Strukturen verbessert Weniger Organspender trotz Investitionen
In Deutschland sinkt die Zahl der Organspender weiter. Dabei wurde seit 2019 viel Geld investiert, um die Strukturen in den Kliniken zu verbessern. Ein Grundproblem wurde nicht angefasst.
Obwohl viel Geld zur Verbesserung der Strukturen investiert und finanzielle Anreize für Krankenhäuser gesetzt worden sind, sinkt die Zahl der Organspender in Deutschland weiter. 2022 hat es erneut einen Einbruch gegeben - von einem bereits niedrigen Niveau.
Damit sind die Überlebenschancen für schwer Kranke, die ein Spenderorgan benötigen, in der Bundesrepublik schlechter als etwa in Österreich, Spanien oder den USA. Insgesamt wurden in Deutschland im vergangenen Jahr nur 2662 Organe postmortal gespendet, es stehen aber rund 8500 Schwerkranke auf der Warteliste.
Fallpauschalen deutlich erhöht
Dabei hatte die Bundesregierung 2019 mit der zweiten Novelle des Transplantationsgesetzes die Fallpauschalen für die Entnahmekliniken deutlich erhöht - von zuvor 5310 Euro auf nun 19.752 Euro pro Entnahme-Operation, wie aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf Anfrage von MDR Investigativ hervorgeht. Insgesamt vervierfachte sich auch das Gesamtbudget "Aufwandserstattung Entnahmekrankenhäuser" von 6,3 Millionen Euro im Jahr 2019 auf mittlerweile gut 23 Millionen Euro (2022).
Des Weiteren wurde die Finanzierung für bessere Strukturen zur Organspende erhöht. Durch Screeningsysteme können nun infrage kommende Patienten besser erfasst werden und eine mögliche Organspende durch Transplantationsbeauftragte an den Kliniken zeitnah mit Angehörigen besprochen werden. Auch eine effektivere Vermittlung der Organe ist so möglich. Im Jahr 2018 hatte es dafür noch pauschal 18 Millionen Euro für alle 1200 Krankenhäuser gegeben. Nun sind jährlich mehr als 40 Millionen Euro eingeplant, wie das BMG mitteilt.
Widerspruchslösung in fast allen Nachbarländern
Dennoch: Im europäischen Vergleich rangiert Deutschland bei den Organspenden weit hinten. In Spanien spendeten 2021 pro einer Millionen Einwohner gut 40 Menschen. In Kroatien und Portugal waren es fast 30, in Österreich mehr als 20. In Deutschland waren es hingegen nur 11,2. Im Jahr 2022 waren es dann mit 10,3 noch einmal weniger.
Der Unterschied: In vielen Nachbarländern gilt die Widerspruchslösung. Das bedeutet: Jeder ist potenziell Organspender, außer er lehnt explizit ab. In Deutschland hingegen gilt die erweiterte Entscheidungslösung. Hier muss einer Organentnahme aktiv zugestimmt werden.
Viele finden Entscheidung schwierig
Das hat Folgen: So zeigt sich etwa laut einer nicht repräsentativen, aber gewichteten Befragung des Meinungsbarometers MDRfragt unter rund 24.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, dass sich 51 Prozent der Befragten schwer tun, eine Entscheidung zur Organspende für einen nahen Angehörigen zu treffen. Für sich selbst finden das nur 27 Prozent schwierig.
Ein weiterer Grund: In Deutschland gelten die weltweit strengsten Bedingungen für eine Organentnahme bei der Feststellung des Hirntods, wie die Transplantationsbeauftragte des Leipziger Universitätsklinikums, Svitlana Ziganshyna, erklärt. Hier kann eine Organspende nur im seltenen Fall eines Hirntods, nach zweifacher unabhängiger Bestätigung, erfolgen. In einigen anderen Ländern ist eine Organspende auch bei einem Herz-Kreislauftod möglich - damit wären mehr Organe verfügbar. Seit Jahren schon stirbt in Deutschland etwa jeder zehnte Patient, der auf der Warteliste für ein Spenderorgan steht.
Widerspruchslösung wird erneut debattiert
Neben der Novelle des Transplantationsgesetzes im Jahr 2019 sollte das "Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende" im Jahr 2022 die Zahl der Organspenden erhöhen. Im März des vergangenen Jahres sollte ein Onlineregister für eine freiwillige Registrierung starten. Dieses soll laut Antwort des BMG an MDR Investigativ nun erst 2024 kommen. Kostenpunkt: 16 Millionen Euro. Außerdem soll künftig noch mehr Geld bereitgestellt werden. So sind dann pro Jahr zusätzlich 20 Millionen Euro für Beratungsleistungen der Hausärzte eingeplant.
Allerdings: Laut Antwort des BMG könnten die schlechten Spenderzahlen seit 2020 auch teilweise auf die Corona-Pandemie und die enorme Belastung der Kliniken zurückzuführen sein. Ebenso nahmen medizinische Kontraindikationen aufgrund des gestiegenen Alters der potenziellen Spender zu. Das Bundesministerium analysiere derzeit sehr gründlich mögliche Ursachen dieser Situation.
Aufgrund der Einbrüche der Organspenden im Jahr 2022 flammt aktuell die Debatte um die Widerspruchslösung wieder auf - unter anderem durch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Vor drei Jahren hatte es diese Diskussion quer über alle Parteien schon einmal gegeben. Doch nach intensiven inhaltlichen Auseinandersetzungen fand die Entscheidungslösung eine Mehrheit, und es blieb beim Grundprinzip der freiwilligen Zustimmung. Dafür sollte die Organspende stärker beworben werden, wofür die Budgets erhöht worden waren.