Pläne der Bundesregierung 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr
Die Bundeswehr soll 100 Milliarden Euro als Sondervermögen erhalten. Außerdem soll laut Kanzler Scholz künftig das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erfüllt werden. Verteidigungsministerin Lambrecht pocht zudem auf Bürokratieabbau.
Die Bundeswehr soll 100 Milliarden Euro als Sondervermögen für Investitionen und Rüstungsvorhaben erhalten. Das Geld werde mit dem Bundeshaushalt 2022 bereitgestellt, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Sondersitzung des Bundestages zum Ukraine-Krieg an. Zugleich sagte er zu, Deutschland werde "von nun an - Jahr für Jahr - mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren".
Die Bundeswehr brauche angesichts der Zeitenwende durch den russischen Angriff auf die Ukraine "neue, starke Fähigkeiten", sagte Scholz. Maßstab müsse sein, dass alles getan werde, was für die Sicherung des Friedens in Europa gebraucht werde. "Klar ist: Wir müssen deutlich mehr investieren in die Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen", sagte Scholz. Das Ziel sei eine leistungsfähige, hochmoderne und fortschrittliche Bundeswehr. Das werde viel Geld Kosten, müsse aber erreichbar sein "für ein Land unserer Größe und Bedeutung in Europa".
Auch der Bürokratieabbau ist wichtig
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bestätigte im "Bericht aus Berlin", dass sich hinsichtlich der Wehr- und Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik etwas verändern müsse. Deshalb sei sie dem Kanzler dankbar, "dass er auch diese klare Ansage heute gemacht hat. Das gibt uns jetzt auch den Spielraum, den wir dringend brauchen als Bundeswehr, um Beschaffungen vornehmen zu können", sagte sie.
Nach Darstellung Lambrechts ist das Geld wichtig, aber darüber hinaus gehe es auch um das Beschaffungswesen. Hier gebe es noch viel Spielraum. "Wenn es um die Landes- und die Bündnisverteidigung geht, müssen wir beim Vergaberecht Veränderungen vornehmen", erklärte die Ministerin. Hierüber habe sie heute direkt mit ihrem Kabinettskollegen, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), gesprochen, der für das Vergaberecht zuständig ist. Außerdem stellte Lambrecht in Aussicht, mehr Verantwortung direkt in die Truppe zu geben, damit dort künftig direkt Ausgaben getätigt werden können. "Das sind nur kleine Maßnahmen, aber sie werden helfen, dass schnell auch dort etwas ankommt, wo es sein muss: nämlich bei den Soldatinnen und Soldaten."
Sondervermögen im Grundgesetz verankern
Bundeskanzler Scholz beabsichtigt, das Sondervermögen für Investitionen in die Bundeswehr im Grundgesetz abzusichern. Er forderte alle Fraktionen des Bundestags auf, hierbei zu helfen. Die zusätzlichen Wehrausgaben seien bereits mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) abgestimmt. Lindner will den Haushalt für 2022 am 9. März dem Kabinett vorlegen.
Scholz betonte, die Anhebung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung passiere nicht nur, weil man es Alliierten versprochen habe. "Wir tun dies auch für uns, für unsere eigene Sicherheit." Eine solche Erhöhung des Wehretats hatte die Bundesregierung bisher abgelehnt. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine war in den vergangenen Tagen eine innenpolitische Debatte über einen Ausbau der Bundeswehr und die Erhöhung des Verteidigungsetats entbrannt.
Europäische Zusammenarbeit bei Aufrüstung
Bei der nun geplanten Aufrüstung setzt die Bundesregierung auf die Zusammenarbeit mit ihren Alliierten in EU und NATO. Scholz sagte, wichtig sei, dass Europa technologisch mithalte und die nächste Generation von Kampfflugzeugen und Panzern gemeinsam mit europäischen Partnern - und insbesondere mit Frankreich baue. "Diese Projekte haben oberste Priorität für uns", betonte der Kanzler.
