Ausschuss zur Ahrtal-Flut Zwei Rücktritte - und viele offene Fragen
Nach 42 Sitzungen hat der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal die Beweisaufnahme beendet. Was bleibt - außer zwei Rücktritten und schweren Vorwürfen gegen Verantwortliche?
42 Sitzungen, 6700 Seiten Protokoll, 227 Zeugen und 20 Sachverständige: Das ist die Bilanz des Untersuchungsausschusses zur Ahrtal-Flut in Zahlen. Nach anderthalb Jahren hat der Ausschuss die öffentliche Beweisaufnahme nun beendet. Er hatte im Oktober 2021, wenige Monate nach der Flutkatastrophe, seine Arbeit aufgenommen, um mögliche Fehlentscheidungen und Pflichtverletzungen aufzuklären. 134 Menschen kamen allein im Ahrtal durch die Flut am 14. und 15. Juli 2021 ums Leben.
Versagen vor Ort
Schwere Vorwürfe waren schon kurz nach der Katastrophe laut geworden. Der damalige Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), habe frühzeitige Warnungen vor Rekord-Pegelständen viel zu spät weitergegeben, den Katastrophenfall erst um 23 Uhr ausgerufen - da waren bereits Häuser von den Wassermassen mitgerissen.
Pföhler ließ sich kurz darauf beurlauben, wurde am 31. Oktober 2021 in den Ruhestand versetzt. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts auf fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung, vor dem Untersuchungsausschuss verweigerte der Ex-Landrat die Aussage. Die Ermittlungen sollen nach Angaben des zuständigen Oberstaatsanwalts Mario Mannweiler aus Koblenz im Sommer oder Herbst abgeschlossen werden.
Landesregierung unter Druck
Auch hochrangige Politiker gerieten unter Druck. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), ihr für den Katastrophenschutz zuständiger Innenminister Roger Lewentz (SPD) und die damalige Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) mussten in den Zeugenstand. Spiegel war nur zehn Tage nach der Flut zu einem vierwöchigen Familienurlaub aufgebrochen. Monate später kam das heraus. Spiegel, die inzwischen Bundesfamilienministerin war, musste im April 2022 zurücktreten.
Auch Minister Lewentz verkündete ein halbes Jahr später seinen Rücktritt. Hintergrund waren Videoaufnahmen und der Einsatzbericht der Hubschrauberpiloten aus der Unglücksnacht, die das Ausmaß der Katastrophe zeigten. Lewentz sagte im Ausschuss, er könne auf diesen Bildern keine Katastrophe erkennen, was für große Empörung sorgte.
Der Druck auf ihn wurde aber vor allem übermächtig, weil die Bilder dem Ausschuss erst mit großer Verspätung vorgelegt wurden. Auch die Ministerpräsidentin selbst stand unter Druck - auf eine Entschuldigung ihrerseits warten die Betroffenen im Ahrtal bis heute.
Unterschiedliche politische Bewertung
Was bleibt am Ende des bislang größten Untersuchungsausschusses in der rheinland-pfälzischen Geschichte? Die politische Bewertung fällt unterschiedlich aus. Die Regierungsfraktionen der Ampel sehen die Hauptverantwortung für die Versäumnisse beim ehemaligen Landrat, bei dem die Einsatzleitung lag. Dagegen wirft die Opposition, allen voran die CDU, in erster Linie der Landesregierung Versagen vor.
Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun stellt dem Ausschuss insgesamt ein gutes Zeugnis aus. "Die Gespräche waren häufig von Sachlichkeit geprägt und sind den Dingen auf den Grund gegangen. Es war vergleichsweise wenig parteipolitische Polemik erkennbar."
Auch die Regierungsfraktionen hätten "mitgearbeitet und nicht erkennbar versucht, die Arbeit zu behindern". Auch die Mängel des Katastrophenschutzes seien deutlich aufgedeckt worden. Als Lehre daraus stellt Rheinland-Pfalz den Katastrophenschutz neu auf.
Politische Beobachter zeigen sich vor allem enttäuscht von Ministerpräsidentin Dreyer. Es sei erschreckend, wie ahnungslos die Landesregierung war, sagt SWR-Landeskorrespondent Matthias Zahn. "Dreyer will in der Flutnacht nichts von den dramatischen Entwicklungen gewusst haben. Sie verließ sich allein auf ihre Minister. Für eine Ministerpräsidentin ist das zu wenig." Umso höher sei die Leistung der vielen ehrenamtlichen Einsatzkräfte zu bewerten. "Anders als die verantwortlichen Politiker sind sie in der Flutnacht über sich hinausgewachsen und haben Übermenschliches geleistet. Auch das ist im Untersuchungsausschuss eindrucksvoll deutlich geworden."
Wie geht es weiter?
Mit dem Ende der Beweisaufnahme ist die Arbeit noch nicht beendet. Bis zur Sommerpause wird der Bericht des Ausschussvorsitzenden erstellt, der dann an die Fraktionen und die Ausschussmitglieder geht. Bis Ende des Jahres dürfte der Abschlussbericht vorliegen - zweieinhalb Jahre nach der Flutkatastrophe.