Iran und Deutschland Auf der falschen Seite der Geschichte?
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel hat die Bundesregierung den Iran scharf kritisiert und das Land vor weiterer Einmischung gewarnt. Was bedeutet das für das Atomabkommen mit dem Regime in Teheran?
Der Iran steht auf der falschen Seite der Geschichte, bescheinigt die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock dem Land bereits Ende vergangenen Jahres nach der Gewalt gegen Demonstranten. Mit den Massakern der Hamas in Israel rückt der Iran jetzt erneut als Hintermann des Terrors in den Blick, sagte auch Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung zu Israel.
Ohne iranische Unterstützung in den vergangenen Jahren wäre die Hamas zu diesen präzedenzlosen Angriffen auf israelisches Territorium nicht fähig gewesen. Die jubelnden Äußerungen an der Spitze des iranischen Regimes und manch anderer Regierungsvertreter in der Region sind abscheulich.
Iranische Atomwaffen verhindern
Die Bundesregierung ist im außenpolitischen Dilemma. Einerseits scharfe Worte und Sanktionen, andererseits will man den Iran weiter davon abhalten, eigene Atomwaffen zu bauen, sagt der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin. "Es ist ja keine schöne Vorstellung zu glauben, dass man einen Terrorförderer hat wie den Iran, der in der Lage ist, militärische Angriffe zurückzuweisen und abzuschrecken, weil er über Atomwaffen verfügt."
Jürgen Trittin, Außenpolitischer Sprecher B9o/Grüne, zur deutschen Position und gegen Antisemitismus
Iranische Atomwaffen zu verhindern - genau das war das Ziel der Nuklearvereinbarung. Die unterzeichneten 2015 Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die USA, Russland und China mit dem Iran. Der sollte sein Atomprogramm begrenzen, dafür wurden im Gegenzug Sanktionen gelockert.
Drei Jahre später aber stiegen die USA unter Trump aus. Auch der Iran fühlt sich schon seit Jahren nicht mehr an das Abkommen gebunden und reichert zunehmend Uran an, sodass es fast schon waffenfähig ist. Hinzu kommen die verheerende Menschenrechtslage und nun auch noch der Krieg im Nahen Osten.
Die Partner von damals sind heute keine mehr
Das Abkommen sei gescheitert, urteilt Trittin, auch noch aus anderen Gründen: Die Partner von damals seien heute keine mehr, allen voran Russland. "Russland ist heute auf den Iran angewiesen, für den Import bestimmter Technologien. Das ist eine Waffenbrüderschaft."
Für das Auswärtige Amt verweist Sprecher Sebastian Fischer auf umfassende Sanktionen gegen den Iran, auch wegen der Menschenrechtsverletzungen. Fischer warnt das Land angesichts der jüngsten Kontakte zum Chef der Hamas: "Jeder, der in dieser Situation mit dem Feuer spielt, Öl ins Feuer gießt oder auf andere Art und Weise zündelt, sollte sich das wirklich gut überlegen, weil wir hier möglicherweise vor einer großen regionalen Auseinandersetzung stehen."
Kiesewetter fordert Kurswechsel
Grünen-Politiker Trittin wirbt für Diplomatie über die Bande der Nachbarstaaten - mit Saudi-Arabien, mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ähnlich sieht das SPD-Co-Chef Lars Klingbeil. "Der politische Druck auf den Iran muss jetzt hochgefahren werden, ungeachtet dessen, was man vor ein paar Jahren an politischer Annäherung an den Iran versucht hat."
CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter kritisiert das Festhalten am Nuklearabkommen nicht. Ähnlich wie Trittin hält er das aber spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine für erledigt. Er fordert jetzt einen Kurswechsel. In jedem Fall müsse man die Zivilgesellschaft im Iran stärken. Die sei in Teilen hochgebildet und wolle überhaupt nichts mehr mit dem System zu tun haben.
Kiesewetter zieht nach all den Jahren des Nuklearabkommens und dem sich nur widerwillig beteiligenden Iran eine bittere Bilanz. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Iran zu einer nicht-erklärten Nuklearmacht wird - und damit das Gefüge im Nahen und Mittleren Osten durcheinanderbringen wird. Weil dann auch die Gefahr besteht, dass Saudi-Arabien oder auch die Türkei und Ägypten zu Nuklearwaffen drängen."