Für die sogenannte nukleare Teilhabe werde die Regierung rechtzeitig einen modernen Ersatz für die veralteten Tornado-Jets beschaffen. Bis die Flugzeuge, die US-Atomwaffen im Konfliktfall ins Ziel bringen können, einsatzbereit seien, werde der Eurofighter weiterentwickelt. Scholz legte sich damit nicht fest, welches Flugzeug Deutschland als Tornado-Nachfolge beschaffen wird. "Der Eurofighter soll zur electronic warfare befähigt werden. Das Kampfflugzeug F-35 kommt als Trägerflugzeug in Betracht", sagte er nur.
Union kritisiert Sondervermögen
CDU und CSU im Bundestag sagten der Bundesregierung nach Scholz' Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg zwar ihre Unterstützung für den Kurs gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu. Gleichzeitig machte der Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz aber Einschränkungen bei Scholz' Vorschlag zum Sondervermögen für die Bundeswehr. Ein solches bedeute neue Schulden, sagte der CDU-Politiker. Deshalb müsse man über die Folgen für die nächste Generation reden.
Finanzminister Christian Lindner entgegnete darauf in seinem Redebeitrag, der laufende Betrieb der Bundeswehr müsse aus den normalen Haushalten unter Achtung der Schuldenbremse finanziert werden. Die jahrelange Vernachlässigung aber könne man so aber nicht korrigieren. Deshalb solle es das Sondervermögen - und damit auch neue Schulden - geben. Die Kredite seien in der aktuellen Weltlage eine Investition in die Freiheit, sagte Lindner.
Er rief die Union und die Bundesländer dazu auf, ihre Zustimmung zum Sondervermögen zu geben. Diese ist nötig, um es wie von der Regierung geplant im Grundgesetz zu verankern. SPD, Grünen und FDP fehlt allein die nötige Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes. Dort soll laut Lindner auch festgelegt werden, dass das Geld ausschließlich "für die Stärkung unserer Bündnisfähigkeit" gedacht sei. "Wir werden nicht danach fragen, wer die Verantwortung für den Zustand der Bundeswehr hat", versprach Lindner. Er erwarte aber, dass die Union das Vorhaben unterstütze.
"Grundfesten außenpolitischen Handelns neu ziehen"
Außenministerin Annalena Baerbock ging in ihrer Rede nicht direkt auf das Sondervermögen ein. "Wenn unsere Welt eine andere ist, dann muss auch unsere Politik eine andere sein", sagte die Grünen-Politikerin und verteidigte die Entscheidung, nun doch Waffen an die Ukraine zu liefern. Putins Krieg mache es nötig, "dass wir die Grundfesten unseres außenpolitischen Handels neu ziehen", sagte sie. Auch wenn es traurig sei, sei der Moment dafür jetzt da. Die Ministerin betonte: "Wir tun das, weil es hier um Menschenleben geht. Wir tun das, weil unsere internationale Ordnung auf dem Spiel steht. Wir tun dies mit Besonnenheit und aus Verantwortung um unseren Frieden in Europa."
Für die Grünen ist besonders die Unterstützung der Bundeswehr-Aufrüstung ein Sinneswandel. Teile der Partei sind aus der Friedensbewegung der 1980er-Jahre hervorgegangen - der Bruch mit pazifistischen Prinzipien dürfte an der Basis nicht unumstritten sein.
Linksfraktion kritisiert Aufrüstung
Die Linke im Bundestag machte klar, dass sie die massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben strikt ablehnt. "Dieses Hochrüsten, diese Militarisierung, die können und werden wir als Linke nicht mittragen", sagte Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. "Die Geschichte lehrt uns, dass Wettrüsten keine Sicherheit schafft." Nötig seien Abrüstung und Diplomatie.
Zugleich betonte die Vorsitzende der Linken im Bundestag, dass ihre Fraktion die Auffassung teile, dass Russland für einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verantwortlich sei.