Auf der Richterbank des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Baden-Württemberg) liegt während einer Urteilsverkündung das Barett eines Richters. (Archivbild: 07.10.2014 )
FAQ

Karlsruhe prüft Finanzierung Staatliche Förderung für AfD-nahe Stiftung?

Stand: 22.02.2023 04:08 Uhr

Bisher erhält die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung keine Zuschüsse vom Staat. Heute will das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob das rechtens ist. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Max Bauer, ARD-Rechtsredaktion

Warum klagt die AfD in Karlsruhe?

Die Klage der AfD könnte zu einer Neuordnung des ganzen Systems der Förderung parteinaher Stiftungen führen. Es wird ein grundsätzliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage erwartet, ob das bisherige Förderungssystem verfassungsgemäß ist.

Zuletzt bekamen die politischen Stiftungen von CDU, CSU, SPD, Grünen, FDP und Linken über 650 Millionen Euro im Jahr. Damit finanzieren Stiftungen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU oder die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD politische Bildungsarbeit, Auslandsbüros oder Stipendien für Studierende.

Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung profitiert bisher nicht von der staatlichen Förderung. "Wir klagen stellvertretend für unsere parteinahe Stiftung, die seit Jahren benachteiligt wird, und damit wird indirekt natürlich auch die sie tragende Partei benachteiligt", sagte der AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer bei der Verhandlung Ende Oktober 2022.

Auf welcher Grundlage wird bisher gefördert?

Das System der Förderung funktioniert bisher so: Die Gelder für politische Stiftungen werden vom Bundestag bei den Haushaltsverhandlungen beschlossen. Die Höhe der Gelder richtet sich danach, wie stark eine Partei im Bundestag vertreten ist.

Die AfD beruft sich auf ein Verfassungsgerichtsurteil von 1986. Damals hatte Karlsruhe gesagt: Die staatliche Förderung parteinaher Stiftungen müsse alle dauerhaften und ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen angemessen berücksichtigen.

Förderung gibt es außerdem erst dann, wenn die Partei, die der Stiftung nahesteht, zwei Mal in Folge in den Bundestag kommt. Die AfD will allerdings, dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung seit 2018 Geld bekommt. Also auch für die Zeit, als die AfD zum ersten Mal im Bundestag saß. Hätte die Partei am Bundesverfassungsgericht Erfolg, könnte die Stiftung um die 70 Millionen Euro pro Jahr erhalten.

Braucht es ein eigenes Förderungsgesetz?

Ein eigenes Förderungsgesetz gibt es bisher nicht. Ob es ein solches Gesetz für die politischen Stiftungen geben muss, war eine zentrale Frage bei der Verfassungsgerichtsverhandlung im vergangenen Oktober.

Ein solches Gesetz sei nicht nötig, meint Jura-Professor Joachim Wieland, der den Bundestag in Karlsruhe vertritt. Aus seiner Sicht reiche das normale Haushaltsgesetz aus: "Der Gesetzgeber ist der gleiche wie bei materiellen Gesetzen. Er ist an die Verfassung gebunden, er muss den Gleichheitssatz beachten, und es ist nicht üblich im deutschen Recht, dass Subventionen in einem materiellen Gesetz geregelt werden."

Dagegen hatte die AfD in der Verhandlung bemängelt, dass der Bundestag kein Förderungsgesetz machen würde, um die gerichtliche Kontrolle zu erschweren.

Staatliche Förderung nur bei Verfassungstreue?

Eine weitere wichtige Frage in dem Verfahren: Darf die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung gefördert werden, obwohl die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird und es auch Zweifel an der Verfassungstreue der Erasmus-Stiftung gibt? Der Bundestag hatte im Haushaltsgesetz 2022 deshalb erstmals einen besonderen Haushaltsvermerk angefügt. Politische Stiftungen können demnach nur Geld bekommen, wenn sie sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Bei Zweifeln an der Verfassungstreue darf es keine Förderung geben.

Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linken, sagte bei der Verhandlung: "Die AfD ist verfassungswidrig. Sie lehnt die Menschenwürdegarantie ab, sie lehnt das Gleichheitsgebot aus dem Grundgesetz ab, sie ist rassistisch und antisemitisch." Deshalb sei es gerechtfertigt, dass die AfD-nahe Stiftung kein Geld vom Staat bekomme und anders behandelt werde als die anderen parteinahen Stiftungen.

Welche Zweifel gibt es an der Verfassungstreue?

Zweifel an der Verfassungstreue der Desiderius-Erasmus-Stiftung äußerte beispielsweise Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank und Professor für Soziale Arbeit in Frankfurt am Main. Er warnte davor, dass die AfD-nahe Stiftung staatliche Gelder zugesprochen bekommt. "Es wäre eine Katastrophe für das Gemeinwesen, wenn die Demokratie ihre eigenen Feinde finanziert", so Mendel. Die Erasmus-Stiftung habe enge Verflechtungen mit rechtsextremistischen Organisationen wie dem "Institut für Staatspolitik".

Außerdem gebe es in der Stiftung eine "geschichtsrevisionistische Ideologie", Protagonisten der Stiftung würden in Teilen "den Holocaust relativieren", warnte Mendel schon vor mehr als einem Jahr in der "Süddeutschen Zeitung". Auch die Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, steht in der Kritik. Sie war unter anderem über ihren Facebook-Account an der Hetze gegen den CDU-Politiker Walter Lübcke beteiligt gewesen. Lübcke wurde im Juni 2019 von einem Rechtsextremisten ermordet. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte Steinbach daraufhin vorgeworfen, wegen ihrer Social-Media-Aktivitäten mitschuldig am Tod Lübckes zu sein.

Steinbach wies den Vorwurf der mangelnden Verfassungstreue bei der Verhandlung als "glatte Verleumdung" zurück. Der Prozessvertreter der AfD betonte in der Verhandlung: Solange die Partei nicht verboten sei, müsse sie auch im Hinblick auf ihre parteinahe Stiftung gleichbehandelt werden.

Allerdings gibt es seit 2017 die Möglichkeit, dass verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können, auch wenn sie nicht verboten sind. Ob dieser Gedanke sich auch auf die Finanzierung von parteinahen Stiftungen übertragen lässt, wird sich anhand des heutigen Urteils zeigen. Es wird vor allem Klarheit darüber bringen, ob für die Finanzierung parteinaher Stiftungen ein eigenes Gesetz nötig ist. Die Urteilsverkündung wird um 10 Uhr beginnen.

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Max Bauer, Max Bauer, SWR, 22.02.2023 05:42 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 22. Februar 2023 um 09:00 Uhr sowie Deutschlandfunk um 06:00 Uhr.