Ein verheiratetes lesbisches Paar spielt mit seinem Sohn ein Spiel.

Abstammungsrecht Wie Elternschaft geregelt werden soll

Stand: 16.01.2024 14:59 Uhr

Schritt für Schritt geht das Bundesjustizministerium eine Reform des Familienrechts an. Nach Vorschlägen zum Unterhaltsrecht im Sommer folgen nun Eckpunkte zur Frage der rechtlichen Elternschaft. Ein Überblick.

Von Claudia Kornmeier, ARD-Hauptstadtstudio

Das deutsche Abstammungsrecht soll zeitgemäßer werden - der Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches also, der festlegt, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind. Traditionell gilt: Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat. Vater ist der Mann, der mit ihr verheiratet ist.

"Für die meisten Menschen gehört verliebt, verlobt, verheiratet, Familiengründung und bis an das Lebensende zusammenbleiben immer noch dazu", sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann. "Es gibt aber auch andere Wege im Leben." Paare, die ohne Trauschein Kinder erziehen, homosexuelle Paare mit Kinderwunsch. Kinder, die im Wege der Samenspende gezeugt werden.

"Für alle diese Wege zum Glück und für alle diese familienrechtlichen Situationen muss das Recht zeitgemäße Antworten liefern", so der FDP-Politiker. Das Bundesjustizministerium legt deshalb nun ein Eckpunktepapier mit einer Reihe einzelner Vorschläge vor.

Familienministerin Lisa Paus signalisierte bereits Zustimmung. "Die Gesellschaft hat sich verändert, das Recht hingegen nicht. Daher ist es gut, das Recht endlich den gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen", sagte die Grünen-Politikerin dem ARD-Hauptstadtstudio.

Vereinfachung für lesbische Paare

Danach könnte künftig gelten: Bekommt eine Frau in einer lesbischen Ehe ein Kind, soll ihre Frau automatisch ebenfalls Mutter sein. Ist das Paar nicht verheiratet, soll die Partnerin das Kind einfach anerkennen können - so wie es ein männlicher Partner tun könnte. Bislang müssen Frauen in einer lesbischen Beziehung das Kind adoptieren, was rechtlich komplizierter ist.

Für schwule Paare wird es eine entsprechende Regelung nicht geben, da in schwule Partnerschaften kein Kind hineingeboren werden kann und es bei den Grundsätzen des geltenden Abstammungsrechts bleiben soll: Die Frau, die das Kind gebärt, ist stets die Mutter des Kindes. Außerdem gilt das Zwei-Eltern-Prinzip: Ein Kind soll nicht mehr als zwei rechtliche Elternteile haben.

"Bewährte Grundsätze"

An diesen "bewährten Grundsätzen" wolle man festhalten, betont das Bundesjustizministerium. Mehrfach. "Niemand muss Angst haben, dass hier eine Revolution stattfindet. Sondern wir entwickeln das Familienrecht so fort, dass es der veränderten sozialen Wirklichkeit besser und praktischer gerecht wird", so Buschmann.

Mehr als zwei rechtliche Elternteile werden Kinder also auch künftig nicht haben können - auch nicht in Regenbogen- oder Patchworkfamilien. Allerdings: Eltern sollen bis zu zwei weiteren Erwachsenen sorgerechtliche Befugnisse oder ein Umgangsrecht einräumen können. Das können zum Beispiel die Großeltern oder Partner der rechtlichen Eltern sein und soll Alltagssituationen vereinfachen - etwa, wenn die Oma das Kind zum Arzt bringt und eine kleinere Behandlung nötig wird.

Elternschaftsvereinbarungen

Außerdem sollen sogenannte Elternschaftsvereinbarungen eingeführt werden - Vereinbarungen, in denen vorab festgelegt werden kann, wer neben der Frau, die das Kind gebären wird, Elternteil wird.

Relevant können solche Vereinbarungen etwa in Fällen privater Samenspenden sein, wenn bereits vor der Zeugung des Kindes klar ist, dass der Samenspender keine Verantwortung für das Kind übernehmen und diese direkt an den Partner oder die Partnerin der Mutter abgeben will.

Per Elternschaftsvereinbarung sollen in solchen Fällen "frühzeitig klare Verhältnisse" geschaffen werden - wegen der weitreichenden Folgen öffentlich beurkundet von einem Notar oder einem Urkundsbeamten des Jugend- oder Standesamts.

Kindschaftsrecht

Geplant ist außerdem eine Reform des Kindschaftsrechts. Dabei geht es etwa um eine gesetzliche Regelung des sogenannten Wechselmodells, also wenn Kinder nach einer Trennung durch beide Elternteile im Wechsel betreut werden.

Weitere Aspekte: Betroffene sollen besser vor häuslicher Gewalt geschützt werden. Und Paare, die nicht verheiratet sind, sollen gemeinsam ein Kind adoptieren können. Das ist bisher nicht möglich.

Wie es weitergeht

All das sind bisher nur Vorschläge des Bundesjustizministeriums, das nun Rückmeldungen dazu sammeln und auf dieser Basis noch im ersten Halbjahr 2024 einen Gesetzentwurf ausarbeiten will. Dabei müsse auch noch geklärt werden, wie die Reform von Behörden und Gerichten mit vertretbarem Aufwand umgesetzt werden könne.

Was noch fehlt

Die Vorschläge sind Teil der Reform des Familienrechts, die sich die Ampel im Koalitionsvertrag vorgenommen hatte - aus Sicht des Bundesjustizministers insgesamt "die größte Familienrechtsreform der letzten Jahrzehnte".

Dazu zählte auch die Einführung einer sogenannten Verantwortungsgemeinschaft. Die Idee dahinter: Menschen sollen jenseits einer Liebesbeziehung oder einer Ehe Verantwortung füreinander übernehmen können. Vorschläge dazu stehen noch aus.

Bereits im Sommer hatte Buschmann Eckpunkte für Änderungen im Unterhaltsrecht vorgelegt. Dabei geht es darum, bei der Höhe der Unterhaltspflicht nach einer Trennung stärker zu berücksichtigen, wie viel Betreuung der zahlende Elternteil übernimmt. Nach dem geltenden Recht macht es finanziell kaum einen Unterschied, ob man sich an einem oder an drei Tagen in der Woche um das Kind kümmert.

Alleinerziehenden-Verbände hatten das Vorhaben zunächst heftig kritisiert. Sie befürchten eine finanzielle Benachteiligung von Müttern, die sich nach wie vor hauptsächlich um die Kinder kümmern.

Bianca Schwarz, ARD Berlin, tagesschau, 16.01.2024 14:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 16. Januar 2024 um 14:42 Uhr.