Urteil zu politischen Stiftungen Teilerfolg für AfD - Bundestag ist am Zug
Für die AfD ist es ein Teilerfolg: Der Ausschluss ihrer Stiftung von der staatlichen Förderung hat das Recht auf Chancengleichheit verletzt, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Nun ist der Bundestag gefordert.
Alle im Bundestag vertretenen Parteien haben Stiftungen, die ihr politisch nahestehen: Die SPD hat die Friedrich-Ebert-Stiftung oder die CDU die Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie organisieren politische Bildungsarbeit, betreiben Büros im Ausland und vergeben Stipendien für Studierende. Dafür bekommen sie Geld aus dem Bundeshaushalt. Im Moment sind das insgesamt weit mehr als 600 Millionen Euro pro Jahr.
Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung bekommt bisher kein Geld. Die AfD hält das für verfassungswidrig und klagte. Sie meint, dass sie durch den Ausschluss bei der Finanzierung gegenüber anderen Parteien benachteiligt wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat das in seinem Urteil genauso bewertet. Die Vizepräsidentin des Gerichts, Doris König, erklärt: Die Antragstellerin - also die AfD - werde in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb aus Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt, weil das Haushaltsgesetz 2019 die Gewährung von Globalzuschüssen an politische Stiftungen ermögliche, ohne dass dem ein gesondertes Parlamentsgesetz zugrunde liege.
So wie bisher darf es nicht weitergehen
Konkret ging es in der Entscheidung um das Haushaltsjahr 2019. Die AfD hatte gleichlautende Anträge auch für die weiteren Haushaltsjahre gestellt, diese nach Ansicht des Gerichts aber zu spät eingereicht. Deshalb entschied Karlsruhe nur über das Jahr 2019. Die Entscheidung ist allerdings von grundsätzlicher Bedeutung. So wie bisher darf der Bundestag die Stiftungsgelder nicht mehr verteilen.
Bislang werden die Gelder für politische Stiftungen vom Bundestag bei den Haushaltsverhandlungen beschlossen. Die Höhe richtet sich danach, wie stark eine Partei im Bundestag vertreten ist. Ein eigenes Förderungsgesetz gibt es nicht.
Genau das hält das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig. Die Frage der staatlichen Finanzierung sei für die demokratische Ordnung so wichtig, dass dies unbedingt mit einem eigenen Gesetz geregelt werden müsse, sagt Verfassungsrichterin König. Nur so werde sichergestellt, dass alle Abgeordneten und die Öffentlichkeit in dem Gesetzgebungsverfahren die Gelegenheit erhielten, die geplanten Regelungen zu diskutieren und sich eine Meinung zu bilden.
AfD-Vize Boehringer: "Wir sind schon mal sehr glücklich"
Das Urteil ist zumindest ein wichtiger Teilerfolg für die AfD. Peter Boehringer, stellvertretender Bundessprecher der Partei, zeigte sich zufrieden: "Ich denke, dass das ein wirklich großer Erfolg ist." Das Verfassungsgericht verlange vom Bundestag die Schaffung eines Stiftungsgesetzes. "Das ist Jahrzehnte überfällig", sagt Boehringer. "Und deshalb sind wir mit diesem Teil des Urteils schon mal sehr glücklich."
Der Bundestag ist nun verpflichtet, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Darum wird sich vor allem die Koalition kümmern müssen. "Wir werden als Ampelkoalition natürlich das Urteil noch einmal sehr sorgfältig betrachten", sagt der Rechtspolitiker Thorsten Lieb aus der FDP-Bundestagsfraktion. Es sei aber "klar" nach der Entscheidung, dass eine eigenständige gesetzliche Grundlage geschaffen werde. "Das haben wir uns ohnehin vorgenommen im Koalitionsvertrag", sagt Lieb. "Und das werden wir jetzt machen auf Grundlage dieser Entscheidung."
Dabei dürfte die Koalition gut beraten sein, aufs Tempo zu drücken. Ohne gesetzliche Grundlage darf der Bundestag den Stiftungen eigentlich kein Geld mehr zur Verfügung stellen. Denn dies wäre ein verfassungswidriges Vorgehen, wie Rechtsprofessorin Sophie Schönberger von der Universität Düsseldorf nach der Urteilsverkündung sagte. Sie hatte als Prozessbevollmächtigte den Bundestag während des Verfahrens vertreten.
Entscheidung zum Thema Verfassungstreue vertagt
Über eine weitere wichtige Frage hat das Bundesverfassungsgericht heute indes nicht entschieden: 2022 hatte der Bundestag im Zuge der Haushaltsberatungen erstmals in einem Haushaltsvermerk beschlossen, dass politische Stiftungen kein Geld bekommen, wenn es Zweifel an ihrer Verfassungstreue gibt. Deshalb wurde der AfD 2022 kein Geld zugebilligt.
Den Antrag der AfD dagegen hat das Gericht abgetrennt und will erst später darüber entscheiden. Der Antrag sei erst kurz vor der mündlichen Verhandlung und damit ebenfalls zu spät gestellt worden - und er werfe neue verfassungsrechtliche Fragen auf, hieß es aus Karlsruhe. Das Gericht will Bundestag und Bundesregierung noch die Gelegenheit geben, zum Aspekt der Verfassungstreue Stellung zu beziehen, was bisher aufgrund der Kürze der Zeit noch nicht geschehen ist.
Aktenzeichen: 2 BvE 3/19