Treffen der 27 Außenminister EU streitet über Umgang mit der Türkei
Seit 2005 verhandelt die Türkei mit der EU über den Beitritt. Doch die Gespräche kommen nur langsam voran. Die EU-Außenminister berieten nun über eine engere Anbindung des Landes. Denn die aktuelle türkische Politik gegenüber Israel und dem Iran bereitet ihnen Sorge.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
"Wir sind als Europäer gut beraten, die Beziehungen mit der Türkei fair und intensiv auszubauen." Da dürfte kein Außenminister der Europäischen Union dem deutschen Kollegen Guido Westewelle widersprechen. Seit längerem schon machen sich die Regierungen der EU Sorgen um ihren südöstlichen Nachbarn. Scharfe Töne in Richtung Israel, freundliche Gesten in Richtung Iran: Damit hat die Regierung in Ankara die Europäer in jüngster Zeit mehrmals erschreckt. Ein Abdriften der Türkei in die islamische Welt wird befürchtet, während gleichzeitig ihr Beitritt in die EU so gar nicht vorankommt.
Finnen und Briten wollen Türken an den Tisch holen
Da muss sich etwas ändern - darin waren sich die Außenminster bei ihrem informellen Treffen in Brüssel einig. Die Kollegen aus Finnland und Großbritannien gehen derzeit am weitesten mit ihren Forderungen: Alexander Stubb und William Hague hatten schon vorige Woche verlangt, die EU solle nicht warten, bis die Türkei Mitglied sei, sondern müsse ihr schon vorher einen Platz am Tisch geben. "Ich hoffe, dass wir uns klar darüber verständigen, wie wichtig die Türkei ist", meinte Stubb diesmal. "Ich glaube, sie ist außenpolitisch eines der fünf wichtigsten Länder. Das muss die EU verstehen."
Eine wichtige Rolle spielt die Türkei zum Beispiel bei Ausbau der geplanten Gaspipeline Nabucco oder als Vermittlerin in Ex-Jugoslawien, wo christliche und muslimische Gruppen etwa in Bosnien-Herzegowina aufeinandertreffen.
Ashton lehnt schnelle Annäherung ab
Doch den von Finnland und Großbritannien geforderten "Platz am Tisch" wird die Türkei nicht so ohne Weiteres erhalten. Daraus machte die EU-Außenministerin Catherine Ashton kein Geheimnis: "Das ist kein Weg, die Türkei als 28. Mitglied an den Tisch zu setzen, ohne das Verfahren zu durchlaufen." Die EU müsse in den Feldern, in denen sie mit der Türkei zusammenarbeite, effektiver werden und das Gespräch sicherstellen.
Denn tatsächlich kommen die Verhandlungen über den Beitritt der Türkei kaum voran und drohen, ganz stecken zu bleiben. In rund 35 Bereichen - von Agrarpolitik bis Zollunion - muss die Türkei nachweisen, dass sie das Regelwerk der EU umsetzt. Erst 13 dieser Kapitel sind seit 2005 eröffnet. Eine ganze Reihe wird blockiert, weil die Türkei ihre Häfen für das EU-Mitglied Zypern sperrt. Immer wieder hat die EU zudem angemahnt, die Türkei müsse ihr Justizwesen schneller reformieren sowie Minderheiten und Menschenrechte besser schützen. Auch die Verfassungsänderung, über die am Sonntag abgestimmt wird, ist der EU nicht umfassend genug in der Gesellschaft diskutiert worden.
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stocken
Die belgische Regierung, die derzeit den EU-Vorsitz hat, will nun versuchen, bis Ende des Jahres das Verhandlungskapitel über Wettbewerbsrecht auf den Tisch zu bekommen. Doch tatsächlich wird das die Türkei keinen Schritt näherbringen, solange Länder wie Frankreich ihren Beitritt offen ablehnen.
Auch Angela Merkel möchte die Türkei lieber in einer privilegierten Partnertschaft an die EU binden als sie als Mitglied aufnehmen. Westerwelle sieht das anders: Die Regierung in Ankara erwarte zu Recht, dass sich die EU an ihre eigenen Beschlüsse halte, das heißt, dass offen und sachlich verhandelt werde – selbst "wenn wir alle nicht wissen, wie denn am Schluss das Ergebnis dieses Prozesses sein wird".