AfD-Umfragehoch Union macht Ampel Vorwürfe - SPD gesteht Fehler ein
Die Union sieht die Schuld für das AfD-Umfragehoch vor allem bei der Bundesregierung. Auch SPD-Chef Klingbeil räumte eine Mitverantwortung ein. Unsicherheit und Empörung seien aber keine Gründe, eine rechtsextreme Partei zu wählen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), macht die Regierungsparteien verantwortlich für das Umfragehoch der AfD. "Wenn schlechte Politik gemacht wird, und die kann vor allen Dingen eine Regierung machen, dann ist es ein Konjunkturprogramm für die politischen Ränder", sagte Frei im ARD-Morgenmagazin. Was die AfD an Prozentpunkten zulege, nehme die Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP ab.
In der Sonntagsfrage liegt die AfD im ARD-DeutschlandTrend bei 19 Prozent - ein Prozentpunkt mehr im Vergleich zur ersten Junihälfte. Es ist demnach der höchste Wert, den die AfD im DeutschlandTrend bisher erreicht hat. In anderen Umfragen liegt die Partei zumeist zwischen 18 und 20 Prozent. Im DeutschlandTrend erreicht sie zwei Prozentpunkte mehr als die SPD mit 17 Prozent. Die Union hält den Spitzenplatz mit unverändert 29 Prozent.
Der Höhenflug der AfD sei ein Signal der Menschen, dass sie mit der Politik in Berlin absolut unzufrieden seien, sagte Frei. Das müsse man konstatieren und es sei ein Auftrag an alle. "Ich finde, dass unser ganzes demokratisch-rechtsstaatliches System da ein Stück weit unter Druck steht."
Merz rückt von AfD-Halbierung ab
Auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sieht die Verantwortung bei der Politik der Ampelkoalition. Zugleich rückte er von seiner 2019 gemachten Aussage ab, er traue sich zu, als CDU-Chef die Wählerschaft der AfD halbieren zu können. "Wenn die Politik der Bundesregierung die AfD jetzt eher wieder stärkt, dann kann die Opposition sie nicht halbieren", sagte er dem Portal t-online. Teile der Regierung würden die Stimmung in der Bevölkerung nicht mehr richtig wahrnehmen und hätten "den Kontakt zur Bevölkerung weitgehend verloren".
Zu seiner Aussage, die Wählerschaft der AfD halbieren zu können, sagte Merz nun: "Eine 'Zauberformel' war das nie, sondern eine Einschätzung vor vier Jahren." Er fügte hinzu: "Ich wiederhole meine Formulierung des Jahres 2019 heute nicht mehr." Seinen Anspruch habe er damals unter völlig anderen Umständen formuliert - und seit vier Jahren nicht mehr wiederholt.
Merz sieht eine "eindeutige Korrelation" zwischen Erfolg und Misserfolg einer Regierung und dem Erstarken oder der Schwächung von politischen Rändern. "Und der politische Rand ist zurzeit eben überwiegend rechts-nationalistisch", sagte der CDU-Chef. Er wolle der AfD einen "klaren Kurs mit Maß und Mitte" entgegenhalten.
Klingbeil macht Ampelstreit mitverantwortlich
Für SPD-Chef Lars Klingbeil ist der Streit innerhalb der Ampelkoalition mitverantwortlich für das AfD-Hoch. "Das ist ein Ausdruck dessen, dass die Menschen verunsichert sind, dass sie besorgt sind, uns auch ein Signal geben wollen. Und natürlich hat der wochenlange Streit in der Ampel damit auch zu tun", sagte er im Frühstart von RTL/ntv. "Wir haben Unsicherheiten verstärkt, und wir haben mit dem öffentlichen Bild dafür gesorgt, dass sich Menschen von uns abgewandt haben."
Unsicherheit und Empörung über die Politik in Berlin seien aber keine Gründe, eine rechtsextreme Partei zu wählen, sagte Klingbeil. "Das ist kein Ausdruck von Protest, wenn man auf einmal Rechtsextreme wählt, das sind Dinge, die kann man dann nicht mehr schnell korrigieren", warnte er. Jeder müsse sich bewusst machen, dass die AfD Deutschland schade. Sie sei eine "inhaltlich leere Partei" ohne Ideen für Rente oder Klima, die zudem suggeriere, dass alles bleiben könne, wie es ist. Deutschland müsse sich aber verändern, damit es ein starkes Land bleibe und besser werde.
"Man will den Ärger, die Unzufriedenheit abladen"
Besorgt zeigt sich wiederum der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, über die große Zustimmung für die AfD in Ostdeutschland. "Die Unzufriedenheit mit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung manifestiert sich dort tatsächlich stärker als im Westen", sagte Klein der Nachrichtenagentur dpa. Die Geschichte zeige, dass gesellschaftliche Unzufriedenheit häufig auch Gradmesser für Antisemitismus sei.
"Man will den Ärger, die Unzufriedenheit abladen", sagte Klein. "Selbst wenn das nicht direkt judenfeindlich ist, sind diese Erklärungsmuster im Kern immer antisemitisch." Die Menschen suchten nach Schuldigen. "Da gibt es einen direkten Zusammenhang. Das erklärt auch die Sorge der jüdischen Gemeinden bei dem Thema." Die Politik müsse dies ernst nehmen.