Tag der Organspende Warum es zu wenig Spender gibt
Tausende Menschen hoffen auf eine lebenswichtige Organtransplantation. Viele von ihnen vergeblich. Seit Jahren sucht die Politik nach Wegen, mehr Menschen zum Spenden zu motivieren.
Rund 8500 Menschen warten in Deutschland auf eine Organspende. Aber nicht alle von ihnen werden ein lebenswichtiges Organ bekommen. Im vergangen Jahr haben weniger als 900 Menschen ein oder mehrere Organe gespendet.
Wer etwa eine neue Niere braucht, wartet in Deutschland im Schnitt rund acht Jahre auf ein Spenderorgan und damit deutlich länger als in anderen europäischen Ländern. Die Wartezeit ist eine große Belastung für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Mediziner machen sich dafür stark, dass sich Menschen mit dem Thema Organspende auseinandersetzen.
Grundsätzliche Bereitschaft zur Spende
Einen Organspendeausweis oder einen Eintrag in der Patientenverfügung haben laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bislang rund 40 Prozent der Menschen. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation geht von einer geringeren Zahl aus.
Dabei zeigen Umfragen, dass deutlich mehr Menschen grundsätzlich bereit wären, ihre Organe zu spenden. Das Problem dabei: Diese Bereitschaft muss aber auch schriftlich festgehalten werden. Denn Organe dürfen nur entnommen werden, wenn die Person zu Lebzeiten aktiv zugestimmt hat oder Angehörige das nach ihrem Tod machen. In vielen Fällen wissen die Angehörigen aber nicht, ob die Verstorbenen ihre Organe spenden wollten.
Ein Tattoo als Symbol?
Das ist ein Grund für den Verein "Junge Helden" die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Ein Tattoo soll anzeigen, ob jemand Organspenderin oder Organspender sein will. Schon 300 Tattoo-Studios in Deutschland machen mit und stechen das Symbol kostenlos.
Einen Organspendeausweis kann das Tattoo rechtlich nicht ersetzen, aber eine Hilfestellung für Angehörige sein. Für die Vorsitzende des Vereins, Anna Barbara Sum, eignet sich ein Tattoo besonders gut, um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, weil häufig nach der Bedeutung des Organspende-Tattoos gefragt wird. "Wir wollen, dass das wieder am Familientisch, in der Öffentlichkeit, im Freundeskreis besprochen wird", sagt Sum.
Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland knapp 900 Organspender.
Widerspruchslösung ohne Mehrheit
Auch der Bundestag hat jahrelang darüber diskutiert, wie mehr Menschen zur Organspende bewegt werden können. Eine Idee war, die sogenannte Widerspruchslösung einzuführen. Das bedeutet: Alle sind erstmal Organspender oder Organspenderin, es sei denn sie widersprechen ausdrücklich. So machen es viele europäische Länder wie Spanien, Österreich oder die Niederlande, wo im Verhältnis mehr Menschen ihre Organe spenden.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach macht sich schon seit Jahren für die Widerspruchslösung stark, die im Bundestag aber bislang keine Mehrheit gefunden hat. Zunächst hatte Lauterbach als Bundesgesundheitsminister einen neuen Anlauf unternehmen wollen, um die Widerspruchslösung gesetzlich zu verankern. Inzwischen hat der SPD-Politiker seine Meinung geändert. In seiner Rolle als Bundesminister will er keinen Gesetzesvorschlag dazu vorlegen, sondern diese ethische Entscheidung lieber ganz dem Parlament überlassen.
Deutschland besonders kompliziert?
Es bleibt trotzdem genug zu tun für Lauterbach, denn bisher sind noch nicht einmal alle Punkte der letzten Gesetzesänderung umgesetzt worden, die der Bundestag 2020 verabschiedet hat. Das kritisiert Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion: "Wir sind in Deutschland immer Weltmeister Dinge kompliziert umzusetzen und für alle Eventualitäten irgendwelche Regelungen vorzusehen."
