Brücken im Ahrtal Zwischen Neubau und Denkmalschutz
Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat rund 100 Brücken zerstört oder beschädigt, auch viele der historischen Bogenbrücken. Sie sind nicht hochwassersicher, aber oft denkmalgeschützt. Eine schwierige Abwägung.
Nicole Marzi und ihr Kollege stehen an der Abrisskante der Ahrtorbrücke in Ahrweiler. Von der alten Brücke ist nicht viel übriggeblieben: Ein Fahrbahnrest endet abrupt, dahinter geht es steil nach unten Richtung Ahr. Durch die Flutkatastrophe vor anderthalb Jahren wurde die Brücke so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden musste. Eine Behelfsbrücke des Technischen Hilfswerks verhindert ein Verkehrschaos. Denn 10.000 Fahrzeuge fahren allein hier täglich über die Ahr.
"Nach der Flutkatastrophe gab es hier im gesamten Stadtgebiet überhaupt nur noch ein Brückenbauwerk, das befahren werden konnte", erklärt Bauingenieurin Marzi. "Und da lief alles an Verkehr hinüber, was die Ahr queren musste." Das führte damals zu vielen Staus. Die Behelfsbrücke wurde knapp zweieinhalb Monate nach der Flut für den Verkehr frei gegeben. Sie verschafft den Brückenplanern die nötige Zeit für einen Neubau, eine Dauerlösung aber ist sie nicht. Baubeginn für die neue Brücke soll im nächsten Jahr sein.
Wiederaufbau wird Jahre dauern
Rund 100 Brücken sind im Ahrtal durch die Flutkatastrophe im Sommer 2021 beschädigt oder ganz zerstört worden. Deren Wiederaufbau verantwortet Nicole Marzi vom Landesbetrieb Mobilität, der zuständigen Behörde in Rheinland-Pfalz. Sie selbst spricht von einer riesigen Aufgabe. Es werde ein Marathonlauf, keine Kurzstrecke, antwortet Marzi auf die Frage, ob es eher zwei, fünf oder zehn Jahre dauern werde, bis der Wiederaufbau der Brücken beendet ist. "Zwei Jahre sind auf jeden Fall zu wenig, aber für den Rest kann man eigentlich nichts Konkretes sagen." Es hänge von zu vielen Faktoren ab. Die Menschen im Ahrtal müssten Geduld haben.
Eine der vielen Baustellen von Marzi und ihrem Team: eine Brücke in der Verbandsgemeinde Altenahr, im Ortsteil Liers. Hier steht noch nicht fest, ob die alte Brücke saniert werden wird oder eine neue gebaut werden muss. Die Brücke ist auch im oberen Teil der Brüstungsmauern stark beschädigt, also rund fünf Meter über dem Flusslauf. "Man kann es sich zwar jetzt kaum vorstellen, aber die Wassermassen waren so gewaltig, dass das Wasser auch oben über die Brücke hinübergeströmt ist", erklärt Marzi.
Die alten Brücken waren oftmals zu niedrig, Treibgut konnte sich verkeilen und das Hochwasser zusätzlich aufstauen.
Was tun mit historischen Brücken?
Die historischen Bogenbrücken prägen bislang das Ahrtal, doch sie haben die Flutkatastrophe an vielen Stellen noch verschlimmert, zum Beispiel die historische Brücke in Ahrbrück aus dem Jahr 1892: Sie hat eine niedrige Höhe, viele Pfeiler und kleine Bögen. In der Flutnacht hat sich hier Treibgut verkeilt - entwurzelte Bäume und alles andere, was die Ahr mitgerissen hat. "Die Folge war, dass sich die Brücke total zugesetzt und ein Wehr gebildet hat, so dass kein Wasser mehr durchfließen konnte", erklärt Marzi. Das Wasser konnte sich dort zu einer Flutwelle stauen, die dann für große Zerstörung gesorgt hat.
In der unmittelbaren Umgebung der Brücke kamen in der Flutnacht sieben Menschen ums Leben. Nun soll die historische Brücke, die unter Denkmalschutz steht, abgerissen werden. Für die Landrätin im Kreis Ahrweiler ist das eine klare Entscheidung für den Schutz der Menschen in der Region: "Es gibt Gründe des Allgemeinwohls, also sprich: Menschenleben zu schützen. Die überwiegen den Denkmalschutz. Denen kann auch nicht anders abgeholfen werden, als eine Abrissgenehmigung zu erteilen", erklärt Cornelia Weigand.
Der Ortsbürgermeister von Ahrbrück fordert nun eine hochwassersichere Brücke für seine Gemeinde. "Hier sind Häuser weggeschwommen mit schreienden Menschen auf dem Dach", sagt Walter Radermacher rückblickend. "Wir wollen eine Brücke, die nicht diese Stauwirkung darstellt und die Menschen in Panik verfallen lässt."
Es gibt auch historische Brücken im Ahrtal, die ganz problemlos erhalten werden können, wie hier am Ortseingang von Altenahr
Besser ohne wuchtige Pfeiler
Bauingenieurin Marzi und ihre Kollegen vom Projektbüro "Wiederaufbau im Ahrtal" arbeiten an Brücken, von denen auch bei extremem Hochwasser keine Gefahr ausgehen sollen. "Wichtig für uns ist, dass die Fehler, die vorher bei den Bauwerken gemacht wurden, nicht wiederholt werden."
Sie meint zum Beispiel die wuchtigen Pfeiler der bisherigen alten Brücken, die bei Hochwasser eine große Angriffsfläche bieten. "Wir versuchen auf Pfeiler zu verzichten, wo es möglich ist. Und die Brücken möglichst höher auszubilden, um der Ahr mehr Raum zu geben, dass das Wasser besser durchfließen kann." Aber auch Aussehen und Wiedererkennungswert der Brücken im Ahrtal sollen eine Rolle spielen. Und so überlegen die Brückenbauer, ob Verkleidungen mit Natursteinen zumindest in bestimmten Bereichen der neuen Brücken möglich sind.
Es gibt auch historische Brücken im Ahrtal, die ganz problemlos erhalten werden können. Die Brücke für Fußgänger und Radfahrer am Ortseingang von Altenahr beispielsweise. Die sei mit zwölf Metern hoch genug, um künftig bei Hochwasser keine Gefahr darzustellen, ist Marzi überzeugt.