Macrons Straßburg-Rede Applaus ja, Euphorie nein
Die erste Rede des französischen Präsidenten Macron vor dem Europaparlament wurde mit Spannung erwartet. Am Ende zeigte sie auch: Der Glanz der europäischen Lichtgestalt ist leicht verblasst.
Mit viel Applaus wurde Emmanuel Macron empfangen. Es war seine erste Rede vor dem Europaparlament in Straßburg. Im blauen Anzug hinter einem blauen Rednerpult forderte Macron mehr Tempo bei den Reformen der Wirtschafts- und Währungsunion. Noch vor der Europawahl im nächsten Frühjahr müssen wir spürbare Ergebnisse erzielen, sagte der französische Präsident.
Ursprünglich wollte Macron die Reform der Eurozone viel schneller vorantreiben. Er schlug unter anderem einen neuen Euro-Finanzminister und ein eigenes Budget für die Eurozone vor. Doch dagegen regte sich Widerstand aus einigen nordeuropäischen Ländern wie Dänemark und Finnland, aus den Niederlanden und auch aus Deutschland.
Kritik an Merkel
Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Udo Bullmann, kritisierte die zögerliche Haltung von Bundeskanzlerin Merkel. "'Madame No' in Berlin hat schon gezeigt, wie schwierig es wird, die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion zu betreiben", sagt er. "Und die vielen kleinen Mini-Schäubles, die sich da jetzt schon positionieren, werden ihnen das Geschäft nicht erleichtern."
Kritik an Macrons Reformplänen kommt vor allem von den Konservativen im Europaparlament. Ihre Vision einer Europäischen Union mit einem größeren Haushalt, angeglichenen Unternehmenssteuern, einer vereinheitlichten Sozial- und Asylpolitik sei möglicherweise die richtige Vision für Frankreich, nicht aber für alle EU-Länder, sagte Syed Kamall von den konservativen Tories aus Großbritannien. Die wachsende Unzufriedenheit der Wähler gebe es nicht, weil die EU zu wenig Macht habe, sondern, weil sie zu viel habe, kritisierte der Brite.
Gegen die "vergiftete Debatte"
Applaus dagegen erntete Macron für seine Forderung, die "vergiftete Debatte" über den Umbau des Asylrechts und die Verteilung von Flüchtlingen endlich zu beenden. Er forderte ein europäisches Programm, das Städte und Kommunen direkt mit EU-Geldern bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen unterstützen soll.
Sehr emotional warnte Macron vor einer Aushöhlung der Demokratie in Europa. Die Abkehr von den Grundwerten sei "der schwerste Fehler", den man begehen könne, sagte er mit Blick auf Länder wie Polen und Ungarn. Die Antwort ist nicht die autoritäre Demokratie, sondern die Autorität der Demokratie, sagte Macron.
Applaus ja, Euphorie nein: Der anfängliche Glanz der europäischen Lichtgestalt Macron ist nach fast einem Jahr Amtszeit ein wenig verblasst. Denn Macrons theoretische Forderungen haben nun langsam praktische Konsequenzen, und die gehen einigen in der EU zu weit. Der Reformer ist in der Realität angekommen.