Gericht begründet Böhmermann-Entscheidung "Schweinefurz" ging zu weit
Einen Monat nach der Entscheidung im Fall Böhmermann hat das Landgericht Hamburg seine Begründung veröffentlicht. Die Richter erläutern darin, warum sie Zeilen wie die mit dem "Schweinefurz" für unzulässig halten. Und warum sich der türkische Präsident andere Teile der Satire gefallen lassen müsse.
Das Landgericht Hamburg hat die Begründung für seine Entscheidung vom Mai veröffentlicht, wonach der ZDF-Moderator Jan Böhmermann große Teile seines "Schmähgedichts" nicht wiederholen darf. Der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der die einstweilige Verfügung hatte beantragen lassen, müsse die betreffenden schmähenden und ehrverletzenden Inhalte nicht hinnehmen.
"Zweifelsohne Satire"
In seiner nun veröffentlichten Begründung macht das Gericht deutlich, dass es sich bei dem "Schmähgedicht", das Böhmermann in der Sendung "Neo Magazin Royal" auf "ZDFneo" vorgetragen hatte, "zweifelsohne" um Satire und um Kunst handle. "Mit den nicht untersagten Teilen des Gedichts wird in zulässiger Form harsche Kritik an der Politik" Erdogans geäußert, so das Gericht. In überspitzter Form würden "Vorgänge aufgegriffen, von deren Realität" auszugehen sei.
Exemplarisch wird dabei "das Schlagen von demonstrierenden Frauen am Weltfrauentag durch Helm und Schutzkleidung tragende Polizisten" erwähnt, für das Erdogan als Staatsoberhaupt die politische Verantwortung trage. Aufgrund seiner herausragenden politischen Stellung müsse sich Erdogan stärkere Kritik gefallen lassen. Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des Gerichts etwa die Gedichtzeile "Er ist der Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt" eine zulässige Form der Satire.
"Zweifelsohne ehrverletzend"
Bei der Abwägung zwischen der geschützten Kunstfreiheit und dem ebenfalls geschützten Persönlichkeitsrecht Erdogans sei die Grenze der zulässigen Satire aber in den Teilen des Gedichts überschritten, die "zweifelsohne schmähend und ehrverletzend" seien. Die Zeilen, deren Wiederholung Böhmermann untersagt wurden, griffen "gerade gegenüber Türken oftmals bestehende Vorurteile auf, die als rassistisch betrachtet werden". Zudem hätten nahezu sämtliche Zeilen einen sexuellen Bezug. Erschwerend komme hinzu, dass das Schwein im Islam als unreines Tier gelte und Böhmermann gezielt den Begriff "Schweinefurz" verwendet habe.
Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hatte bereits nach der Entscheidung im Mai erklärt: "Wir halten den Gerichtsbeschluss in der konkreten Form für falsch, wenngleich er insbesondere die Aussagen, die den Umgang von Erdogan mit der Meinungsfreiheit in der Türkei betreffen, für zulässig erachtet hat." Das Gericht gehe richtigerweise davon aus, dass es sich bei dem Gedicht um Kunst und eine Satire handle. Es mache dann aber den Fehler, bestimmte Aussagen solitär herauszugreifen und zu verbieten, die es als herabwürdigend empfinde. "Das geht im Bereich der Kunstfreiheit nicht", argumentierte Schertz. Es sei außerdem nicht berücksichtigt worden, dass Böhmermann erklärt habe, das Gedicht sei einzeln betrachtet eine Schmähung und nicht erlaubt. Er habe sie sich damit ausdrücklich nicht zu eigen gemacht.