Bundeswehrtagung Scholz sichert dauerhaft höheren Verteidigungsetat zu
Die Bundesregierung will mehr in die Bundeswehr investieren - bis ins kommende Jahrzehnt hinein. Das versprach Kanzler Scholz bei der Bundeswehrtagung. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht, um die Truppe zu stärken, lehnte er ab.
Bei der Bundeswehrtagung hat Olaf Scholz der militärischen Führung der Truppe langfristig höhere Investitionen in die Verteidigung zugesichert. Erneut sprach der Bundeskanzler von einer "Zeitenwende", die die Notwendigkeit einer starken Bundeswehr verdeutlicht habe.
Bereits im kommenden Jahr werde Deutschland das mit der NATO vereinbarte Ziel erreichen, dass mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Verteidigungsetat fließen. Und dieses Quorum werde die Bundesregierung "dauerhaft" erfüllen. Scholz betonte:
Wir werden dauerhaft diese zwei Prozent gewährleisten, die ganzen 20er-Jahre über, die 30er-Jahre. Das sage ich sehr bewusst, weil natürlich manches, was man jetzt vielleicht bestellt, geliefert wird in den 30er-Jahren.
"Unsere Friedensordnung ist in Gefahr"
"Niemand kann heute mehr ernsthaft in Zweifel ziehen, worum wir uns in Deutschland lange herumgedrückt haben, nämlich, dass wir eine schlagkräftige Bundeswehr brauchen", sagte Scholz in Berlin. Die weltpolitische Lage mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den Angriffen der Terrororganisation Hamas gegen Israel zeige, wie wichtig eine gut aufgestellte Truppe sei, so der Kanzler. "Unsere Friedensordnung ist in Gefahr", warnte Scholz.
Bereits wenige Monate nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hatte der Bundestag ein Sondervermögen für die Bundeswehr über 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Laut Scholz werden zwei Drittel dieser Summe bis Ende des Jahres für Rüstungsaufträge vertraglich gebunden sein. Bis dahin würden voraussichtlich 50 Beschaffungsvorhaben durch den Haushaltsausschuss des Bundestages gehen.
Das Sondervermögen sei aber nur ein erster Schritt gewesen, betonte Scholz. Um das Zwei-Prozent-Ziel langfristig erfüllen zu können, müssten pro Jahr mehr als 20 Milliarden Euro zusätzlich in den Verteidigungsetat fließen.
"Schwerfälligkeiten" überwinden
Doch Scholz mahnte auch, Geld sei nicht alles. Es müssten auch "organisatorische und bürokratische Schwerfälligkeiten" überwunden werden, "die die Truppe seit Jahren ausbremsen". Immer wieder waren das hohe Maß an Bürokratie und die Mängel bei der Ausrüstung der Bundeswehr kritisiert worden - etwa von der Wehrbeauftragten der Bundesregierung, Eva Högl, selbst. Auch in ihrem Jahresbericht für 2022 über den Zustand der Truppe hatte sie auf die teils "marode" Lage hingewiesen.
Doch neben fehlender Ausrüstung kämpft die Bundeswehr auch mit Personalproblemen. Derzeit gehören der Truppe knapp 181.000 Soldatinnen und Soldaten an. 2020 hatte die damalige Bundesregierung festgelegt, dass diese Zahl bis 2027 auf mindestens 203.000 steigen soll. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Donnerstag auf der Bundeswehrtagung eingeräumt, dass geprüft werde, ob dieses Ziel noch zu halten sei.
Scholz gegen Rückkehr zur Wehrpflicht
Einer Rückkehr zur Wehrpflicht steht Scholz trotz der personellen Lücken skeptisch gegenüber. Er sei zwar "sehr überrascht" gewesen, als diese 2011 ausgesetzt worden sei. Doch mittlerweile gebe es eine neue Struktur der Streitkräfte ohne Wehrpflicht. Aus seiner Sicht sei es "keine gute Idee, das alles wieder rückabzuwickeln". Stattdessen solle auf einen "intensiveren Einsatz von Reservisten" gesetzt werden. Dies sei "jetzt die Aufgabe" und er habe "den Eindruck, dass das vorankommt", sagte der SPD-Politiker.
Kooperationen in NATO und EU
Verteidigungsminister Pistorius hatte in seiner Rede auf der Bundeswehrtagung die Richtlinien für den künftigen Kurs der Truppe vorgestellt. Den Fokus legte er dabei auf die Fähigkeit der Truppe, das eigene Land sowie Verbündete zu verteidigen.
Scholz verwies in Zusammenhang mit der Verteidigungsfähigkeit der Truppe auf die Kooperation mit anderen Ländern. So betonte er, dass sich der von Deutschland infolge des Angriffskrieges gegen die Ukraine angestoßene European Sky Shield Initiative bislang 19 NATO-Staaten angeschlossen hätten. Diese Initiative sei ein zentrales Element für die Sicherheit Deutschlands und Europas und könne Ausgangspunkt für eine noch viel engere Rüstungskooperation in der EU sein, betonte der Kanzler.
Für eine gemeinsame Verteidigung habe Deutschland in Zusammenarbeit mit Frankreich und Spanien das Luftabwehrsystem Future Combat Air System, kurz FCAS, vorangebracht. Die beim Projekt entwickelten Kampfflugzeuge sollen ab 2040 etwa den Eurofighter teils ersetzen. Auch die Kooperation mit Frankreich zur Entwicklung des Kampfpanzers MGCS solle weiter vorangetrieben werden.
CDU wirft Bundesregierung Versäumnisse vor
Bereits nach der Vorstellung der Richtlinien für die Bundeswehr durch Pistorius hatte die CDU der Bundesregierung erneut vorgeworfen, zu wenig zu spät getan zu haben, um die Truppe zu stärken. Im Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe brachte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter das Szenario eines Sieges Russlands über die Ukraine ins Spiel.
In einem solchen Fall stünde das russische Militär an den NATO-Grenzen und ein Kampfeinsatz für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werde wahrscheinlicher. "Der Faktor Zeit ist dann abgelaufen und eine bislang weder ausgestattete noch kampffähige Bundeswehr wird dann ohne angeworfene Rüstungsindustrie, ohne Finanzierung und ohne Wehrhaftigkeit kämpfen müssen", mahnte Kiesewetter. Und im Kanzleramt werde nichts getan, um ein solches Szenario zu verhindern.
Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul, gegenüber der "Stuttgarter Zeitung". Er forderte Bundesverteidigungsminister Pistorius auf, die "Hausaufgaben" zu erledigen, die er sich durch die Richtlinien für die Bundeswehr selbst aufgeben habe.