Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner
analyse

Ampelkoalition nach den Wahlen Die neue Normalität?

Stand: 02.09.2024 16:34 Uhr

Aus miesen Umfragewerten sind für SPD, Grüne und FDP in Sachsen und Thüringen schlechte Wahlergebnisse geworden. Geht es jetzt immer so weiter? Zumindest der Bundeskanzler gibt sich gelassen.

Eine Analyse von Torben Ostermann, ARD-Hauptstadtstudio

Im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale in Berlin-Kreuzberg, tritt Co-Chefin Saskia Esken vor die Kameras. Begleitet wird sie von den beiden Spitzenkandidaten aus Thüringen und Sachsen. Die Stimmung ist anders, als es das einstellige Ergebnis vermuten ließe. Man habe sich zwar mehr erhofft, sei aber trotzdem froh, den Wiedereinzug in die Landtage geschafft zu haben.

Was aber zieht die SPD aus dem Ergebnis? Schließlich stehen im kommenden Jahr Bundestagswahlen an. Esken sagt, ihre Partei müsse deutlich machen, dass diese Regierung von der SPD geführt werde. Sie glaubt offensichtlich, dass also vor allem die Kommunikation verbessert werden muss. Dann stimmen auch die Ergebnisse irgendwann wieder.

Es passt zu dem, was auch Bundeskanzler Olaf Scholz denkt und gelegentlich erklärt: Ruhig bleiben, die Politik besser erklären und dann wird das schon irgendwie.

Besonders nervös muss die FDP sein

Nur wenige Kilometer entfernt tritt fast zeitgleich FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner auf, auch er in Begleitung der beiden Spitzenkandidaten aus den Ländern. Von der Idee, die Politik der Ampel in Zukunft besser zu erklären, hält er erkennbar wenig. Lindner sagt, dass sich etwas ändern müsse. Grundsätzlich. Die Leute hätten "die Schnauze voll davon, dass dieser Staat möglicherweise die Kontrolle verloren hat bei Einwanderung und Asyl".

Die Wahlergebnisse aus Thüringen und Sachsen dürften das Klima innerhalb der Ampel weiter verschlechtern. Angesichts der miesen Werte wächst die Nervosität. Schließlich geht es hier nicht bloß um Zahlen. Jeder Prozentpunkt weniger bedeutet weniger Mandate und damit am Ende weniger Macht.

Besonders nervös muss die FDP sein - schließlich konnten die Liberalen gerade einmal ein Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen. Zwar gibt es nach wie vor Einzelne, die dem Bündnis etwas abgewinnen können. Aber es gibt eben auch Akteure wie das FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki, der das Ende der Ampelkoalition lieber heute als morgen feiern würde. Lindner widerspricht: "Wir stehen zu unseren gegebenen Worten und zum Koalitionsvertrag."

Das öffentliche Bild der Bundesregierung ist verheerend und längst auch in der internationalen Presse zum Gegenstand der Berichterstattung geworden. Vor allem die politischen Mitbewerber haben sich längst auf die Ampelkoalition eingeschossen. Sie sei "stehend k.o.", Scholz das "Gesicht des Scheiterns", Habeck der "schlechteste Wirtschaftsminister aller Zeiten", Lindners FDP bedeutungslos.

Bild: Umfrage, Landtagswahl Thüringen 2024, Zufriedenheit mit der Bundesregierung | Alle [unzufrieden] 82,0 ([zufrieden] 15,0) | SPD-Wählende [unzufrieden] 52,0 ([zufrieden] 46,0) | Linke-Wählende [unzufrieden] 69,0 ([zufrieden] 30,0) | CDU-Wählende [unzufrieden] 86,0 ([zufrieden] 13,0) | BSW-Wählende [unzufrieden] 91,0 ([zufrieden] 9,0) | AfD-Wählende [unzufrieden] 98,0 ([zufrieden] 1,0) | Infratest-dimap. 01.09.2024, 16:39 Uhr

Bild: Zufriedenheit mit der Bundesregierung

Wie gehen die Grünen mit der Niederlage um?

Vor allem die Grünen sind mittlerweile zum Lieblingsfeindbild avanciert. Kein Vegetarier- oder Gender-Kalauer, der noch nicht in irgendeinem Bierzelt zum Besten gegeben wurde. In Sachsen gelang der Partei der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gerade noch so. In Thüringen ist sie raus.

Wie gehen die Grünen nun mit dem schlechten Abschneiden um? Nur besser erklären reiche nicht aus, sagt Ricarda Lang, die Co-Chefin der Partei. Offensichtlich sei es auch ihrer Partei nicht gelungen, den Menschen in unsicheren Zeiten Stabilität zu geben. Wesentlich konkreter wurde sie auch auf Nachfrage nicht.

Bild: Umfrage, Landtagswahl Sachsen 2024, Zufriedenheit mit der Bundesregierung | Alle [unzufrieden] 81,0 ([zufrieden] 16,0) | SPD-Wählende [unzufrieden] 50,0 ([zufrieden] 49,0) | Grünen-Wählende [unzufrieden] 50,0 ([zufrieden] 47,0) | CDU-Wählende [unzufrieden] 77,0 ([zufrieden] 23,0) | BSW-Wählende [unzufrieden] 95,0 ([zufrieden] 4,0) | AfD-Wählende [unzufrieden] 98,0 ([zufrieden] 1,0) | Infratest-dimap. 01.09.2024, 16:36 Uhr

Bild: Zufriedenheit mit der Bundesregierung

Die neue Normalität?

Drei Ampel-Parteien, drei schlechte Ergebnisse. Es ist schon sehr viel Optimismus nötig, um zu glauben, dass sich die drei nun "zusammenreißen", wie es nach den vergangenen Wahlen immer wieder beschworen wurde. Es gibt weder Anzeichen noch Gründe dafür, dass künftig weniger gestritten oder verzögert wird.

Das Dreier-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP hat deutlich gemacht, wie schwierig es ist, in lagerübergreifenden Konstellationen zu regieren. Der Bundeskanzler jedenfalls glaubt, dass solche Koalitionen die neue Normalität sind. Vielleicht auch mit Blick auf einen möglichen Nachfolger im Kanzleramt sagte er kürzlich, die Zeiten, in denen eine große Partei mit einer kleineren regiere, seien erst einmal vorbei.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 02. September 2024 um 16:00 Uhr.