechend ihrem Stärkeverhältnis für bestimmte Ausschüsse, die ihr zustehen. Allerdings können wir natürlich nicht jeden blind wählen, der da vorgeschlagen wird." Sie müssten ja zum Beispiel auch bei verurteilten Straftätern Nein sagen dürfen.
Das Urteil wird heute um zehn Uhr verkündet. Da es zur Frage, wie Ausschussvorsitzende bestimmt werden, noch keine Entscheidungen des Gerichts gibt, wird es sicher wichtig für die Arbeit des Bundestages.