Wahlkampf auf Twitter Fake-Profile für die AfD
Im Europawahlkampf sind auf Twitter anonyme Konten aktiv, die Zehntausende Tweets für die AfD absetzen. Viele geben sich als Frauen aus, die Profilbilder wurden im Netz geklaut.
Von Patrick Gensing, ARD-faktenfinder
Jung, weiblich, hyperaktiv - so treten auf Twitter diverse Konten auf, die Tausende von Tweets im Sinne der AfD veröffentlichen. Es handelt sich um ein ganzes Netzwerk von Accounts, die sich aufeinander beziehen und gegenseitig retweeten.
Insbesondere in den Wochen vor der anstehenden Europawahl sind neue Accounts aufgetaucht. So beispielsweise eine "Beate", deren Profilbild offenkundig von einer russischen Seite mit Schönheitstipps stammt, wie eine Suche im Netz zeigt. Das Konto ist erst im April eingerichtet worden, dennoch hat es bereits fast 1000 Follower - darunter verschiedene AfD-Abgeordnete sowie weitere Konten von angeblichen Frauen, die bemerkenswert viel twittern.
Zehntausende Tweets
So setzte beispielsweise "Petra" seit dem Januar 2018 mehr als 107.000 Tweets ab, auch dieser Account kann als Follower diverse AfD-Politiker aufweisen. Das Konto von einer "Cornelia" wurde im August 2018 eingerichtet - und verbreitete bis Mitte Mai bereits mehr als 44.500 Tweets - fast ausschließlich Retweets von rechtsradikalen Blogs, rechtskonservativen Medien und AfD-Konten.
"Adele" verteilte seit dem Februar mehr als 6500 Tweets und knapp 40.000 "Gefällt mir"-Herzen, "AliceWo" setzte seit Januar knapp 57.000 Tweets ab - dazu rund 70.000 Herzen.
Auch "Sandra" und "Elfi" finden sich seit April in diesem Netzwerk; "Elfi" hat seitdem bereits 3500 Tweets abgesetzt und mehr als 4000 Tweets mit "Gefällt mir" markiert - zumeist handelt es sich auch hier um Inhalte von AfD-Verbänden, AfD-Abgeordneten oder "alternativen Medien".
Foto von einem brasilianischen Blog
Zu den Veteranen dieser AfD-Unterstützerkonten gehört "Krippmarie", die seit dem Juni 2013 mehr als 222.000 Tweets abgesetzt hat. Der Account tritt ebenfalls als Frau auf und nutzt als Profilbild einen Ausschnitt eines Fotos, das zuvor auf einer brasilianischen Seite veröffentlicht wurde.
Hatte der Account zunächst vor allem die "Deutschen Wirtschaftsnachrichten" oder russische Auslandsmedien retweetet, verbreitet "Krippmarie" mittlerweile überwiegend Tweets von AfD-Accounts oder von Publizisten, die der Partei nahestehen. Die neueren Konten retweeten wiederum die Inhalte von "Krippmarie", um die Reichweite zu vergrößern und Relevanz zu simulieren.
Ebenfalls zur Wahl der AfD ruft die "Senf Dazugeberin" auf, seit Februar hat sie mehr als 6500 Tweets veröffentlicht. Allerdings retweetet dieser Account nicht nur, sondern es werden eigene Kommentare verfasst.
Auch das Konto "Emma Richter" verkleidet sich mit einem gestohlenen Profilbild und twittert politisch im Sinne der AfD. Hier werden - wie auf ähnlichen Accounts - recht aufwändig Inhalte erstellt, die von mutmaßlichen Fake-Profilen, aber auch realen Personen weiterverbreitet werden.
Anonyme Unterstützer
Neben solchen Konten, die sich als Privatpersonen ausgeben, finden sich Accounts, die ausschließlich Wahlkampf für die AfD betreiben, aber angeblich nichts mit der Partei zu tun haben. Dazu zählt "AfD Unterstützer", der im Bundestagswahlkampf aktiv war und nach dem 24. September 2017 verstummte; oder "Wahlkaempfer", der nach eigenen Angaben die Partei bei der Europa- und Landtagswahl in Brandenburg unterstützt.
