Ostermärsche und Ukraine-Krieg "Riss durch die Friedensbewegung"
Seit mehr als 60 Jahren demonstrieren Aktivisten an Ostern für Frieden. Aber seit dem russischen Angriff ist die Bewegung gespalten. Und Experten warnen vor einer Unterwanderung durch Rechtsextreme.
Seit mehr als 40 Jahren demonstriert Laura von Wimmersperg an Ostern - gegen Atomwaffen, gegen Kriege und für Frieden. Die Berlinerin hat im Herbst 1980 das Netzwerk "Friedenskoordination Berlin" mitgegründet und die ersten Ostermärsche in der Stadt initiiert.
"In keiner Zeit war der Ostermarsch so wichtig wie in diesem Jahr", sagt die 88-Jährige heute. "Die Gefahr, Kriege zu führen und damit unterzugehen, ist größer geworden." Doch dem Parteimitglied der Linken ist auch bewusst, dass der Krieg gegen die Ukraine spaltet: "Es gibt einen Riss durch die Friedensbewegung."
Gegendemonstrationen angekündigt
3000 Demonstrierende haben die Veranstalter des traditionellen Ostermarsches laut Polizei allein in Berlin für heute angemeldet. "Den Frieden gewinnen - nicht den Krieg", so lautet ihr Motto bundesweit.
Aber in der Hauptstadt will sich der Verein "Gerade denken" zeitgleich an derselben Stelle versammeln. Die Initiatoren der Demonstration "Kritische Einordnung des Berliner Ostermarsches" bezeichnen sich in den sozialen Netzwerken als antipopulistisch und erklären, sie seien gegen rechte Politik und Verschwörungstheorien.
Veranstalter Christian Mast prophezeit, dass auf dem Ostermarsch Linke und DDR-Nostalgiker auf Antisemiten und Rechtsextreme stoßen werden. "Alle schwenken Friedensflaggen", meint Mast. Bereits im vergangenen Jahr waren konkurrierende Ostermärsche durch Berlin gezogen.
Waffenlieferungen umstritten
"Wir stehen an der Seite der Menschen, die Russland attackiert hat", erklärt Christopher Zabel von der Gruppe "For the Right to Resist - Linke Ukraine-Solidarität Berlin". Sie will sich heute dem Verein "Gerade denken" anschließen. "Die Ukrainer müssen in die Lage versetzt werden, sich mit Waffen zu verteidigen", sagt Zabel.
Den Standpunkt der Ostermarsch-Organisatoren bezeichnet er als egoistisch, da die Folgen des Krieges in Deutschland kleiner seien als in der Ukraine. "Innerhalb der Linkspartei gibt es heftige Auseinandersetzungen und einen großen Zwiespalt", sagt der Aktivist.
Ukrainer organisieren eigene Demonstration
Auch Grüne distanzieren sich vom Ostermarsch in Berlin. Die Parteimitgründerin Eva Quistorp hatte von 1981 bis 1983 Zehntausende Menschen für Friedensdemonstrationen in Bonn mobilisiert. Heute will die Theologin auf der Versammlung "Ohne Freiheit, kein Frieden" des Vereins Vitsche in Berlin sprechen - eines Zusammenschlusses junger Ukrainerinnen und Ukrainer, die in Deutschland leben.
"Ich fühle mich als Vertreterin der Friedensbewegung aus der Tradition verpflichtet, die jungen Ukrainerinnen gerade zu Ostern zu unterstützen", erklärt die frühere EU-Abgeordnete. "Die Ostermärsche sind nicht eindeutig solidarisch."
Vitsche-Sprecherin Krista-Marija Läbe kritisiert, leider gebe es bei dem traditionellen Ostermarsch keine Verurteilung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Das sei extrem zynisch, ergänzt die Deutsche mit ukrainischen Wurzeln.
Vitsche-Sprecherin Krista-Marija Läbe kritisiert die fehlende Verurteilung des russischen Angriffskriegs beim traditionellen Ostermarsch.
Organisatoren grenzen sich nicht klar von Russland ab
"Unser Land ist mit daran Schuld, dass es diesen Krieg gibt", sagt Ostermarsch-Organisatorin von Wimmersperg. "Man kann das den Russen nicht allein in die Schuhe schieben."
Die frühere Hauptschullehrerin aus Berlin-Wilmersdorf fordert, der Krieg in der Ukraine müsse mit Verhandlungen beendet werden und nicht mit Waffen: "Das ist doch völlig irrsinnig, wenn man sich überlegt, dass Waffen geliefert werden für den Frieden, und es sterben ständig Menschen, und das soll immer weitergehen?" Der Krieg belaste Deutsche auch sozial, findet die Aktivistin.
"Unser Land ist mit daran Schuld, dass es diesen Krieg gibt" - Ostermarsch-Organisatorin Laura von Wimmersperg.
Zeitenwende für die Friedensbewegung
Aktuell müsse sich die Friedensbewegung neu formieren, sagt der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, Andreas Zick. Traditionell seien für Ostermärsche linke und früher auch grüne Gruppen auf die Straße gegangen.
"Aber jetzt über die Corona-Proteste und auch über den Aufschwung des Rechtspopulismus und eine immer klarere prorussische Haltung kommen nun auch rechte Gruppen, und sie vereinnahmen solche Rituale, solche Traditionen." Das wird aus Sicht des Forschers zunehmend zum Problem für die Ostermarsch-Organisatoren.
"Die Gefahr, unterwandert zu werden, auch unter Einfluss zu stehen, ist in diesen Zeiten besonders hoch", sagt der Konfliktforscher. Denn auch Russland versuche durch den Informationskrieg und Kampagnen schon seit langem, die Friedensbewegung zu infiltrieren. "Und auch die Besetzung des Themas von rechter und rechtspopulistischer wie rechtsextremer Seite ist etwa eine besondere Herausforderung."
Ostermarsch-Organisatorin von Wimmersperg sagt hingegen: "Wir sind nicht völkisch, nicht nationalistisch." Menschen stehe aber nicht auf die Stirn geschrieben, ob sie die AfD wählten, argumentiert die 88-Jährige. "Wenn Leute aber nicht tolerierbare Plakate tragen, versuchen wir, sie auszuschließen."