Krieg gegen die Ukraine Rücken russische Reservisten nach?
Zehntausende Reservisten könnten für den Einsatz mobilisiert werden: Das US-Verteidigungsministerium geht davon aus, dass die russischen Streitkräfte ihre Einheiten nach Verlusten in der Ukraine wieder aufbauen.
Nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums bemühen sich die russischen Streitkräfte, ihre Einheiten nach Verlusten im Norden der Ukraine mit neuem Material und Soldaten wieder aufzubauen. Es gebe auch Berichte, wonach die Einheiten, die nun im Osten der Ukraine eingesetzt werden sollten, durch das Mobilisieren "Zehntausender Reservisten" verstärkt werden sollten, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby.
Er warnte, die Russen hätten trotz ihrer Verluste immer noch den Großteil ihrer in der Region gebündelten Schlagkraft für den Krieg zur Verfügung. Zudem werde sich das russische Militär nun wohl auf den geografisch deutlich kleineren Bereich des östlichen Donbass konzentrieren.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Washington: Bündelung russischer Einheiten nahe Charkiw
Nach Angaben eines führenden Vertreters des Pentagon hat Russland bereits Tausende zusätzliche Soldaten nahe der Grenze zur ukrainischen Stadt Charkiw zusammengezogen. Die Zahl der taktischen Bataillone in der Nähe der russischen Stadt Belgorod sei von 30 auf inzwischen 40 angestiegen.
Solche Bataillone bestehen typischerweise aus etwa 600 bis 1000 Soldaten. Der leitende Beamte des Ministeriums sagte, es gebe Hinweise, dass die Russen hofften, "mehr als 60.000 Soldaten" zu mobilisieren. Im Donbass sei mit sehr intensiven Kämpfen zu rechnen. "Das könnte sehr blutig und sehr hässlich werden", sagte er.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Weitere Angriffe im Donbass
Ukrainischen Angaben zufolge gehen die Angriffe russischer Einheiten im Donbass im Osten der Ukraine weiter. Die russischen Truppen konzentrierten sich darauf, die Orte Rubischne, Nischne, Popasna und Nowobachmutiwka zu übernehmen und die volle Kontrolle über die Stadt Mariupol zu erlangen, berichtete die Agentur Unian unter Berufung auf den Bericht zur militärischen Lage des ukrainischen Generalstabs am Morgen.
Von den Militärexperten des US-Kriegsforschungsinstituts Institute for the Study of War (ISW) hieß es in der Nacht, dass die ukrainischen Streitkräfte weiter Verteidigungsstellungen im Osten und Südwesten der belagerten Hafenstadt Mariupol hielten.
Der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, hatte gestern der Internet-Zeitung "Ukrajinska Prawda" gesagt, dass im Gebiet Luhansk die Situation in den Städten Rubischne und Popasna am schwierigsten sei. Ein Teil der 50.000-Einwohner-Stadt Rubischne sei von russischen Einheiten eingenommen worden, es gebe ständige Positionskämpfe und Beschuss.
Popasna werde "niedergebügelt"
Auch Popasna mit seinen rund 20.000 Einwohnern werde seit mehr als einem Monat "niedergebügelt", sagte Hajdaj. Es sei unmöglich, Menschen von dort zu evakuieren, da "dort links und rechts alles bombardiert" werde. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
Im Bericht des ukrainischen Generalstabs hieß es laut Unian weiter, die Streitkräfte des Landes hätten gestern sieben Angriffe russischer Einheiten zurückschlagen können. Auch rund um die von russischen Truppen besetzte Stadt Isjum im Gebiet Charkiw seien Angriffe abgewehrt worden. Im Süden seien erneut Ziele in der Region Odessa vom Territorium der von Russland annektierten Krim aus mit Raketen beschossen worden.
Selenskyi erwartet entschiedene Antwort
Nach dem Angriff auf den Bahnhof in Kramatorsk mit mehr als 50 Toten erwartet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine entschiedene Antwort der internationalen Gemeinschaft. Er forderte ein vollständiges Embargo auf russisches Öl und Erdgas.
Selenskyj sagte in einer Videobotschaft am späten Freitagabend, es seien die Energieexporte, die den Löwenanteil der Profite Russlands ausmachten. Sie ließen die russische Führung glauben, dass die Welt die "Kriegsverbrechen" der russischen Armee ignorieren werde. Auch die russischen Banken müssten vollständig vom globalen Finanzsystem abgekoppelt werden.
Nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums sind die russischen Streitkräfte für den tödlichen Raketenangriff in Kramatorsk verantwortlich. Russlands offizielle Dementis in dieser Sache seien "nicht überzeugend", sagte Pentagon-Sprecher Kirby.