Wahl in Großbritannien Johnsons Tories erringen absolute Mehrheit
Die absolute Mehrheit für die Tories, die Labour-Partei abgeschlagen: Das Wahlergebnis ist ein Triumph für Johnson. Dem Brexit dürfte nun kaum noch etwas im Weg stehen - er werde ihn "fristgerecht erledigen", so der Premier.
Premierminister Boris Johnson und seine Tories gehen als klare Sieger aus der Parlamentswahl in Großbritannien hervor. Bereits nach Auszählung von knapp 600 der 650 Wahlkreise errang die Partei 326 Mandate und damit die absolute Mehrheit im Unterhaus. Laut BBC kommen die Konservativen nach derzeitigem Stand auf insgesamt 364 Sitze.
Dreieinhalb Jahre nach dem knappen Votum der Briten zum EU-Austritt scheint dem Brexit nun nichts mehr im Wege zu stehen. Die starke Mehrheit seiner Partei ermöglicht es dem Premier, sein mit der EU ausgehandeltes Ausstiegsabkommen zügig vom Unterhaus verabschieden zu lassen.
Brexit "ohne Wenn und Aber" am 31. Januar
Johnson erklärte, er wolle den Brexit "fristgerecht erledigen". Großbritannien werde die EU "ohne Wenn und Aber" am 31. Januar verlassen. Diese Wahl setze den Drohungen mit einem zweiten Referendum ein Ende.
Zuvor hatte der Premier erklärt, seine Regierung habe "ein machtvolles Mandat erhalten, den Brexit durchzuziehen". Er werde "das Land einen und voranbringen und sich auf die Prioritäten des britischen Volks fokussieren".
Corbyn kündigt Rückzug an
Nach den Berechnungen der BBC würde die oppositionelle Labour-Partei nur 203 Mandate erhalten - das wäre ein historisch schlechtes Ergebnis. Parteichef Jeremy Corbyn reagierte "sehr enttäuscht" und kündigte persönliche Konsequenzen an. Bei künftigen Wahlen werde er nicht mehr als Spitzenkandidat von Labour antreten, sagte er. Er werde der Partei aber bei der Diskussion über ihre Zukunft vorstehen.
Die Chefin der pro-europäischen Liberaldemokraten, Jo Swinson, verlor ihren Sitz im Unterhaus und trat zurück. Das Amt der 39-Jährigen übernehmen zunächst ihr Stellvertreter Ed Davey und Parteipräsidentin Sal Brinton. Neue Wahlen für den Parteivorsitz fänden im kommenden Jahr statt, erklärte die Partei.
Swinson hatte ihr Mandat an die schottischen Nationalisten verloren. Sie führte die Liberaldemokraten erst seit Juli und hatte sich dafür eingesetzt, dass Großbritannien in der EU bleibt. Nach derzeitigem Auszählungsstand werden die Liberaldemokraten nur noch mit elf Abgeordneten im Unterhaus vertreten sein.
"Johnson hatte leichtes Spiel"
Johnsons Wahlkampfslogan "Get Brexit done" habe funktioniert, sagt ARD-Korrespondentin Julie Kurz im ARD-Morgenmagazin - vor allem bei Wählern in den ehemals industriellen Gegenden, in welchen man eigentlich traditionell Labour gewählt habe, die aber auch Brexit-Hochburgen seien. "Viele waren da frustriert, dass noch immer nichts passiert ist, dass man immer noch nicht ausgetreten ist." Gleichzeitig habe Johnson aber auch leichtes Spiel gehabt, weil sein Gegenspieler Corbyn im Land sehr unpopulär sei - auch, weil er keine klare Position zum Brexit bezogen habe.
Abstimmung schon vor Weihnachten?
ARD-Korrespondentin Annette Dittert sprach schon kurz nach den Prognosen von einem "Erdrutschsieg" für Johnson. Mit dem EU-Austritt der Briten könnte es nun sehr schnell gehen: Erst vor wenigen Tagen hatte Johnson erneut versprochen, seinen Deal zum britischen EU-Austritt noch vor Weihnachten im Unterhaus zur Abstimmung zu stellen. Bekommt er nun tatsächlich die absolute Mehrheit, dann könnte das Votum zum Brexit-Austritt bereits am 21. Dezember stattfinden, so Dittert.
Sturgeon fordert neues Unabhängigkeitsreferendum
In Schottland räumte die Schottische Nationalpartei ab: Den bisherigen Ergebnissen zufolge gewann die sozialdemokratisch und proeuropäisch ausgerichtete SNP 48 der 59 schottischen Parlamentssitze. Die Konservativen könnten in Schottland komplett leer ausgehen, nachdem sie 2017 noch 13 Mandate geholt hatten.
Das starke Abschneiden der SNP befeuerte Spekulationen über ein möglicherweise bevorstehendes neues Unabhängigkeitsreferendum. Parteichefin Nicola Sturgeon kündigte an, für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum kämpfen zu wollen. "Boris Johnson hat erstens kein Recht, Schottland aus der EU zu nehmen und zweitens kein Recht zu verhindern, dass das schottische Volk über seine eigene Zukunft bestimmt", sagte die schottische Regierungschefin am frühen Morgen in der BBC.
Nationalisten in Nordirland vorn
In Nordirland erhielten die Nationalisten erstmals seit der Abspaltung von Irland 1921 mehr Stimmen als die pro-britischen Unionisten. Die führende Nationalistenpartei Sinn Fein verteidigte ihre sieben Sitze, die pro-irische SDLP gewann zwei Mandate. Zusammen liegen sie damit vor der DUP, die zwei Sitze verlor und nun auf acht Mandate kommt.