Kabinettsklausur Ampelkoalition hofft auf "Geist von Meseberg"
Dauerstreit, schlechte Umfragewerte und eine schwächelnde Wirtschaft: All dem will die Ampel bei der Kabinettsklausur in Meseberg etwas entgegensetzen. Kann das gelingen?
Schloss Meseberg in Brandenburg ist reich an architektonischen Schmuckstücken. Eines davon ist im Barockgarten des Anwesens zu finden: ein Pavillon mit dem Namen "Maison de Plaisir", Haus des Vergnügens. Ob es aber beim zweitägigen Klausurtreffen der Ampelregierung wirklich vergnüglich zugehen wird, ist fraglich. Die politische Lage dürfte den Regierungspartnern eher Sorgenfalten auf die Stirn treiben - jedenfalls dann, wenn die Kameras aus sind.
Denn der Start nach der parlamentarischen Sommerpause vor zwei Wochen ist der Ampel gründlich misslungen. Eigentlich wollte die Koalition da schon den monatelangen Streit ums Heizungsgesetz vergessen machen - und mit Arbeit in der Sache punkten.
Doch dann kam das anfängliche Veto von Familienministerin Lisa Paus gegen Pläne von Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, Unternehmensinvestitionen zu erleichtern. Die Grünen-Politikerin wollte so mehr für ihr Lieblingsprojekt einer Kindergrundsicherung herausholen, sorgte aber dafür, dass die Koalition auch am Ende des Sommers zunächst ein Bild der Zerstrittenheit bot.
Habeck: "Auf Dauer kein Erfolgsgeheimnis"
Entsprechend ernüchtert reagierte etwa Wirtschaftsminister Robert Habeck auf das neuerliche Gezerre. "Wir versauen es uns permanent selbst", beklagte der Grünen-Politiker vor Kurzem im ZDF-Interview. "Und das ist natürlich auf Dauer kein Erfolgsgeheimnis."
Eine Erkenntnis, die sich auch aus den Umfragewerten für die Ampel ableiten lässt: Wie der ARD-Deutschlandtrend vom Monatsbeginn zeigt, sind 78 Prozent der Befragten weniger, beziehungsweise gar nicht mit der Bundesregierung zufrieden.
Zur Halbzeit der Wahlperiode hätten SPD, Grüne und FDP keine Mehrheit im Bundestag, wenn jetzt wieder eine Wahl anstünde. Und von den Kabinettsmitgliedern auf der Beliebtheitsliste des ARD-Deutschlandtrends wird nur Verteidigungsminister Boris Pistorius überwiegend positiv beurteilt. Mit Blick auf alle anderen abgefragten Kabinettsmitglieder überwiegt die Unzufriedenheit. Das schließt Kanzler Olaf Scholz ein, der mit 31 Prozent den niedrigsten Zustimmungswert seit seinem Amtsantritt verbucht.
Rund ein Dutzend Gesetzentwürfe im Kabinett
Dabei ist es nicht so, dass die Ampel vor lauter Streit die Arbeit eingestellt hätte. Immer wieder verweisen Koalitionsvertreter darauf, dass im Winter die befürchtete Gasmangellage dank des Eingreifens der Regierung ausgeblieben sei, dass die Ampel deutlich mehr Tempo beim Ökostromausbau mache als die Vorgängerregierungen und dass die Koalition im vergangenen Jahr das größte Modernisierungsprogramm in der Geschichte der Bundeswehr angestoßen habe.
Auch in jüngster Zeit war die Ampelregierung nicht untätig: Rund ein Dutzend Gesetzentwürfe sind seit dem Ende der Sommerpause durchs Kabinett gegangen - darunter eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, Pläne zum verstärkten Ausbau von Solaranlagen und ein Entwurf für die kommunale Wärmeplanung, die das geplante Heizungsgesetz ergänzen soll. Zudem macht es die Streitbeilegung in Sachen Kindergrundsicherung wahrscheinlicher, dass die Kabinettsklausur an diesem Dienstag und Mittwoch zumindest die von der Ampel gewünschten Bilder der Geschlossenheit liefern wird.
Schon als Paus und Lindner die Einigung zu dem sozialpolitischen Milliardenprojekt vorstellten, waren beide erkennbar darum bemüht, einen gelösten Eindruck zu machen. Auf die Frage, ob damit der Weg für das Wachstumschancengesetz des Finanzministers frei sei, erwiderte dieser launig, das könne nur Paus beantworten. Woraufhin die Grünenpolitikerin nach einem kurzen Lacher feststellte, die Antwort könne im Gegenteil nur Lindner liefern. Was er dann auch tat: Der Gesetzentwurf werde in Meseberg beschlossen, so der FDP-Chef.
Künstliche Intelligenz und Entbürokratisierung
Außerdem beschäftigen sich die Kabinettsmitglieder bei der Klausur mit den Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz. Dazu sind Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft eingeladen.
Justizminister Marco Buschmann will Eckpunkte für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz vorlegen. Die Bundesregierung wolle den Verwaltungsaufwand für Unternehmen "spürbar senken" und werde dazu bei der Klausur des Kabinetts Beschlüsse fassen, versprach Buschmann vor wenigen Tagen.
Kurz vor dem Klausurtreffen im Gästehaus der Bundesregierung hat sich die Ausgangslage für die Ampel also etwas verbessert. Doch angesichts einer lahmenden Konjunktur sind die Erwartungen von Wirtschaftsverbänden hoch. Deshalb stellte Lindner am Montag vorsichtshalber klar, das geplante Wachstumschancengesetz mit den darin enthaltenen Investitionsanreizen sei lediglich ein Baustein. Eigentlich wären aus seiner Sicht auch breite Steuersenkungen für Unternehmen nötig, aber ein solcher Schritt habe keine Mehrheit im Regierungslager. "Also machen wir das, was möglich ist."
Damit erinnert Lindner an einen Aspekt, der in der Debatte über die Ampel-Performance gelegentlich aus dem Blick gerät: Es handelt sich um ein Dreierbündnis, noch dazu um ein lagerübergreifendes. Wer in Zeitungsarchiven nach Artikeln aus der Zeit der Großen Koalition sucht, wird auch dort Hinweise auf langanhaltende Konflikte finden. Mit der Ampelkoalition setzt also nicht zum ersten Mal eine Regierung auf den sprichwörtlichen "Geist von Meseberg", der Harmonie und Einigkeit befördern möge. Und es dürfte auch nicht die letzte sein, die ein Treffen in dem Barockschloss mit dieser Hoffnung verbindet.