Start der neuen Datenbank So funktioniert das Organspende-Register
Was bislang nur auf dem kleinen Organspendeausweis im Portemonnaie festgehalten war, soll von heute an in einer zentralen Datenbank gespeichert werden: Das Organspende-Register ist online. Wie funktioniert es und was sind die Vorteile?
In Deutschland warten tausende Kranke auf ein Spenderorgan. Die Bereitschaft zur Organspende ist hierzulande allerdings nicht besonders groß. Außerdem ist es häufig schwierig, den Spendewillen von plötzlich Verstorbenen herauszufinden. Helfen soll ein ein neues Online-Register, in dem sich potenzielle Spenderinnen und Spender registrieren können. Es ist seit heute freigeschaltet, unter www.organspende-register.de erreichbar und soll den Organspendeausweis in Papierform ergänzen.
Wie funktioniert das neue Register?
Die Einführung erfolgt schrittweise: Zunächst ist es möglich, eine Erklärung für oder gegen die Organspende mithilfe eines Personalausweises mit Online-Funktion und PIN (eID) zu hinterlegen. Zwischen Juli und September soll die Registrierung auch mittels einer Gesundheits-ID ermöglicht werden. Die können Versicherte von ihrer Krankenkasse bekommen. Vom 1. Juli an sollen die Krankenhäuser in der Lage sein, die Erklärungen abzurufen - und dann im medizinischen Ernstfall ein Organ zu transplantieren.
Der Eintrag ist freiwillig und kostenlos. Er kann jederzeit geändert oder widerrufen werden. Angesiedelt ist das Register beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Nach Angaben des Instituts werden die Daten sicher auf einem Server in Deutschland gespeichert. Abgerufen werden dürfen die Erklärungen nur von dafür berechtigten Mitarbeitenden der Krankenhäuser. Das Institut will jährlich die Zahl der im Organspende-Register erfassten Erklärungen veröffentlichen.
Wie konnte man bisher seine Spendenbereitschaft dokumentieren?
Bislang bekam jeder Krankenversicherte ab dem 16. Lebensjahr von seiner Krankenkasse regelmäßig Informationsmaterial, anhand dessen er sich für oder gegen eine Organ- und Gewebespende nach dem Hirntod entscheiden kann. Im Idealfall führt jeder ständig seinen Organspendeausweis mit sich, in dem seine aktuelle Haltung dokumentiert ist.
Welche Verbesserung soll das Register bringen?
Die bisher gebräuchlichen Organspendeausweise konnten verloren gehen oder im Notfall nicht auffindbar sein. Viele Kliniken machen zudem die Erfahrung, dass Menschen, die als Spender in Frage kommen, keine Festlegungen über ein Ja oder Nein zu einer Spende getroffen haben. Auch viele Angehörige fühlen sich in einem solchen Fall überfordert und entscheiden sich deshalb gegen eine Transplantation.
Das neue zentrale Register ist zu jeder Zeit verfügbar. Kommt eine Organspende in Betracht, kann das Personal im Krankenhaus rund um die Uhr darauf zugreifen und die Erklärung des potenziellen Spenders abrufen. Das Register soll auch die Angehörigen im Ernstfall von einer schweren Entscheidung über eine Organspende entlasten. Das Verzeichnis dokumentiert die Entscheidung und sorgt damit für Klarheit.
Bleibt der Organspendeausweis weiterhin gültig?
Um auch Menschen ohne Internetzugang oder Computer eine rechtssichere Dokumentation zu ermöglichen, bleibt auch der Organspendeausweis zukünftig gültig. Wer in der Vergangenheit einen Organspendeausweis ausgefüllt hat und seine Erklärung nun im digitalen Register registrieren möchte, sollte darauf achten, dass die Erklärungen übereinstimmen. Es gilt nach Darstellung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte immer die jüngste, aktuellste Erklärung. In jedem Fall bleibt es auch in Zukunft sinnvoll, mit den Angehörigen über seine persönliche Entscheidung zu sprechen.
Für Gewebespenden gibt es eigene Regelungen. Warum ist das so?
Die Gewebespende in Deutschland ist dezentral organisiert; es gibt viel mehr - auch außerklinische - Einrichtungen, die sich beteiligen. Für sie müssen erst organisatorische und rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden. Deshalb werden die behördlich zugelassenen Gewebeeinrichtungen bis zum 1. Januar 2025 an das Register angebunden.
Haben andere europäische Länder ähnliche Register?
Ähnliche Register gibt es in mehreren europäischen Ländern. In Dänemark wurde es 2010 eingeführt; bis Ende vergangenen Jahres waren dort 28 Prozent aller über 15-Jährigen registriert. Großbritannien führte bereits 1994 ein Organspende-Register ein, die Niederlande folgten 1998. Während in Großbritannien die Eintragung freiwillig ist, wurde sie in den Niederlanden verpflichtend. Eine britisch-niederländische Studie zeigte, dass sich nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung in das britische Register eintrug, während in den Niederlanden alle Personen registriert sind. Die Schweiz sperrte ihr Register aufgrund der Anfälligkeit für Hacker-Angriffe im Jahr 2022. Frühestens 2026 soll es einen neuen Versuch geben.
Hat es in diesen Ländern einen Anstieg der Spenderzahlen gegeben?
In der Schweiz hat es bis 2022 keinen Anstieg der Spenderzahlen gegeben. Franz Immer, Direktor der Schweizer nationalen Organspendeorganisation Swisstransplant, verweist zudem darauf, dass in einem freiwilligen Register die Zahl der Registrierungen immer niedrig geblieben ist. Auch in den Niederlanden stieg die Zahl der Spender laut Nachrichtenagentur KNA nicht nennenswert. Der Medizinische Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Axel Rahmel, bestätigt dies. Bislang gebe es in keinem Land, in dem so ein Register eingeführt ist, "einen Beleg dafür, dass das einen akuten oder Langzeiteffekt auf die Zahl der Organspenden hat".
Welche Kritik gibt es am neuen Register in Deutschland?
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert den komplizierten Zugang zum Register. Ursprünglich war geplant, dass Bürger auch über die Bürgerämter der Kommunen unbürokratisch Zugriff erhalten sollten. Diese einfache Handhabung scheitert allerdings an der fehlenden technischen Ausstattung der Ämter und der unklaren Finanzierung.
Unter Fachleuten besteht zudem die Skepsis, dass mit der Datenbank wie erhofft die Spenderzahlen steigen. So sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Thomas Schmitz-Rixen: "Nur, weil nun etwas in ein Register eingetragen werden kann, erklären sich nicht automatisch mehr Menschen zur Organspende bereit."
Aus Sicht Rahmels von der DSO ist das neue System dennoch "ein großer Zugewinn", denn in dem Register seien die Auskünfte schnell abrufbar und sicher gespeichert.
Wie groß ist der Bedarf an Spenderorganen?
Die Zahl der Menschen auf den Wartelisten für eine Transplantation liegt aktuell bei rund 8.400 - und übersteigt damit die Zahl der verfügbaren Organe um ein Vielfaches. Nach Angaben des europäischen Eurotransplant-Verbunds wird am häufigsten eine neue Niere benötigt - es betreffe derzeit 6.500 Menschen. Auf eine neue Leber warten demnach etwa 870 Menschen, 690 hoffen auf eine Herzspende.
Nach Zahlen der DSO haben im vergangenen Jahr 965 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Insgesamt seien 2.877 Organe transplantiert worden. Die Zahl stieg zwar im Vergleich zu 2022, im internationalen Vergleich liegt Deutschland aber weit zurück.
Mit Informationen von AFP, KNA und epd