Erdogan-Besuch in Berlin Erdogan lobt Islam-Äußerung von Wulff
Kontrovers diskutierte Themen hatten Kanzlerin Merkel und der türkische Premier Erdogan für ihr Berliner Treffen auf der Agenda: Zum einen die Debatte über Integration. Erdogan lobte Bundespräsident Wulff für seine Islam-Äußerungen. Weniger eindeutig waren die Positionen zum geplanten EU-Beitritt.
Von Arne Meyer, NDR, ARD-Hauptstadtstudio
Die Erwartungen vor dem Treffen zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Bundeskanzlerin Angela Merkel waren nicht groß, deswegen konnte am Ende auch niemand enttäuscht sein, dass es nach dem zweistündigen Arbeitsfrühstück der beiden in Berlin keine wesentlichen Fortschritte gegeben hat - zum Beispiel in der Frage einer EU-Vollmitgliedschaft der Türkei.
Sie sicherte Erdogan zu, die Türkei bei diesen Verhandlungen zwar zu unterstützen. Die von CDU/CSU favorisierte privilegierte Partnerschaft nannte Merkel nochmals als Option. Der türkische Premierminister erwartet von der Bundesrepublik allerdings auch nichts anderes als diese Unterstützung. "Deutschland hat natürlich eine exponierte Lage in der Europäischen Union. Vor diesem Hintergrund ist das Verhältnis zwischen der Türkei und uns besonders wichtig. Ich habe die Kanzlerin deshalb auch gebeten, dass diese Unterstützung fortgesetzt wird", sagte er.
Erdogan beglückwünscht Wulff zu seiner Rede
Ein weiterer zentraler Aspekt des heutigen Gesprächs: Das Thema Integration, das die Republik momentan sehr beschäftigt. Erdogan machte klar, dass er diese Debatte in den vergangenen Tagen und Wochen aufmerksam verfolgt habe. Gleichzeitig beglückwünschte er Bundespräsident Christian Wulff für dessen Rede am 3. Oktober und seine darin enthaltene Aussagen, der Islam gehöre mittlerweile genauso zur Bundesrepublik wie das Christen- und das Judentum. Wulff, der Mitte des Monats die Türkei besucht, habe damit eine gesellschaftliche Realität beschrieben, und das erkenne er hoch an, sagte Erdogan.
"Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland."
An die in Deutschland lebenden Türken richtete er dabei den Appell, die deutsche Sprache zu lernen: "Natürlich ist das sehr, sehr wichtig. Und dabei möchte ich auch folgendes unterstreichen: Es ist wichtig, dass man eine zweite Sprache lernt. Aber die Voraussetzung dafür ist aber, dass man seine Muttersprache gut kann. Je besser man die lernt, desto besser und leichter fällt dann das Lernen der zweiten Sprache."
"Assimilation ist für uns kein Thema"
Die Kanzlerin machte vor diesem Hintergrund klar, dass niemand in Deutschland erwarte, dass sich hier lebende Türken zum Beispiel von ihren kulturellen Eigenheiten verabschiedeten. "Assimilation ist für uns kein Thema", so Merkel. "Deutschland und die Türkei wollen das Thema Integration im kommenden Jahr noch einmal vertiefen. Wir wollen dabei Bilanz ziehen, die Erfolge aber auch die Probleme benennen." Dazu habe sie Erdogan genauso eingeladen wie zu einem Besuch der Computermesse Cebit in Hannover im kommenden Jahr.
Der türkische Premier wird 2011 in gewissem Sinne ein Stammgast in der Bundesrepublik sein. Das gestrige klare 3:0 der deutschen Fußballnationalmannschaft über die Türkei, das Merkel und Erdogan gemeinsam besucht hatten, erwähnten beide nur noch am Rande. Trotz der deutlichen Niederlage konnte der türkische Premier dem Besuch im Berliner Olympiastadion noch etwas abgewinnen: Es sei ein gemeinsamer Abend von Freunden und Verbündeten gewesen, sagte Erdogan.