Die Politik wollte besser über Organspende informieren. Hausarztpraxen dürfen auf Nachfrage beraten und eigentlich sollten Ausweisstellen längst Aufklärungsmaterial und Organspendeausweise verteilen. Im vergangenen Jahr hätte zudem ein Online-Register für Organspenden starten sollen, aber die technische Umsetzung hakt - ebenso wie die Absprache zwischen Bund und Ländern.
Nicht zum ersten Mal verzögert sich ein Digitalprojekt. Unionspolitiker Sorge fordert schnelle und unkomplizierten Lösungen und nimmt den Gesundheitsminister in die Pflicht. Lauterbach müsse mehr Druck aufbauen und pragmatische Lösungen für die Probleme finden.
Entscheidungspflicht statt Widerspruchslösung?
Unionspolitiker Sorge ist ebenso wie Lauterbach ein Befürworter der Widerspruchslösung und könnte sich vorstellen, das aktuelle Gesetz zumindest noch mal zu verändern, hin zu einer Pflicht sich entscheiden zu müssen. Im Gegensatz zur Widerspruchslösung wären Menschen dann nicht automatisch Organspender oder Organspenderin, sondern wären nur dazu verpflichtet, sich einmal zu entscheiden. "Ich finde, dass kann man Menschen abverlangen in der heutigen Zeit", meint der CDU-Politiker.
Auch Stephan Thomae von der FDP könnte sich vorstellen, die Entscheidung verpflichtend zu machen. Ein ganz neues Gesetzgebungsverfahren, in dem auch die Widerspruchslösung erneut debattiert wird, hält Thomae hingegen für keine gute Idee. Das könne man nicht in jeder Legislaturperiode diskutieren.
Im Ziel sind sich die meisten einig: Sie wollen Menschenleben retten und die Wartezeiten auf Spenderorgane verkürzen. Eine neue politische Lösung, wie das besser gelingen kann, ist aber erst mal nicht in Sicht.
Widerspruchslösung
Der Staat geht dabei davon aus, dass grundsätzlich jeder Bürger ein potenzieller Organspender ist - außer, er hat ausdrücklich widersprochen. Schweigen wird also als Zustimmung gewertet. Ein Nein zur Organspende kann etwa in einem Widerspruchsregister dokumentiert werden. Bei einer erweiterten oder doppelten Widerspruchslösung kommen auch die Angehörigen ins Spiel: Hat der Patient keine schriftliche Äußerung hinterlassen, werden sie befragt, wie der Betroffene zur Organspende stand. Anders als bei der Zustimmungsregelung haben sie selber allerdings kein Mitentscheidungsrecht.
Zustimmungslösung
Bei der Zustimmungslösung können nur dann Organe und Gewebe entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Organspende ausdrücklich zugestimmt hat.
Bei der erweiterten Zustimmungslösung können auch die Angehörigen stellvertretend für die verstorbene Person entscheiden, falls diese zu Lebzeiten keine Entscheidung dokumentiert hat. Falls es keinerlei Äußerungen des Patienten gibt, können die Angehörigen selbst entscheiden.
Entscheidungslösung
Die Entscheidungslösung ist eine Ausweitung der erweiterten Zustimmungslösung, die der Bundestag 2012 beschlossen hat. Sie verpflichtet die Krankenkassen und Versicherungen, ihren Kunden regelmäßig Informationen über die Organspende zukommen zu lassen. Alle Bürger sollen sich auf der Grundlage fundierter Informationen mit der eigenen Spendebereitschaft auseinandersetzen.
Reziprozitätslösung
Bei der sogenannten Reziprozitätslösung erhält derjenige, der sich selber als potenzieller Spender registrieren lässt, im Gegenzug im Krankheitsfall bevorzugt selber ein Organ. Das würde einen Anreiz erhöhen, sich als Spender registrieren zu lassen und gleichzeitig für mehr Gerechtigkeit sorgen, weil Trittbrettfahren verhindert wird.