EU-Beitritt am Sonntag Kroatien muss ohne Merkel feiern
Für Kroatien ist es eine diplomatische Ohrfeige: Bundeskanzlerin Merkel hat ihre Teilnahme an der Feier zum EU-Beitritt in Zagreb am Sonntag abgesagt - wegen "anderweitiger Verpflichtungen", sagte Regierungssprecher Seibert. Doch womöglich gibt es auch einen politischen Grund.
Von Ralf Borchard, ARD-Hörfunkstudio Wien
Die kroatische Regierung hatte sich alles so schön ausgemalt: ein unbeschwertes Volksfest zum EU-Beitritt am Sonntagabend mit Feuerwerk um Mitternacht und der Bundeskanzlerin des wichtigsten EU-Landes als Hauptgratulantin. Der Plan ist dahin.
Für Kroatien ist die Absage Angela Merkels eine schallende diplomatische Ohrfeige. Seit Wochen wurde die Kanzlerin als wichtigster Gast der EU-Beitrittsfeiern genannt. Und kroatische Medien sind sicher, dass der Grund für Merkels Absage der Streit um die Auslieferung des früheren Geheimdienstgenerals Josip Perkovic ist. Perkovic soll 1983, damals für den jugoslawischen Geheimdienst, die Ermordung eines Dissidenten in Wolfratshausen bei München in Auftrag gegeben haben. Am Freitag, also unmittelbar vor dem EU-Beitritt, will die kroatische Regierung offenbar noch ein Gesetz durchs Parlament bringen, das Perkovic vor einer Auslieferung nach europäischem Recht schützt.
Die Opposition in Zagreb wirft den regierenden Sozialdemokraten vor, als "Postkommunisten" ehemalige Genossen vor Strafen für begangene Verbrechen schützen zu wollen. "Ihr habt mit dem Feuer gespielt und habt euch dabei schwer verbrannt", sagt Goran Jandrokovic, Abgeordneter der konservativen Oppositionspartei HDZ und früherer Außenminister. "Ihr habt der Republik Kroatien eine Riesenschande zugefügt, weil ihr die Staatsinteressen den Interessen Einzelner untergeordnet habt."
Gegenseitige Vorwürfe
Pikant ist dabei, dass der fragliche Ex-Geheimdienstgeneral Perkovic nach dem Zerfall Jugoslawiens vom damaligen konservativen HDZ-Präsidenten Franjo Tudjman beauftragt worden war, den neuen kroatischen Geheimdienst mit aufzubauen.
Auch deshalb ruft der heutige sozialdemokratische Regierungschef Zoran Milanovic erbost in Richtung HDZ-Opposition: "Die Verbrecher - und ich rede nicht über die, über die Sie jetzt reden, denn ich kann Menschen nicht im Voraus für schuldig erklären - die Verbrecher waren zwanzig Jahre unter dem Schutz der Kirche und der HDZ, weil Sie geschwiegen haben und weil Sie so getan haben, als ob nichts geschehen wäre und gewartet haben, dass die Zeit vergeht."
Während sich in Zagreb also Regierung und Opposition wechselseitig mangelnde Vergangenheitsbewältigung vorwerfen, bestreitet die Bundesregierung in Berlin jeden Zusammenhang zwischen Merkels Fernbleiben von den EU-Beitrittsfeiern und dem Gesetz zum Schutz des Ex-Geheimdienstgenerals.
"Richtig ist, dass die Bundesregierung bei den Feierlichkeiten am Sonntag in Zagreb durch den Staatsminister im Auswärtigen Amt Herrn Link vertreten sein wird. Der Bundeskanzlerin ist es leider nicht möglich, nach Zagreb zu reisen. Falsch ist der Zusammenhang, den Sie mit diesem Gesetzentwurf hergestellt haben", antwortete Regierungssprecher Steffen Seibert auf die entsprechende Frage eines Journalisten.
"Die politische Botschaft ist sehr hart"
In jedem Fall ist der politische Wirbel in Zagreb groß. Die Feiern zur Aufnahme des 28. EU-Mitglieds stehen unter keinem guten Stern. Die Kanzlerin hat Kroatien die Beitrittsfeiern gründlich verdorben, meint auch Igor Peternel vom kroatischen Helsinki-Komitee für Menschenrechte. "Die politische Botschaft ist sehr hart. Angela Merkel kommt nicht, und sie schickt nicht einmal den Außenminister. Es kommt ein in der Hierarchie niedrig rangierender Diplomat. Die Botschaft ist sehr deutlich. Ich bin sicher, dass das Bundeskriminalamt auf der Auslieferung beharren wird, sie haben den internationalen Haftbefehl ausgestellt, sie haben die juristische Grundlage dafür, also werden sie hier nicht klein beigeben."