Brexit-Verhandlungen Je lauter das Chaos, desto leiser Mrs. May
Das Ringen um den Brexit - es war Theresa May nicht nur anzusehen, sondern auch anzuhören. Mit kraftvollem Ton kam sie 2016 nach Brüssel, es endete mit der resignierten Einsicht des Scheiterns.
Theresa May in Brüssel und der Brexit, den sie liefern wollte, aber nicht konnte - eine Geschichte des persönlichen politischen Scheiterns, die freilich mit vollmundigen Ankündigungen und ziemlich großen Worten begann.
Dieses sei ihr erster EU-Gipfel, sagte sie im Oktober 2016. Da kam sie als frisch gekürte britische Regierungschefin mit ihren europäischen Kollegen zusammen. Mit der sehr klaren Botschaft: Großbritannien werde die Europäische Union verlassen und danach ein starker und unabhängiger Partner bleiben.
May wollte den "bestmöglichen Deal"
Was dann kam, waren die Verhandlungen über den britisch-europäischen Scheidungsvertrag: das Austrittsabkommen, den "Deal". Mays Ziel war klar, sie wollte den "für Großbritannien bestmöglichen Deal für den Brexit". Man werde einen Erfolg aus dem Brexit machen. Wenn May das sagte, klang das immer verbindlich, kraftvoll, nach Verhandlungsstärke.
Aber bereits im Frühjahr 2017 folgte ein erstes vorsichtiges Signal, dass es wohl doch nicht so leicht würde. Als hätte sie nicht damit rechnen können, dass es harte Verhandlungen mit der Europäischen Union werden. Der Auftakt eines langen Tauziehens. Niemand verstehe die britische Verhandlungsposition, beklagte sich May, die Presse auf dem Kontinent stelle die Dinge falsch dar und die Position der EU habe sich verhärtet.
Der Backstop brachte den Stillstand
Es ist der Franzose Michelle Barnier gewesen, der für die 27 Mitgliedsstaaten und die EU-Institutionen die Verhandlungen führte. Und sehr bald wurde der zentrale Knackpunkt klar: der Backstop. Jene Klausel, den die EU und Großbritannien angesichts der politisch immer noch angespannten Lage an der Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland in das Austrittsabkommen hinein geschrieben hatten, von der man aber im Vereinigten Königreich sehr schnell nichts mehr wissen wollte.
Der Backstopp schreibt fest, dass die Grenze offen bleibt, damit Irland nicht wieder in einen Bürgerkrieg rutscht. Für die Republik Irland und die EU deshalb eine nicht verhandelbare Position. Auch wenn May den Druck erhöhte: Kein Deal sei zwar besser für Großbritannien als ein schlechter Deal, aber man wolle einen Deal. Nur eben den mit der EU ausgehandelten nicht.
Weitermachen - bis vorerst Ende Oktober
Das wurde auch spätestens Ende vergangenen Jahres klar, als May zum ersten Mal mit dem Austrittsvertrag im britischen Unterhaus scheiterte. Da war der Brexit-Termin schon fest geschrieben: Der 29. März 2019. Daran erinnerte Barnier beinahe gebetsmühlenartig. Und May erinnerte ebenso oft daran, dass sie einen Deal wolle - darüber werde man weiter verhandeln.
Aber für die EU war klar: "Mehr geht nicht", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker - und keiner der 27 anderen EU-Staaten ließ daran auch nur eine Spur des Zweifels. May verhandelte und verhandelte, ließ abstimmen und abstimmen und scheiterte und scheiterte. Sie musste die EU um Aufschub bitten, einmal und noch einmal. Es hat ihr alles nicht geholfen.
Und dann nach der Europawahl, an der die Briten teilgenommen hatten, obwohl sie aus der EU längst draußen sein sollten, gestand May ihr Scheitern ein. Wer immer nach ihr komme, müsse weiter machen, wo sie aufgehört habe. Und das bis zum 31. Oktober - das ist das nun gesetzte Datum für den Brexit. Jedenfalls bis jetzt.