DWD zu Extremwetter Mehr Wetterdaten - mehr Schutz?
Der Deutsche Wetterdienst will künftig Unwetter mit zusätzlichen Daten besser erfassen. Das allein reicht jedoch nicht, um Katastrophen wie im Ahrtal zu verhindern. Bei der Gefahrenabwehr spielen mehrere Faktoren eine Rolle.
Welche Folgen Starkregen haben kann, wurde durch die Sturzflut im Ahrtal 2021 deutlich: Mehr als 9000 Gebäude wurden beschädigt oder zerstört, mindestens 17.000 Menschen verloren ihr Hab und Gut. 134 Menschen kamen ums Leben.
Es verwundert also nicht, wenn Tobias Fuchs, Leiter der Bereiches Klima und Umwelt beim Deutschen Wetterdienst, exemplarisch von der Ahr-Katastrophe spricht, um die Gefahren von Starkregen aufzuzeigen. Bei der "Klimapressekonferenz" des Wetterdienstes warnte Fuchs aber auch vor kleineren Unwettern. Denn das statistische Netz, das die Unwetter mit Messstationen am Boden erfasst, hat Lücken.
1400 zusätzliche Messstationen
Der DWD verlässt sich dabei hauptsächlich auf 2000 eigene Stationen. Aber: "Gerade oft mit Sturzfluten verbundene kleinräumige und kurzlebige Starkregenereignisse können zwischen den Stationen durchrutschen", sagte Fuchs. Für die neueste Version seiner Starkregenstatistik hat der Wetterdienst 1400 zusätzliche Messstationen integriert. Die stammen überwiegend von Partnern, etwa Landesämtern. Das damit entstandene neue Bild spiegele eher die realen Verhältnisse wider, erläuterte Fuchs.
Die Erkenntnisse des DWD sind zum Beispiel für die Wasserwirtschaft von Bedeutung - auch im Ahrtal. "Diese statistischen Daten sind wichtig, um neue Kanalnetze zu bemessen", sagte Joachim Gerke, Abteilungsleiter bei der SGD Nord. Die rheinland-pfälzische Behörde befasst sich etwa mit dem Wiederaufbau von Abwassersystemen im Ahrtal. Bei der Instandsetzung dort, etwa des Kanalnetzes in Bad Neuenahr-Ahrweiler, werden die DWD-Daten angewendet.
Zeigt die Statistik, dass in einer bestimmten Region häufiger Starkregen auftritt, müssten also auch die Kanäle größer dimensioniert sein. Doch in der Praxis stößt das an Grenzen, wie Gerke schilderte. "Kanalnetze sind generell ausgelegt auf Unwetter, wie sie einmal im Jahr bis alle fünf Jahre auftreten." Eine Anpassung an massiven Starkregen sei kaum möglich: "Das ist dann nicht mehr bezahlbar, und man kriegt die Rohre nicht mehr in die Straße."
Das Dorf Schuld im Kreis Ahrweiler nach dem Unwetter und Hochwasser im Sommer 2021.
Mehr freie Flächen, weniger Bebauung
Mit den Kanalsystemen allein sei es ohnehin nicht getan, sagte Gerke weiter: Denn die Erkenntnisse zu den Niederschlägen wirken sich zudem auf die Stadtplanung aus. Auch hier müsse man sich besser auf Unwetter einstellen. "Wenn die Leistungsfähigkeit der Kanalnetze erschöpft ist, muss man sich überlegen, wohin das Wasser fließt." Das Wasser brauche dann Plätze, um versickern zu können. Unter dem Stichwort "Schwammstadt" sei das Thema in der Stadtplanung angekommen, in der Vergangenheit aber vernachlässigt worden. Auch an der Ahr heiße das konkret: mehr freie Flächen, weniger Bebauung, so Gerke.
Das Thema dürfte noch viele Kommunen, nicht nur entlang der Ahr, beschäftigen. In den kommenden Jahren müsse in ganz Deutschland mit mehr Starkregen aufgrund des Klimawandels gerechnet werden, sagte Fuchs bei der DWD-Konferenz. Um Unwetter noch besser statistisch zu erfassen, soll das Netz aus Bodenstationen mit Radardaten kombiniert werden. Werden diese Daten noch mit demografischen und geografischen Daten kombiniert, ließen sich etwa Risikokarten für Gebiete in Deutschland erstellen.
Doch sich bei der Risikobewertung allein auf die Betrachtung von vergangenen Starkregenereignissen zu verlassen, ist ein Fehler. Das habe auch die Katastrophe im Ahrtal gezeigt, sagte der Bonner Hydrologe Thomas Roggenkamp, der sich wissenschaftlich mit den Ausmaßen der Flut im Jahr 2021 auseinandergesetzt hat.
Risiko durch Bäche
Für die Flut spielen Bäche, die in die Ahr münden, eine entscheidende Rolle. "Vor der Flut 2021 wurden die südlichen Bäche als Verursacher für die Ahrfluten ausgemacht", sagte Roggenkamp. Dort waren deswegen in der Vergangenheit Pegel angebracht worden. Im Jahr 2021 hätten allerdings vor allem die Zuflüsse nördlich der Ahr den Fluss anschwellen lassen - ohne, dass es hier Pegelstandmessungen gab, die die Gefahr hätten ankündigen können.
Neben dem genauen Ort des Niederschlags kommt es auch auf andere Faktoren an: die Landschaftsausprägung beispielsweise, aber auch die Bauwerke. Bei der Flut an der Ahr wurden etwa die Brücken mit ihren engen Durchlässen regelrecht zu Staudämmen, wie Roggenkamp erklärte. An den Brücken hatte sich Treibgut verkeilt.
Ein "Naturgefahrenportal" ist in Arbeit
Für die Gefahrenabwehr sind zudem verlässliche Niederschlagsvorhersagen nötig. Vor dem Flut-Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags sagten mehrere Meteorologen, dass die Wettermodelle extremen Starkregen in der Ahrregion angezeigt hätten. Es sei Stunden vor der Flut klar gewesen, dass es ein Wetterereignis extremen Ausmaßes geben werde, sagte der Karlsruher Meteorologe Bernhard Mühr. Die Behörden hätten allerdings den Handlungsdruck, der aus den Wetterwarnungen hervorging, nicht erkannt. Zu spät wurde evakuiert.
Der Deutsche Wetterdienst arbeitet in der Folge derzeit mit anderen Beteiligten an einem "Naturgefahrenportal", in dem sich alle Bürger informieren können. Hier sollten "Informationen für aktuelle Warnungen als auch für längerfristige präventive Planungen" zusammengeführt werden, erklärte DWD-Vorstand Fuchs. Wie das dann genau funktioniert, könnte noch dieses Jahr erläutert werden.