Transplantationen rückläufig Lauterbach will Organspende neu regeln
Bundesgesundheitsminister Lauterbach spricht sich angesichts stark rückläufiger Zahlen von Organspenden für einen erneuten Reformversuch aus. Sein Ziel ist die Einführung der Widerspruchslösung.
Tausende Patienten in Deutschland warten auf lebensrettende Organe, doch zuletzt spendeten immer weniger Menschen nach dem Tod ihre Organe. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dringt darauf daher, die Organspendegesetze grundlegend zu reformieren.
"Das geltende Gesetz ist gescheitert", sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. Viele Menschen seien zwar zur Organspende bereit, dokumentierten das aber nicht. Deswegen solle der Bundestag einen erneuten Anlauf nehmen, um über die Widerspruchslösung abzustimmen. "Das sind wir denjenigen schuldig, die vergeblich auf Organspenden warten," sagte Lauterbach.
Reformversuche bisher gescheitert
Die Widerspruchslösung bedeutet, dass davon ausgegangenen wird, dass alle Menschen zunächst bereit sind, ihre Organe zu spenden - es sei denn, sie widersprechen dem ausdrücklich. Über die Widerspruchslösung war in der Vergangenheit schon im Bundestag debattiert worden, im Januar 2020 scheiterte die Reform aber. Das Parlament bliebt stattdessen bei der Regelung, dass Organspenden nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt bleiben.
Über zusätzliche Informations- und Aufklärungsangebote sollten Bürger aber dazu bewegt werden, sich für oder gegen eine Spende zu entscheiden und dies etwa in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung festzuhalten.
Zahl der Organspenden eingebrochen
Seit Jahren geht die Zahl der Spender und der transplantierten Organe aber deutlich zurück. 2022 gab es in Deutschland einen Rückgang bei den Spenderzahlen um 6,9 Prozent. Das gab die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) bekannt. Demnach haben im vergangenen Jahr 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet - 64 weniger als im Vorjahreszeitraum. Auf eine Million Einwohner kommen damit nur rund zehn Spender.
Die Anzahl der Organe, die Menschen nach ihrem Tod für eine Transplantation entnommen wurden, sank um 8,4 Prozent - von 2905 auf 2662 Organe. Diese werden an die Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet und können europaweit an Patienten vermittelt werden.
In Deutschland wurde vergangenes Jahr 2695 schwer kranken Patientinnen und Patienten durch ein oder mehrere Organe eine bessere Lebensqualität oder ein Weiterleben ermöglicht, im Jahr 2021 waren es noch 2853 Menschen.
Allerdings warten in Deutschland momentan rund 8500 Menschen auf ein rettendes Organ.
Hauptgrund für den Rückgang: Die Einwilligung fehlt
Die DSO nennt verschiedene Gründe für diese Entwicklung. Vor allem zu Beginn des vergangenen Jahres sorgten hohe Krankenstände beim Klinikpersonal durch die Corona-Pandemie für rund 30 Prozent weniger Organentnahmen und - transplantationen.
Auch der Fachkräftemangel spiele generell eine Rolle, erklärte der Medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel. Aber: "Der häufigste Grund, warum eine Organspende nicht erfolgt, ist die fehlende Einwilligung."
Die Hälfte der medizinisch möglichen Organspenden konnte demnach aufgrund von Ablehnungen nicht durchgeführt werden. Bei einem Viertel davon hatte die verstorbene Person eine Organentnahme schriftlich oder mündlich untersagt.
Meistens verhindern die Angehörigen eine Spende
Eine große Rolle spielen aber die Angehörigen, die bei einer fehlenden schriftlichen Einwilligung für die Verstorbenen entscheiden müssen. In 42 Prozent der Fälle vermuteten die Angehörigen laut DSO, dass die Toten eine Organentnahme abgelehnt hätten.
35 Prozent der Ablehnungen beruhten auf den eigenen Wertvorstellungen der Angehörigen, da ihnen nicht bekannt war, ob die verstorbene Person Organe spenden wollte oder nicht.
Rahmel beklagte, dass der Wille eines möglichen Organspenders oft gar nicht dokumentiert sei. "Angehörige entscheiden sich aus Unsicherheit aber häufig dagegen, da der Wille des Verstorbenen nicht bekannt ist," sagte Rahmel und forderte ebenfalls die Einführung der Widerspruchsregelung.
Kritik von Patientenschützern
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz ist gegen eine Gesetzesänderung. Der Bundestag habe 2020 alle ethischen Argumente intensiv diskutiert und mit Nein gestimmt, sagte Vorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur.
Brysch wirft Lauterbach vor, die damals vom Bundestag beschlossenen Initiativen zur Förderung der Organspende nicht umgesetzt zu haben. Geplant bis März 2022 war ein Online-Register, in dem man seine Spendenbereitschaft angeben kann. Diese Plattform wurde aber bisher noch nicht eingerichtet.