Ermittlung im Fall Böhmermann eingestellt Keine "ernsthafte Herabwürdigung der Person"
"Strafbare Handlungen waren nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen": Die Ermittlungen gegen Jan Böhmermann wegen angeblicher Beleidigung des türkischen Präsidenten Erdogan sind eingestellt worden. An anderer Stelle geht die juristische Auseinandersetzung aber weiter.
Die Staatsanwaltschaft in Mainz hat ihre Ermittlungen gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen des Vorwurfs der Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan eingestellt. Strafbare Handlungen seien "nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen" gewesen, heißt es in einer Pressemitteilung.
Hintergrund ist das sogenannte Schmähgedicht des ZDF-Moderators, das er im März in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" vorgetragen hatte. Mit dem Vortrag wollte Böhmermann nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen in Deutschland erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik aufzeigen. Der Text handelte unter anderem von Sex mit Tieren und Kinderpornografie und transportiert außerdem Klischees über Türken.
Keine Beleidigung nachgewiesen
Erdogan war juristisch gegen das "Schmähgedicht" vorgegangen und hatte Strafantrag mit dem Vorwurf der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts gemäß §103 des Strafgesetzbuches gestellt. Die Bundesregierung hatte die Mainzer Staatsanwaltschaft im April ermächtigt, entsprechende Ermittlungen zu führen.
Die Staatsanwaltschaft erklärte nun als Ergebnis ihrer Ermittlungen, dass schon fraglich sei, ob das Schmähgedicht den Tatbestand eines Beleigungsdeliktes erfülle. Zudem lasse sich der erforderliche Tatvorsatz der Beleidigung "nicht mit dem für eine strafgerichtliche Verurteilung erforderlichen Maß an Gewissheit führen".
"Das ist eine gute Nachricht"
Zugunsten Böhmermanns wertete die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben, dass der Beitrag als Beispiel für eine Überschreitung der Meinungsfreiheit dienen sollte. Weiter heißt es: "Zudem fehlt es bei Karikatur oder Satire am Merkmal der Beleidigung, wenn die Überzeichnung menschlicher Schwächen eine ernsthafte Herabwürdigung der Person nicht enthält."
Das ZDF begrüßte die Einstellung der Ermittlungen gegen seinen Moderator. "Das ist eine gute Nachricht", erklärte Intendant Thomas Bellut. "Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft macht in ihrer ausführlichen Begründung deutlich, dass die Kunst- und Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft einen außerordentlich hohen Stellenwert besitzt."
Böhmermann kündigt Erklärung an
Unterdessen reagierte der Anwalt Böhmermanns mit scharfer Kritik an Bundeskanzlerin Merkel auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Merkel hatte das Gedicht seinerzeit öffentlich als "bewusst verletztend" tituliert, das allerdings später selbst als Fehler bezeichnet. Die Kanzlerin habe mit ihrer öffentlichen und juristischen Bewertung ihre Kompetenzen überschritten und die verfassungsgemäße Gewaltenteilung in einem Maße verletzt, die nicht hinzunehmen sei, teilte Anwalt Christian Schertz mit.
"Die Staatsanwaltschaft hat unserer von Anfang an geäußerten Einschätzung der Rechtslage entsprochen" und erkannt, "dass man das Gedicht nicht solitär betrachten kann", heißt es in der Mitteilung weiter. Zugleich kündigte Schertz eine "persönliche Stellungnahme" Böhmermanns für Mittwoch, 16.30 Uhr in Köln an.
Streit in Hamburg geht weiter
Unabhängig von dem nun eingestellten Verfahren in Mainz gibt es noch eine weitere juristische Auseinandersetzung zwischen Erdogan und Böhmermann. Dabei geht es um eine Privatklage des Präsidenten gegen das Gedicht. In dem Verfahren steht im November eine mündliche Verhandlung bevor.
In diesem Verfahren hatte das Hamburger Landgericht bereits im Mai auf Antrag Erdogans eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann erlassen. Der ZDF-Moderator darf demnach den größeren Teil seines Gedichts nicht wiederholen. Doch das reicht dem türkischen Präsidenten offenbar nicht: Er will das komplette Gedicht verbieten lassen.