Zehn Jahre AfD Zunehmend radikal
Zehn Jahre nach ihrer Gründung hat sich die AfD im deutschen Parteiensystem etabliert. Von den einstigen Gründern ist kaum noch jemand da. Inhaltlich ist die Partei immer weiter nach rechts gerückt.
Ein Schlüsselmoment bei der Entstehung der AfD war der 25. März 2010. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte in Brüssel einem EU-Rettungspaket für Griechenland zu und sagte später im Bundestag: "Die zu beschließenden Hilfen für Griechenland sind alternativlos, um die Finanzstabilität des Euro-Gebietes zu sichern."
Der Begriff "alternativlos" wird Monate später zum Unwort des Jahres gewählt. Aus Protest gegen die Eurorettungspolitik gründete sich am 6. Februar 2013 im hessischen Oberursel die "Alternative für Deutschland".
Gruppe von Euro-Kritikern
Es begann als Zusammenschluss verschiedenster Akteure, hervorgegangen aus einer Gruppe von Euro-Kritikern wie dem Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke. Doch zur AfD kamen auch viele Überläufer aus bürgerlichen Parteien, die sich zum Beispiel in der Merkel-CDU nicht mehr vertreten fühlten.
Einer der prominentesten wird Alexander Gauland, der nach dem erstmaligen Einzug der AfD in den Bundestag 2017 unter dem tosenden Applaus seiner Mitstreiter ankündigte: "Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen." Die Partei war bei der Bundestagswahl mit 12,6 Prozent drittstärkste Kraft geworden. Mit Bildung der Großen Koalition 2018 wurde die AfD stärkste Oppositionspartei im Bundestag.
Gauland ist inzwischen Ehrenvorsitzender der AfD.
Kernthema Migration
Von der Anti-Euro-Partei AfD war von diesem Zeitpunkt an kaum noch etwas übrig: Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015 trat die AfD vor allem als rechtspopulistische Partei auf. In der Flüchtlingspolitik fand sie auch ihr Kernthema. Mit dem Fokus auf das Thema Migration und durch Veränderungen in ihrer Mitgliedschaft rückte die Partei über die Jahre Stück für Stück weiter nach rechts.
Der Einfluss des Rechtsaußen-Lagers wuchs. Treibende Kraft waren die Landesverbände in den ostdeutschen Bundesländern, die bis heute deutlich stärkere Wahlergebnisse holen als die AfD-Verbände im Westen. An der Spitze des völkisch-nationalen "Flügels": der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke. 2017 forderte er eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" und sprach unter Anspielung auf das Berliner Holocaust-Mahnmal von einem "Denkmal der Schande".
Höcke fühlte sich später missverstanden. Der Verfassungsschutz aber führt ihn inzwischen als Rechtsextremisten. Ein Beschluss des Bundesvorstands, ihn aus der AfD auszuschließen, blieb folgenlos.
Höcke und der "Flügel"
Höcke ist auch heute noch da - viele andere nicht. Dem parteiinternen Machtkampf zwischen den verschiedenen Lagern fielen im Laufe der Jahre kontinuierlich AfD-Vorsitzende zum Opfer: Bernd Lucke, Frauke Petry - und dann auch Jörg Meuthen, der den Kampf gegen die Radikalen in der AfD erst spät aufnahm und den "Flügel" offiziell auflösen ließ. Seine Rück- und Austrittserklärung verband Meuthen im Januar 2022 mit bitteren Vorwürfen. Die AfD habe inzwischen "ganz klar totalitäre Anklänge", Teile der Partei stünden "nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung".
Ein Jahr nach seinem Rückzug sagte Meuthen rückblickend: "Ich hätte nicht gedacht - und darin habe ich geirrt - dass der 'Flügel' diese Dominanz jemals würde erreichen können. Und wer immer jetzt an der Parteispitze herumturnt: Er tut es von Höckes Gnaden."
Gemeint sind Alice Weidel und Tino Chrupalla. Die Partei- und Fraktionschefs zeigen sich mit der heutigen Lage der AfD zufrieden. Nach dem Ende der Corona-Pandemie setzt die Partei nun verstärkt auf soziale Themen wie die gestiegenen Energiepreise, schlägt dabei jedoch auch russlandfreundliche Töne an.
Punkten kann sie damit laut ARD-DeutschlandTrend vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. In Sachsen und Thüringen war die AfD bereits bei der vergangenen Bundestagswahl stärkste Kraft geworden, bundesweit steht sie zurzeit stabil bei 15 Prozent.
Mitregieren in Ostdeutschland?
Dass die gesamte Partei inzwischen als rechtsextremer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz beobachtet wird, scheint ihre Stammwählerschaft nicht zu stören. AfD-Bundessprecher Chrupalla sieht dazu ohnehin keine Veranlassung: "Ich kann den Verfassungsschutz nur selbst zu unseren Veranstaltungen einladen. Er soll sich die AfD genau anschauen, dann wird er feststellen, dass es dort nichts Anti-Demokratisches gibt."
"Nichts Anti-Demokratisches": AfD -Co-Chef Tino Chrupalla
Chrupalla und Weidel haben schon das nächste Ziel im Blick: eine Regierungsbeteiligung im Osten Deutschlands. 2024 wird in Sachsen, Brandenburg und Thüringen gewählt.
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder von der Universität Kassel sieht dafür aber keine Chance: "Weil dafür sowohl das Personal fehlt wie auch die Mentalität und die Haltung zu unserem Grundgesetz und vor allem zur pluralen und kompromissorientierten Demokratie." Vielmehr dürften gute Wahlergebnisse der AfD dazu führen, dass sich Mehrparteien-Koalitionen stabilisierten.
Zum zehnten Jahrestag ihres Bestehens hat sich die AfD in der deutschen Parteienlandschaft etabliert. Sie sitzt in fast allen Landesparlamenten und im Bundestag, und weder Umfrage- noch Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass sie auf absehbare Zeit wieder verschwinden wird.