Seit 2014 ist bereits das Konto "AfD wählen" aktiv, angeblich wird es von drei Frauen aus Freiburg betrieben, die als Benutzernamen "@Schweizerinnen" angeben. Ähnliche Accounts gibt es für andere Staaten: Die "@Zypriotinnen", die unter dem Namen "Cyprus 4 AfD" auftreten - und bei denen es sich um auf Zypern lebende Deutsche handeln soll, die die AfD unterstützen.
Nach exakt diesem Muster agiert auch das Konto "@Englaenderinnen", es handele sich um "in England lebende Deutsche", die die AfD unterstützen, heißt es hier und bei anderen Konten wie "Croatia 4 AfD", "Finland 4 AfD", "Belgium 4 AfD", "Lativia 4 AfD", "Bulgaria 4 AfD", "Poland 4 AfD+PiS", "Estonia 4 AfD" und "Romania 4 AfD".
Auch Konten mit kuriosen Namen wie "AfD-Außenstelle Kabul" finden sich. Die Konten sind anonym oder verweisen auf Seiten der AfD.
Konten wurden umgewandelt
Recherchen von t-online und Netzpolitik zeigen zudem, wie AfD-Politiker offenbar mit bereits gezielt aufgebauten Konten ausgestattet wurden. So sei dem AfD-Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl in Gera angeboten worden, dass für ihn getwittert werde, Kandidat Dieter Laudenbach willigte demnach ein.
Wenig später gab es den ersten Tweet von "AfDOBLaudenbach" - da hatte der Account laut t-online bereits 70.000 Follower. Das Konto hat eine wechselhafte Geschichte: Es hieß bereits "FDP-Aussteigerin", "JazumDiesel", "ZukunftDEU", "fina24de" und "Sweet_Xenia".
Den Recherchen von t-online.de und netzpolitik.org zufolge werden bei der AfD offizielle Accounts in inoffizielle und umgekehrt gewechselt - und so Unterstützung vorgetäuscht. Twitter habe während der Recherchen mehrere Konten gesperrt - auch von Bundestagsabgeordneten.
"Bewusste Manipulation der Statistiken"
In einer Studie stellte der Forscher Simon Hegelich im Bezug auf den Wahlkampf 2017 fest, die AfD habe auf Twitter dominiert, was die Zahl der Retweets der offiziellen Accounts angeht. Diese Dominanz sei erstaunlich, denn die AfD war im August 2017 die Partei mit den wenigsten Followern.
Dieses Missverhältnis könne "als ein Indiz interpretiert werden, dass die Inhalte der AfD populärer sind als die Partei selber". Zudem sei dieses Phänomen aber auf "die bewusste Manipulation der Statistiken durch Bots und hyperaktive Nutzer zurückzuführen".
AfD-Politiker auf Twitter einflussreich
Auch im aktuellen Wahlkampf erreichen AfD-Accounts eine beachtliche Resonanz: Laut einer Analyse finden sich unter den 30 einflussreichsten Nutzern auf Twitter mit Heiko Maas nur ein SPD-Politiker. Von der Union schafft es kein Abgeordneter in die Liste. Die Grünen und die FDP rangieren mit Christian Lindner und Cem Özdemir auf den hinteren Plätzen.
Die AfD hingegen schafft es gleich mit mehreren Abgeordneten in die Rangliste. Dabei helfen mutmaßlich auch Nutzerkonten, deren Veröffentlichungsmuster auf eine automatische Steuerung hindeutet, sowie die vielen anonymen Konten, die fleißig die AfD unterstützen und ihre Inhalte verbreiten. Auf Anfrage des ARD-faktenfinder wollte sich die Partei bislang nicht öffentlich zu den anonymen Unterstützerkonten äußern.